Frankfurt. Die Coronavirus-Krise hat auch Bundestrainer Joachim Löw ergriffen. Er reagiert sehr emotional. Der Fußball scheint derzeit ganz weit weg.

Es ist ein skurriles Bild, das der Deutsche Fußball-Bund am Mittwochnachmittag bietet: Auf einem Podium in der Zentrale des Verbands an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt sitzt auf der einen Seite Pressesprecher Jens Grittner und auf der anderen Seite, in gebührendem Abstand, DFB-Präsident Fritz Keller. Flankiert werden die beiden von zwei Bildschirmen, auf dem einen ist Bundestrainer Joachim Löw, auf dem anderen Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff zu sehen.

Abstand halten – so lautet die Handlungsanweisung der Regierung und aller Experten in Zeiten der Corona-Pandemie, und das resultiert in der wohl außergewöhnlichsten Pressekonferenz in der 125-jährigen Geschichte des Verbands. Löw und Bierhoff sind per Video zugeschaltet – und die fragenden Journalisten ebenfalls.

Eine gehörige Portion Pathos

Außergewöhnlich sind auch die einleitenden Worte von DFB-Präsident Keller, der erst einmal wie der Liedermacher Reinhard Mey klingt: „Was gestern wichtig und richtig erschien, ist heute nichtig und klein.“ Dass er sich über den Wolken bewegt, dass er abgehoben ist, wird dem deutschen Fußball, seinen Klubs und Verbänden ja immer wieder vorgeworfen, in der aktuellen Krise ganz besonders.

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Diesen Eindruck wollen die Beteiligten nun richtigstellen, und insbesondere Bundestrainer Löw überrascht mit einer gehörigen Portion Pathos: „Die Welt hat ein kollektives Burn-out erlebt. Die Erde scheint sich ein bisschen zu wehren gegen den Menschen, der immer denkt, dass er alles kann und alles weiß“, sagt der 60-Jährige und wird dann gesellschaftskritisch wie nie in seiner fast 14-jährigen Amtszeit. „Machtgier, Profit und Rekorde“ hätten in den vergangenen Jahren im Vordergrund gestanden. „Das Tempo, das wir vorgegeben haben, war nicht mehr zu toppen.“ Verheerende Brände in Australien oder Ebola in Afrika „haben uns nur am Rande berührt. Jetzt haben wir etwas, was die ganze Menschheit betrifft, und wir merken, was wirklich zählt: Freunde, Familie und Respekt füreinander.“

Struktur soll unverändert bleiben

Der Fußball ist in diesen Tagen nur Nebensache, das wollen die DFB-Oberen deutlich machen – einerseits. Andererseits geht es schon darum, dass der Fußball ja auch stark betroffen ist davon, dass Corona das öffentliche Leben zum Stillstand gebracht hat. Und dass die Zwangspause nun Existenzen und Klubs bedroht, von der Bundesliga bis hinunter in die Kreisliga. Keller betont: „Es ist wichtig, dass wir die Struktur aus 25.000 Vereinen mit sieben Millionen Mitgliedern erhalten. Daran hängen auch insgesamt 250.000 Vollzeitkräfte.“

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Deswegen will der DFB helfen, den Frauen-Bundesligisten wie den Drittligisten und Landesverbänden. Es soll im Notfall Überbrückungshilfen geben, um Liquiditäts-Engpässe abzufangen. Die Dimensionen? Noch unklar. Anders als die Herkunft des Geldes: Der DFB hat „gut daran getan, Rücklagen aufzubauen, wir können auf ein kleines, aber gutes Polster zurückgreifen, das wir jetzt auch abgeben an die Landesverbände“, sagt Keller. Rund 132 Millionen Euro betrugen die Rücklagen im Jahr 2018, für die jüngere Vergangenheit gibt es noch keine Finanzberichte – und 95 Millionen Euro waren freie Rücklagen.

Ist die Lage für den weltgrößten Einzelsportverband also gar nicht so dramatisch? Diesen Eindruck mag Nationalmannschaftsdirektor Bierhoff so nicht stehen lassen: „Es ist gut, dass wir solide aufgestellt sind und in guten Zeiten für solche Fälle vorgesorgt haben“, sagt er. „Aber eins ist klar: Wir müssen in gewissen Bereichen abspecken.“

Weil die Europameisterschaft um ein Jahr verschoben wurde, weil die Länderspiele gegen Spanien und Italien bereits abgesagt sind, fehlen fest eingeplante Millionen-Einnahmen. Wie groß die Lücke genau wird, vermag noch niemand zu sagen – es weiß ja niemand, ob die Spiele tatsächlich wie erhofft im Juni nachgeholt werden können.

Sicher ist nur: Ausgaben, die nicht unbedingt nötig sind, werden auf den Prüfstand gestellt. So hat der DFB erst im September sein „Projekt Zukunft“ vorgestellt, ein millionenschweres Programm, um die Talentausbildung und -förderung zu verbessern. „Das werden wir überarbeiten müssen“, ahnt Bierhoff. Und nicht nur das: „Jeder Mitarbeiter im DFB muss noch mal auf seine Pläne und Budgets schauen und überlegen, was notwendig ist. Wir werden sicherlich den Gürtel enger schnallen müssen.“