Essen. Die Bundesliga startet wieder - und eigentlich könnten sich die Profis Tipps bei den Amateuren holen. Die Freistoss-Kolumne.
Wir hatten uns gerade kräftig blamiert, 13 Gegentore kassiert, da meinte unser Trainer: „Vielleicht kommen jetzt ein paar mehr Zuschauer zu unserem Platz, um die Verlierer zu sehen.“ Woraufhin unser Stürmer, schon etwas älter, mit seiner ganzen Erfahrung posaunte: „Glaubst du wirklich, dass sich jetzt ein paar Rentner mehr zu uns verirren?“
Ich selbst erlebte damals mein erstes Seniorenjahr. Bezirksliga. Abstiegskampf. Die Lokalpresse berichtete, manchmal zeichnete das Lokalfernsehen sogar Torszenen auf, aber Zuschauer trudelten nur wenige auf unserer Anlage ein. Auch wenn auf der Preisliste am Kassenhäuschen für Schüler und Studenten großzügige Rabatte auf den Eintritt von, wenn ich mich richtig erinnere, vier Euro gewährt wurden. Wir Spieler bekamen vor der Saison eine Dauerkarte vom Sportlichen Leiter für Angehörige zugesteckt. Eine wohlgemerkt, ist ja kein Wunschkonzert.
Natürlich habe ich sie erlebt, die Amateurspiele, zu denen tatsächlich Hunderte pilgerten: Aufstiegsduelle, Derbys. Häufig aber mussten wir hoffen, dass beim Einlaufen auf den Platz wenigstens die Mutter eines Mitspielers winkte, ansonsten herrschte gähnende Leere hinter Bande. Es existieren am Sonntagnachmittag nun mal schönere Beschäftigungen, als 22 Amateurfußballer, von denen zehn etwas eher ins Bett hätten gehen sollen, dabei zu bestaunen, wie sie in eigener Wahrnehmung Großartiges vollbringen, in Wahrheit aber häufiger mal stümpern.
Mittlerweile bin ich in der Kreisliga angekommen. Würde nicht der Lärm von der benachbarten A40 herüber dröhnen, könnten wir die Vögel zwitschern hören. Oder anders formuliert: Kreisliga bedeutet eigentlich immer Geisterspiel.
Deswegen könnten die Profis bei der hiesigen Amateurfußball-Szene nachhören, wie sich das so anfühlt, wenn bei einem Treffer nicht 80.000 Menschen jubeln. Sondern nur der Trainer schreit: „Geht doch.“ Vielleicht brüllt der Abwehrchef noch: „Weiter konzentriert bleiben“. Sollte tatsächlich ein Rentner anwesend sein, so gibt dieser zu Protokoll: „Den hätte ich auch gemacht.“ Natürlich.
Jedenfalls hier ein paar Tipps:
- Nicht ganz jugendfreie Wörter sollten allenfalls geflüstert werden, ansonsten hört sie der Schiedsrichter.
- Beim Torjubel braucht es keine Küsschen in Richtung der Fans, sind ja keine da.
- Grobe Fehler kann man später nicht auf die Lautstärke schieben.
- Taktische Anweisungen des Trainers kann man (leider) nicht überhört haben, also befolgen.
Ob damals übrigens tatsächlich mehr Zuschauer kamen, weiß ich nicht. Aber wir gewannen wieder, schafften den Klassenerhalten. Und feierten. Im kleinen Kreis.