Essen. Zweitliga-Profi Sascha Mockenhaupt vom SV Wehen-Wiesbaden beherrscht den Ball im eSport an der Konsole und auf dem grünen Rasen.

Der eSport wird in Deutschland immer populärer. Doch Kritiker befürchten, dass der Fußballnachwuchs zukünftig lieber vor der Konsole sitzt, anstatt selbst dem runden Leder nachzujagen. Der eine oder andere Profi-Fußballer beweist, dass sich beides nicht ausschließen muss. Sascha Mockenhaupt (28) ist im realen Leben Verteidiger des Zweitligisten SV Wehen Wiesbaden. Aber er beherrscht auch die Fußballsimulation FIFA20 auf der Konsole und spielt für die esport-Mannschaft des Vereins in der Virtuellen Bundesliga (VBL Club Championship).

An zwei Partien nahm er in der kürzlich abgelaufenen Saison teil. Zwar verloren die Wehener beide Spiele (3:6 gegen Bayer Leverkusen und 0:9 gegen die SpVgg Greuther Fürth). Allerdings gelang ihm am 19. Spieltag mit dem 2:0-Sieg im Doppel zusammen mit Alexander „Bono“ Rauch gegen den dreimaligen Weltmeister „Deto“ und Fabian „B04_Dubzje“ De Cae eine kleine Sensation. Im Gespräch mit dieser Redaktion zog er ein positives Fazit: „Es macht einfach Spaß, sich auf diesem hohen Niveau messen zu können. Bei meinem Einzeldebüt habe ich auch gemerkt, dass ich durchaus mithalten kann.“

Hohe Bedeutung in der Vermarktung

Schon vorher hatte er oft gegen professionelle eSportler gespielt und die VBL-Live-Übertragungen auf ProSieben MAXX und ran.de verfolgt. Daher musste er auch nicht überlegen, als die Anfrage von Wehens Geschäftsführer Nico Schäfer kam. Mockenhaupt ging schon immer ungewöhnliche Wege. Mit 21 absolvierte der BVB-Sympathisant ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Noch mit fast 22 Jahren spielte der gebürtige Kirchener „mit Freunden auf dem Dorf“ für die SG Betzdorf. Im Vorfeld der Teilnahme holte er sich die Zustimmung von Zweitliga-Coach Rüdiger Rehm. Der habe zwar positiv darauf reagiert, aber: „Wenn wir in der 2. Liga ein Spiel verlieren, muss ich mir auch mal einen Spruch anhören“, sagt Sascha Mockenhaupt. Für den SV Wehen hat die VBL mit Blick auf die Vermarktung eine hohe Bedeutung. Während Spitzenvereine wie Borussia Dortmund und Bayern München darauf noch verzichten, möchte der SVWW ein junges Publikum erschließen.

Netter Zeitvertreib

Für Mockenhaupt ist es vor allem ein netter Zeitvertreib. Der Fokus des Verteidigers liegt auf dem Klassenerhalt in der Zweiten Liga und auf seinem Sportmanagement-Studium. Denn nur die absoluten Stars können vom eSport leben. Weltmeister Mohamed „MoAuba“ Harkous kassierte rund 225.000 Euro für den Titelgewinn 2019. So viel verdienen viele Zweitliga-Spieler im Jahr. Um auf das Niveau zu kommen, müsste „Mocki“ täglich mehrere Stunden trainieren – wie die echten Zocker. Unter der Woche hat er als Fußballprofi kaum Zeit, um an den eSport-Einheiten teilzunehmen. Spielpraxis holt er sich an den Wochenenden. In der sogenannten Weekend League, einem Fifa-Onlinewettbewerb für Einzelspieler, spielt er bis zu 30 Partien.

An der Konsole ist alles anders

Natürlich drängt sich der Gedanke auf, dass er als Profi im Vorteil gegenüber eSportlern sei. Mockenhaupt verneint das: „Wenn ich meine Idee des Verteidigens auf FIFA übertragen würde, hätte ich keine Chance.“ Im echten Leben liege die Schwierigkeit darin, einen geordneten Spielaufbau hinzubekommen. An der Konsole sei das anders. Da komme man viel einfacher an den gegnerischen Sechzehner. Auch der Trainer habe im realen Leben viel mehr Einfluss.

Dass der Trainereinfluss im eSport nur begrenzt ist, musste im vergangenen November auch Ex-RB Leipzig-Spieler Diego Demme (jetzt SSC Neapel) erfahren. Der 28-jährige Deutsch-Italiener war auch für die e-Sportler von RB aktiv. Unter dem Künstlernamen „DD31“ verlor der Mittelfeldspieler das erste Spiel in der VBL Club Championship zusammen mit seinen Kollegen gegen den 1. FC Köln mit 0:9. Sein Trainer Julian Nagelsmann hatte ihm dabei über die Schulter geschaut.

Mentale Anstrengung

Natürlich bekommt auch Mockenhaupt die Diskussionen darüber mit, ob eSport ein echter Sport sei. Seine klare Antwort: „Sobald man regelmäßig für etwas trainiert und es körperlich anstrengend ist, dann ist es für mich ein Sport.“ Die mentale Anstrengung sei sogar größer als im realen Leben, da das Spiel in Sekundenbruchteilen entschieden werden könne: „Wenn es wirklich eng wird, dann kommt man auch ins Schwitzen.“ Rein tabellarisch konnte der SV Wehen mit Mockenhaupt im eSport keine Sprünge machen. Der SVWW beendete die Saison als Tabellenletzter. Ob es für den Klassenerhalt reicht, hängt jedoch alleine am Zweitliga-Team. Aus der Virtuellen Bundesliga kann man sportlich nämlich nicht absteigen. Und es dürfen nur Mannschaften teilnehmen, die auch im realen Leben über einen Erst- und Zweitligisten verfügen. Daher dürfte Mockenhaupt in den nächsten Wochen doppelt motiviert sein, den Klassenerhalt in Liga zwei zu schaffen.