Florianopolis. Nach der Vertragsauflösung in Monaco hält sich der 37-jährige Naldo zurzeit in Brasilien auf. An ein Karriere-Ende denkt der Abwehrspieler nicht.
Eine Auszeit hatte er sich gegönnt. Dass das von ihm gewollte Nichtstun, in gewisser Weise ein Berufsrisiko eines arbeitslosen Fußballprofis, indes so extrem ausfallen sollte, damit hatte auch er nicht gerechnet. „Wir sitzen hier fest“, schildert Naldo, der in der Bundesliga bekannte Fußballer aus Brasilien, der in seinem Heimatland einen Kurzurlaub zu machen beabsichtigte und dort gestrandet ist. In seinem Haus in Florianopolis, seit über einem Jahrzehnt sein Rückzugsort im Süden des riesigen Landes, befindet er sich in Wartestellung in dieser Zeit der Corona-Wirren. Eine durchaus privilegierte Lebenssituation, wie der im Kreis seiner Familie ausharrende Naldo bekennt: „Vielen Menschen auf der Welt geht es wahrlich schlechter momentan.“
Seit Januar ist der 37-jährige Ex-Schalker ohne Job. Beim AS Monaco, wo er zuletzt nicht mehr gebraucht wurde, hat er seinen Vertrag aufgelöst. „Wir haben eine gute Lösung gefunden“, betont der Abwehrspieler. Im Fürstentum hatte er zwölf Monate verbracht, die unter einem schlechten Stern standen. Trainer Thierry Henry, die französische Stürmer-Legende, die ihn geholt hatte, schnell entlassen, Nachfolger Leonardo Jardim ebenso. Naldos Bilanz: sieben Einsätze, zwei Platzverweise. Die Flucht aus Schalke an die Côte d‘Azur ein Fehler? „Überhaupt nicht, ich habe geholfen, den Klassenerhalt zu schaffen – auch als Führungsspieler für die vielen Jungen.“
Die Frage, die sich aufdrängt: Markiert die Pandemie-Pause nun das Ende seiner Karriere? Der 37-Jährige weiß natürlich, dass er sich im Herbst seiner Laufbahn befindet. Doch der Defensivspieler, der überall, wo er aufauchte, zum Publikumsliebling avancierte, will für sich noch nicht den Schlusspunkt setzen. Naldo, bewundert für seine Lebensfreude und gerühmt für seine positive Weltsicht, plant, „noch ein, zwei Jahre auf hohem Niveau zu spielen“.
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Ein Engagement in Brasilien dürfte schwierig werden
Jedenfalls kommt er auf den Transfermarkt, der noch nicht geöffnet hat wegen des Virus. Mit besten Karten insofern, dass er keine Ablöse kostet. Die chronischen Knieprobleme, inklusive des Knorpelschadens im Gelenk, der ihn einst fast zum frühzeitigen Sportinvaliden gemacht hätte, sind längst nicht mehr akut. Also sichtet sein Berater die Optionen. Lockere Anfragen von vier brasilianischen Erstligisten sind nach eigenen Angaben darunter, doch auch Europa, wo er seit 2005 seine besten Jahre verbracht hat, reizt ihn weiterhin.
„Senhor otimismo“ verrät seine Träume vor der Pensionierung: Einmal für Flamengo Rio de Janeiro auflaufen, für den Meister und Libertadores-Sieger, angebetet und verherrlicht von allen Anhängern in seinem Geburtsland. Heimkehrer Rafinha, der frühere Schalker, spätere Münchener, verbringt dort enorm eindrucksvoll und äußerst erfolgreich seinen Lebensabend. Doch für Naldo tut sich „beim besten Team Südamerikas“ keine Perspektive auf: „Die sind optimal besetzt, haben vier starke Innenverteidiger.“
Flamengo mit dem Portugiesen Jorge Jesus, dem Trainer mit einer Philosophie, die dem europäischen Stil nahekomme, werde seinen Titel souverän verteidigen. Die Rivalen aus Sao Paulo wie Palmeiras, Santos oder FC sowie Atletico Mineiro mit dem neuen Coach Jorge Sampaoli, so der einstige Bundesliga-Legionär, seien so gut wie chancenlos.
Also schaut der Ex-Nationalspieler, 2007 zu seiner Glanzzeit viermal in die Selecao berufen, auf Deutschlands höchste Spielkasse, wo er seine Spuren an drei Standorten hinterlassen hat. Bremen, Wolfsburg, Schalke – überall erinnern sie sich gern an den Südamerikaner, der längst auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. „Zum Glück kam ich bei allen drei Klubs gut klar. Ich habe mich wohl gefühlt – und die Fans haben mich respektiert.“
Bei Werder könnte er sich eine Rolle wie die von Pizarro vorstellen
Die meiste Zeit verbrachte er an der Weser, glanzvolle sieben Spielzeiten. Mag sein, dass er daher eine besondere Liebeserklärung für den Kultklub aus der Hansestadt abgibt: „Werder bleibt immer in meinem Herzen.“ Der Werdegang seines Ex-Vereins in dieser Saison, der Abstiegskampf mit noch unbekanntem Ausgang, nimmt ihn mit: „Mir ist schleierhaft, wie es passieren konnte.“ Wie auch immer es ausgehen wird, selbst im Abstiegsfall, Naldo bietet seine Dienste an. Mit Verweis auf die besondere Geschichte des Oldtimers Claudio Pizarro. Eine Rolle als Leitfigur, wie der Kumpel von einst sie ausgefüllt hat, kann sich auch Naldo vorstellen: „Frank Baumann muss sich nur melden. Ich bin nicht abgeneigt, noch mal nach Bremen zurückzukommen. Wenn Werder mich braucht, bin ich bereit.“
Und wenn alles nichts wird, kein Engagement in Brasilien, keine Wiederkehr bei Werder, keine neue Arbeitsstelle, wo auch immer – für Naldo wäre dies „auch kein Problem“. Der Mann hat ausgesorgt, setzt Prioritäten in seiner Lebensplanung: „Die Familie kommt sowieso an erster Stelle.“ Zunächst in Monaco, bis der 14-jährige Naldinho, ein befähigter Nachwuchskicker, die Schulbildung abgeschlossen hat, später in besagtem Haus im Staat Santa Catarina will Naldo mit Ehefrau Carla, Tochter Liz (10) und Nesthäkchen Liv Rodrigues (1) sich zur Ruhe setzen.
Und der Fußball? „Trainer auf keinen Fall, das ist viel zu anstrengend und zeitintensiv, schlimmer als in der Zeit als Spieler.“ Seine ideale Vorstellung: Ein Leben als Berater, als Repräsentant oder Scout, „das wäre was für mich“.