Paris. Nationalspieler Julian Draxler erzählt in einem Interview von seinem Weg in den Profifußball und seiner Zeit als Profi bei Schalke 04.

Fußball-Nationalspieler Julian Draxler plaudert in einem Interview mit Spox und DAZN unter anderem über seine Jugend. Der Ex-Schalker erzählt, wie ihn sein Vater mit sanften Druck in Richtung Profi-Karriere gelenkt habe: "Er hat zwar nie gesagt, ich müsse es unbedingt zum Profi schaffen, er hat mich aber sehr stark in diese Richtung geschubst." Dabei muss es, erzählt der 26 Jahre alte Profi des französischen Meisters Paris Saint-Germain weiter, gelegentlich einigermaßen emotional zugegangen sein: "Wenn wir am Samstag verloren oder ich schlecht gespielt hatte, war das Wochenende für die gesamte Familie gelaufen, weil mein Papa einen Riesenhals hatte. Da war er schon richtig sauer und sehr, sehr kritisch. Im Nachhinein sei er, sagt Draxler, seinem Vater dankbar, weil "ich so einen Ehrgeiz entwickelt habe, den ich sonst vielleicht nicht gehabt hätte."

Selbstkritische Töne im Interview von Julian Draxler

Im Interview, in dem er sich in der Rückschau sehr selbstkritisch zeigt, beschreibt er sich selber so: "Eigentlich war ich das Gegenteil eines Malochers. Wenn man es böse formulieren möchte: ein Schönwetterfußballer." Er habe körperliche Defizite gehabt, und die Bedeutung ordentlicher Defensivarbeit lange nicht erkennen wollen.

Die wichtigsten Aussagen des Interviews mit Spox und Dazn im Wortlaut. Julian Draxler sagt über...

... Überheblichkeit nach seinen ersten Erfolgen:

"Es gab bei mir ein halbes Jahr, in dem ich ein bisschen weniger trainiert und auch mal gesagt habe: Es ist ja nur Training. Das war zuvor für mich jahrelang undenkbar. Wenn du ein halbes Jahr nachdem du deinen ersten Profivertrag unterschrieben hast, einen neuen Vertrag unterschreibst, durch den du plötzlich das Zehnfache verdienst, ist das nicht leicht zu verarbeiten. Du glaubst, es wäre ein Selbstläufer. Du wirst nachlässig. Und sobald du im Training ein, zwei Prozent weniger gibst, fängst du auch an, im Spiel deine Gegenspieler zu unterschätzen. Die wiederum wissen jetzt, was du kannst, und passen besser auf dich auf. Ein, zwei gute Spiele zu machen und ein nettes Tor zu schießen, ist das eine. Es ist aber viel schwieriger, sich auf dem Niveau zu halten. Fußballspielen können in der Bundesliga alle. Das ist nicht mehr wie in der B- oder A-Jugend. Im bezahlten Fußball fressen sie dich mit Haut und Haaren auf, wenn du nicht voll da bist. Das habe ich relativ schnell begriffen – und deswegen bin ich aus der Schwächephase wieder herausgekommen."

"Solange du gut spielst und Tore machst, läuft alles von selbst. Wenn aber zum ersten Mal ein verlorenes Spiel an dir persönlich festgemacht wird, bist du plötzlich einem ganz anderen Druck ausgesetzt. Du nimmst deine Umgebung anders war, auch im Privatleben, schaust ständig nach links und rechts."

... die hohe Erwartungshaltung bei Schalke 04:

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"Schalke war für mich kein Arbeitgeber wie jeder andere. Es waren viele Augen auf mich gerichtet. Wenn wir verloren haben, musste ich mir nicht nur von den Fans anhören, dass ich scheiße bin, sondern auch von meinen Nachbarn, meiner Familie und den Freunden meiner Familie. Ich war zum Beispiel auf dem Geburtstag meines Onkels. Da saß dann jemand, der immer in der Nordkurve steht, und mir plötzlich - auf gut Deutsch gesagt - erzählte, was für ein Arschloch ich doch bin. Das ist eben Ruhrpottsprache. Da nimmt man kein Blatt vor den Mund. Den Menschen ist in dem Moment egal, ob du erst 19 oder 20 Jahre alt bist und noch in der Entwicklungsphase steckst. Gleichzeitig haben die Menschen ein sehr gutes Gespür dafür, ob du gerade auf dem Platz wirklich zu hundert Prozent da bist oder ob du Flausen im Kopf hast. Anfangs nimmst du als Teenager eher eine Abwehrhaltung ein und denkst dir: Was willst du mir eigentlich erzählen? Ich weiß schon, wie der Hase läuft. Aber im Nachhinein merkst du, dass die Leute meistens recht hatten.

... den Druck, den sein Vater auf ihn ausgeübt hat:

"Eine ganze Menge. Er hat zwar nie gesagt, ich müsse es unbedingt zum Profi schaffen, er hat mich aber sehr stark in diese Richtung geschubst. Wenn wir am Samstag verloren oder ich schlecht gespielt hatte, war das Wochenende für die gesamte Familie gelaufen, weil mein Papa einen Riesenhals hatte. Da war er schon richtig sauer und sehr, sehr kritisch. Manchmal habe ich meine Leistung gar nicht als so schlecht empfunden. Er hat mir dann klargemacht, dass das nicht reicht. Mein Papa war definitiv fordernd. Im Nachhinein bin ich ihm dafür unglaublich dankbar, weil ich so einen Ehrgeiz entwickelt habe, den ich sonst vielleicht nicht gehabt hätte."

... seine Art Fußball zu spielen:

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Eigentlich war ich das Gegenteil eines Malochers. Wenn man es böse formulieren möchte: ein Schönwetterfußballer. Gute Technik, gute Übersicht, gutes Dribbling. Aber keiner, der den 50-Meter-Sprint nach hinten gemacht hat, um einen Ball zu gewinnen. Natürlich gehört die Defensivarbeit heutzutage zum Profifußball dazu, ich habe sie mir auch angeeignet. In der Jugend war das aber anders. Wenn Sie meine früheren Trainer fragen, werden alle dasselbe sagen: ‚Julian hatte außergewöhnliche Fähigkeiten, Verteidigen mochte er aber gar nicht.‘ Auch zu Beginn meiner Profikarriere wollte ich jede Situation spielerisch lösen, sodass mir das Körperliche und Kämpferische abgegangen ist. Das war für die Schalker, die Fans und das Umfeld nur schwer zu akzeptieren. Ich wusste um die Bedeutung dieser Attribute, sie lagen aber nicht in meinem Naturell. Einmal ist es mir zum Verhängnis geworden. Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, wurde die U16 aufgelöst. Es gab also nur noch die U17 und ich war körperlich total im Nachteil. Dann kam mein damaliger U17-Trainer auf die Idee, mich auf der Sechs spielen zu lassen, um mir die Bedeutung der Defensivarbeit einzubläuen. Er wollte mit allen Mitteln erreichen, dass ich es lerne. Heute weiß ich, dass er mich nur voranbringen wollte, damals habe ich das aber nicht verstanden und auch nicht akzeptiert. Ich war im Kopf einfach noch nicht so weit und hatte riesige Probleme in meinem ersten U17-Jahr. Ich war schlicht nicht in der Lage, in einem körperbetonten Spiel Zweikämpfe gegen einen 17-Jährigen von Borussia Dortmund zu gewinnen. Das war eine Phase, in der ich nicht gut gespielt und zum ersten Mal gemerkt habe, dass die anderen auch richtig gut sind. Mit dieser Erkenntnis, dass es plötzlich für mich nicht mehr steil nach oben ging, hatte ich zunächst meine Probleme." (fs)