Essen. Der Wirbel um eine Sympathiebekundung von Ilkay Gündogan und Emre Can wurde zunächst unterschätzt. Das war falsch. Ein Kommentar.

Die Verantwortlichen beim DFB schienen wie schon vor der WM 2018 wieder die Dimension von Sympathiebekundungen unterschätzt zu haben. Die Führungskräfte der Nationalmannschaft hatten direkt nach dem Länderspiel in Estland die Debatte um die türkisch-stämmigen deutschen Spieler Ilkay Gündogan und Emre Can für beendet erklären wollen. Bundestrainer Joachim Löw hatte gesagt: "Wer die beiden Spieler kennt, der weiß, dass sie gegen Terror und Krieg sind. Beide haben klar geäußert, dass es kein politisches Statement war." Und weiter: „Damit ist es für mich auch gut.“ DFB-Direktor Oliver Bierhoff wertete dies zunächst ähnlich: „Ich sehe es nach den Aussagen der Spieler nicht so kritisch.“

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Erneut steht Ilkay Gündogan im Fokus – dieses Mal in Verbund im Emre Can, nachdem es im vergangenen Jahr vor der WM in Russland einen großen Eklat um ein Foto mit ihm, Mesut Özil und dem türkischen Staatschef Erdogan gegeben hatte. Gündogan und Can hatten vor dem Spiel in Tallinn ein Foto mit militärischen Grüßen mehrerer türkischer Nationalspieler als Torjubel mit einem Like versehen und diese Zustimmung nach massiven Protesten in der Welt der Sozialen Medien erst rückgängig gemacht und dann für unpolitisch erklärt. Das schien Löw und Bierhoff zunächst ausreichend.

Dass die Macher der Nationalmannschaft sich nicht daran beteiligen, ihre Spieler öffentlich vorzuführen, ist zunächst nachvollziehbar, den Spielern aber jede Torheit nachzusehen, ist falsch.

Ein überfälliger Rüffel

Deshalb ist der Rüffel, den Oliver Bierhoff nun nachgereicht hat, überfällig. Fußball-Profis, Nationalspieler zumal, sind eben nicht einfach nur normale Mitbürger. Sie stehen im Rampenlicht, sind Identifikationsfiguren vor allem für Kinder und Jugendliche. Das bringt nicht nur Ruhm und Ansehen, sondern eben auch besondere Verantwortung mit sich. Da kann – bei allem Verständnis für die Jugend und die besonderen Lebensumstände von Fußballprofis in ihrer ganz eigenen Blase - alles politisch werden.

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Diese Verantwortung hat Oliver Bierhoff nun eingefordert. Wenn er jetzt noch sein Versprechen umsetzt, seine Schutzbefohlenen künftig stärker für die Wirkung Sozialer Medien zu sensibilisieren, hätten sie beim DFB dann doch die Tragweite eines einzelnen Likes erkannt – und am Ende in der Affäre doch noch vieles richtig gemacht.