Bochum. Der Bochumer Medizinethiker Jochen Vollmann sieht die Fußball-Saison-Fortsetzung kritisch. Zuerst müsse es dafür genügend Corona-Tests geben.
Die Bundesliga-Klubs sehnen die Fortsetzung der Liga herbei. Sie erhoffen sich schon an diesem Donnerstag, wenn Bundeskanzerlin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten erneut zusammentreffen, den nächsten Schritt. Die Deutschen Fußball-Liga (DFL) hat dafür ein Konzept erarbeitet, das Geisterspiele und regelmäßige Corona-Tests bei den Profis vorsieht. Doch genau daran gibt es auch deutliche Kritik. Der Bochumer Medizinethiker Jochen Vollmann hält unter den derzeitigen Umständen eine Fortsetzung der Bundesliga für "nicht vertretbar". Der 56-jährige Professor empfiehlt andere Modelle für das Saison-Finale.
Vollmann leitet das Institut für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin an der Ruhr-Universität Bochum. Die Pläne für die Saisonfortsetzung können ihn nicht überzeugen. Man müsse sich bei dieser Güterabwägung eine Waage vorstellen, sagt der gebürtige Dortmunder im Gespräch mit dieser Redaktion: "In der einen liegt die große Popularität der Bundesliga, in der anderen das ökonomische Interesse der Vereine und Spieler. In der dritten liegen die Corona-Tests. Sie stellen eine begrenzte medizinische Ressource dar. Deutschland zählt international betrachtet zwar in diesem Bereich zu den ,reichen' Ländern, aber trotzdem werden Menschen etwa an Arztpraxen abgewiesen, weil es nicht ausreichend Testkapazitäten gibt. Solange dies der Fall ist, halte ich eine Fortsetzung der Bundesliga medizinethisch nicht für vertretbar."
Bundesliga im Turniermodus
Sollte es zur Fortsetzung mit Geisterspielen kommen, würden rund 20.000 Tests gebraucht. Laut Aussage des Berufsverband "Akkreditierte Labore in der Medizin" (ALM) stellt die Menge kein Problem dar. Die Mehrheit der Fans ist gegen die Verwendung der Tests für Fußball-Profis. Auch Vollmann warnt: "Auch wenn nur einige zehntausend Tests werden gebraucht – in medizinischen Bereichen fehlen dafür immer noch Testkapazitäten.“ Stattdessen könnten sich die Fußballprofis auch in freiwillige Mannschaftsquarantäne begeben oder die Bundesliga im Turniermodus fortsetzt werden, sagt der Arzt. "So blieben die Testkapazitäten weitestgehend unberührt.“
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Kritiker weisen darauf hin, dass die Testkapazitäten regional schwanken. Auch wenn es insgesamt ausreichend Tests gebe, könnte es zu Engpässen kommen, weil die Laborkapazitäten nicht gleichmäßig verteilt sind. Das sieht auch Vollmann so: "Regionale Verteilungen von medizinischen Ressourcen bestehen in fast allen Bereich. Auch wenn einige Tests ungenutzt bleiben, ändert das nichts an dem Argument. Ich kann diese ja nicht abgreifen und an anderer Stelle einsetzen. Entscheidend ist, ob weiterhin Patienten abgewiesen werden müssen, weil es nicht ausreichend Tests gibt.“
"Fußballschauen kann sogar ein Risiko darstellen"
Die Befürworter nennen als Argument unter anderem, dass der Fußball ein Schritt in eine gewisse Normalität sei. So betonte BVB-Chef Hans-Joachim Watzke etwa: "Fußball ist eine Möglichkeit, Millionen Fans wieder etwas mehr Lebensfreude zu geben.“ Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte: "Geisterspiele sind besser als nichts. Viele Deutsche freuen sich auf die Fußballübertragung." Dem hält Jochen Vollmann zweierlei entgegen: "Fußballschauen kann für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sogar ein Risiko darstellen. Darauf haben Studien in der Vergangenheit hingewiesen."
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Und: "Es gibt es keinerlei empirische Hinweise, dass beispielsweise die häusliche Gewalt, die Kriminalitätsrate oder die gesellschaftlichen Spannungen zurückgehen, weil die Menschen wieder Fußballgucken können. Gesundheitsförderlicher sind sicherlich andere Aktivitäten – zum Beispiel, draußen spazieren gehen oder Fahrrad fahren. Nur ein Teil der Bevölkerung empfindet beim Fußballschauen Freude.“