Essen. Der Corona-Plan der DFL basiert zu großen Teilen auf der Disziplin der Spieler. Die Mediziner wissen: Es gibt keine absolute Sicherheit.
Tim Meyer ist in erster Linie Arzt, aber er ist auch ein sehr passabler Diplomat. Das ist auch am Freitagmittag zu sehen, als der Chefmediziner des Deutschen Fußball-Bunds auf ein Papier aus dem Bundesarbeitsministerium angesprochen wird. Dort hat man sich Gedanken gemacht, wie Profifußball in Zeiten von Corona funktionieren kann, und schlägt vor: kein gemeinsamer Torjubel, keine Rudelbildung und – was für die meisten Diskussionen sorgte – Atemschutzmasken für Spieler und Schiedsrichter.
Nun ja, sagt Meyer. Er kenne den Entwurf nicht im Detail, deswegen könne er dazu nicht Stellung nehmen. Der 52-jährige Sportmediziner hat jene Task Force geleitet, die im Auftrag der Deutschen Fußball-Liga sehr konkrete Maßnahmen und Regeln erarbeitet hat, durch die eine Wiederaufnahme der Bundesliga-Saison möglich sein soll. Atemschutzmasken auf dem Feld gehören nicht dazu. „Ich kann mir nicht ganz so leicht vorstellen, wie Fußball mit Masken aussehen soll“, viel mehr sagt Meyer dazu nicht.
Kritik am Masken-Vorschlag aus der Liga
Andere werden deutlicher: „Ein Sprint mit Maske ist vielleicht möglich, aber nicht drei oder vier. Da wird es mit der Luftzufuhr schwer. Für den Fußball käme das eher nicht infrage“, kommentiert RB Leipzigs Sportdirektor Markus Krösche. „Auf dem Spielfeld macht es keinen Sinn“, urteilt Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC Köln.
Auch interessant
Ulf Dittmer, Direktor der Virologie am Uniklinikum Essen, wischt den Vorschlag ganz vom Tisch: „Mit einem infektionssicheren Mundschutz können sie nicht lange Sport machen. Da haben sie deutliche Atemeinschränkungen“, meint er. „Und ein anderer Mundschutz, der nur lose vor dem Gesicht hängt und bei Zweikämpfen möglicherweise verloren geht, hilft nichts.“ Und im Bundesarbeitsministerium beeilt man sich zu versichern, dass das ganze ja nur „allererste Überlegungen auf Arbeitsebene“ und nicht die Position des Ministeriums insgesamt oder eine politische Entscheidung seien.
Jubel und Mannschaftskreis bleiben erlaubt
Der deutsche Fußball und seine medizinische Kommission verfolgen ohnehin einen ganz anderen Ansatz: „Wir müssen außerhalb des Platzes alles, was möglich ist, unternehmen, um Infektionen zu verhindern, damit auf dem Platz so gut wie möglich gespielt und trainiert werden kann“, erläutert Meyer.
Auf dem Platz kann man enge Kontakte ohnehin nicht verhindern, Zweikämpfe gehören zum Fußball genauso dazu wie enges Gewusel im Strafraum bei Ecken und Freistößen. Auch Torjubel und Mannschaftskreis wollen die Verantwortlichen nicht verbieten. Sie wollen verhindern, dass das Virus überhaupt auf den Platz kommt.
Durch penible Regeln für alle Abläufe im Stadion und auf den Trainingsanlagen der Klub. Durch Maßgaben für Hotelaufenthalte. Durch insgesamt 44 Empfehlungen für den privaten Bereich. Und durch regelmäßige Tests, sobald es ins Mannschaftstraining geht. Mindestens einmal pro Woche, in jedem Fall immer einen Tag vor dem Spiel. Dichter am Anpfiff geht es nicht, „weil die Tests ja eine gewisse Laufzeit brauchen“, erklärt Barbara Gärtner, Leiterin des Bereichs Krankenhaushygiene im Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene des Uniklinikums des Saarlandes und Mitglied DFL-Kommission.
Auch interessant
Größter Risikofaktor sind die Spieler
Sie sagt aber auch: „Es gibt keine absolute Sicherheit, das muss immer klar sein. Wir versuchen, die Risiken zu minimieren.“ Da ist die technische Komponente, die Möglichkeit etwa, das Tests fehlerhaft sind, dass eine Infektion nicht rechtzeitig erkannt wird.
Und es gibt den menschlichen Faktor: „Wir könne viele schöne Konzepte machen, die theoretisch sicher sind“, sagt Meyer. „Wenn die im Kern, also Spieler, Trainer und Betreuer, nicht mitspielen, haben wir ein Problem.“ Die Eigenverantwortung sei extrem wichtig. so sehen die Verhaltensregeln vor, dass Spieler ihre Wäsche selbst waschen, ihre Schuhe selbst reinigen, dass sie soziale Kontakte auf ein Minimum beschränken. „Das ist die Bedingung dafür, dass überhaupt in Frage kommt, dass wieder gespielt werden kann“, sagt Meyer.
Wann es wieder losgeht, wird sich frühestens am 30. April klären, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Bundesländer zusammenkommen. Favorisiert wird von den Profiklubs der 9. Mai, es mehren sich allerdings die Stimmen, dass der 16. Mai realistischer sei. Denn da ist ja auch die Frage, wie viel Vorlaufzeit, wie viel Mannschaftstraining die Fußballer dann brauchen, die derzeit nur individuell oder in Kleingruppen arbeiten. „Wäre es ein sportmedizinisches Wunschkonzert, würde ich sagen: drei Wochen“, meint Meyer, der allerdings auch nicht wirklich einschätzen kann, wie viel das derzeitige Training ausmacht. „Aber wir haben kein Wunschkonzert und dafür Termindruck, daher kann es sein, dass man mit weniger zurechtkommen muss.“
Söder findet Pläne „sehr spannend“
Die öffentliche Diskussion wird noch länger weitergehen. „Sehr spannend“, finde er das DFL-Konzept, erklärte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Wenn das Robert-Koch-Institut grünes Licht gebe, „dann steht die Chance gut, dass so etwas stattfinden kann“.
Dessen Vizepräsident Lars Schaade allerdings erklärt seine Behörde für nicht zuständig – denn es handle sich um ein Problem des Arbeitsschutzes. Und damit wäre man wieder beim Arbeitsministerium gelandet, aus dem die Idee mit den Masken kam.