London. Der 7:2-Sieg bei Tottenham Hotspur in der Champions League macht den FC Bayern München stolz. Aber er macht die Bayern nicht übermütig.
Dass es ein Abend war, an dem sich auch manches glücklich gefügt hatte, zeigte sich sogar noch einmal nach dem denkwürdigen Spiel. Nur kurz hatte Serge Gnabry den Spielball nach dem Abpfiff aus den Augen gelassen, um sich mit den Kollegen von den Fans für diesen spektakulären 7:2 (2:1)-Sieg bei Tottenham Hotspur und für seine vier Tore feiern zu lassen. Es war jener Moment, in dem Javier Martinez den Ball ähnlich freudetrunken in die Zuschauer schoss und Gnabry beinahe sein Andenken an seine ersten Tore überhaupt in der Champions League abhanden gekommen wäre.
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Doch offenbar erkannten die Anhänger den Wert des Balles für Gnabry und warfen ihn zurück. „Ich habe eineinhalb Saisons auf mein erstes Champions-League-Tor gewartet, jetzt waren es gleich vier. Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen“, sagte der Flügelspieler des FC Bayern später glücklich. „Serge hat heute eine Sternstunde gehabt“, befand Trainer Niko Kovac, der zweite große Gewinner.
Sternstunde mit Anlaufschwierigkeiten
Es war allerdings für alle Münchener eine Sternstunde mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten. Zunächst deutete ja wenig darauf hin, dass sie beim Vorjahresfinalisten derart deutlich triumphieren würden, mit ihrem zweithöchsten Auswärtssieg auf der großen Bühne des europäischen Vereinsfußballs nach dem 7:1 bei AS Rom 2014. Anfangs, nach Heung-Min Sons 1:0 (12.) und einigen weiteren Großchancen der Spurs, sah es eher so aus, dass der Deutsche Meister auf eine Niederlage zusteuern würde. Und auch die Bayern kamen nach großen Problemen mit Tottenhams Pressing und Schnellangriffen durchs Zentrum nicht umhin, ihre 2:1-Pausenführung durch die Tore von Joshua Kimmich (15.) und Robert Lewandowski (45.) als „glücklich“ zu bezeichnen. „Manu hatte einige gute Paraden, die wichtig waren, um uns im Spiel zu halten“, dankte Gnabry Torwart Manuel Neuer, nachdem Gnabry als zweiter Deutscher nach dem ehemaligen Münchener Mario Gomez (2012 beim 7:0 gegen Basel) vier Tore in einer Partie der Champions League erzielt hatte.
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Was auf den in der ersten halben Stunde ziemlich wackeligen Auftritt der Bayern aber folgte, bezeichnete Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf seiner Bankettrede als „unglaublich“ und „historisch“. Gnabry schoss seine vier Tore (53./55./83./88.), unterbrochen nur von Lewandowskis 14. Treffer im zehnten Pflichtspiel der Saison (87.). Regelrecht überrollt wurde Tottenham nun – und fiel in seinem neuen Stadion zunehmend auseinander. „Was wir in der zweiten Halbzeit gespielt haben, das ist das, was ich mir vorstelle, was ich mir wünsche“, sagte Kovac bestärkt nach seinem ersten Sieg gegen eine große Mannschaft in der Champions League. Wobei die Bayern durchaus auch wussten, dass an diesem Dienstagabend im Norden Londons vieles zusammen gekommen war: Glück in der ersten Halbzeit, eine nahezu perfekte Effizienz bei den eigenen Torchancen, Gnabry in Galaform und ein Gegner, der in einer sehr komplizierten Phase steckt und deshalb derzeit wohl kaum als Mannschaft aus der ersten europäischen Reihe angesehen werden kann.
Wie in der F-Jugend
Entsprechend zurückhaltend äußerten sich die Münchener, als es um die Frage ging, ob sie nach diesem Kantersieg zum engsten Favoritenkreis auf den Titelgewinn zu zählen sind. „Das war ein Ausrufezeichen. Wir sind zufrieden“, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic, mahnte aber rasch: „Von irgendwas zu träumen, wäre zu früh.“ Und auch Kapitän Neuer ordnete die Torgala zunächst nur als außergewöhnlichen Abend ein: „Wir haben jetzt 7:2 gewonnen, aber wir wollen jetzt nicht sagen, dass wir ganz Europa schlagen.“
Auf einem guten Weg zum angestrebten Gruppensieg sind sie nun allemal, und auch das Selbstbewusstsein dürfte nachhaltig gestärkt worden sein. Auch Gnabry, nach „einem meiner besten Spiele“, wie der 24-Jährige stolz sagte. Vier Tore seien ihm zuletzt wohl in der F-Jugend gelungen, meinte er, „meine ersten vier Champions-League-Tore in einem Spiel zu erzielen, war schon grandios“. Dieses 7:2 werde in Europa nun „natürlich die Welle machen“, sagte Gnabry noch, „wir dürfen aber jetzt nicht übertreiben.“ Den Spielball ließ er nun nicht mehr aus den Augen.