Essen. Heute rollt bei der Copa America endlich der Ball. Die Neymar-Affäre hat die Vorfreude abgekühlt, dennoch darf man sich auf ein Spektakel freuen.

Nach dem Beben Neymar startet am Freitag in Brasilien die Copa America mit einer klaren Botschaft: "Vibra Continente!" Südamerika soll laut des Titelsongs bis zum Finale am 7. Juli vibrieren. Doch die 46. Auflage des ältesten Fußball-Nationenturniers der Welt tut sich schwer, aus dem Schatten des Superstars und seiner Affäre um eine angebliche Vergewaltigung zu treten.

So gab es für das Eröffnungsspiel der Selecao gegen Außenseiter Bolivien im Morumbi-Stadion von Sao Paulo (Samstag, 2.30 Uhr MESZ/DAZN) noch unter der Woche Karten. Doch schon die Minuskulisse mit 16.521 zahlenden Fans am vergangenen Sonntag bei der Generalprobe gegen Honduras (7:0) machte klar: Die Vorfreude auf die Fiesta Latina ist unterkühlt.

Neymar fehlt - Japan und Katar als Gäste dabei

So komisch es klingen mag: Das verletzungsbedingte Aus der Zugnummer Neymar, der nach einer Verstauchung im rechten Sprunggelenk vier Wochen pausieren muss, spielt den Organisatoren sogar in die Karten. Schließlich war zu befürchten, dass das Schmierenstück um eine ominöse Liebesnacht des 27-Jährigen Mitte Mai in Paris das Stelldichein der zehn Südamerikaner sowie der Asien-Gäste Katar und Japan kontaminiert.

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Der Druck auf die Selecao, auch zum fünften Mal als Gastgeber die Kontinental-Meisterschaft zu gewinnen, ist damit aber noch eher gewachsen. Nationaltrainer Tite, der schon vorab unabhängig vom Turnierausgang von CBF-Präsident Rogerio Caboclo eine Jobgarantie bekommen hat, vertraut auf 14 Spieler aus der verkorksten Vorjahres-WM, hat mit der Nominierung von Talenten wie David Neres (Ajax Amsterdam) und Lucas Paqueta (AC Mailand) auch die Verjüngung im Blick.

Messi: "Sind diesmal nicht wie sonst Favorit"

Viel drastischer ist der Neuaufbau bei Erzrivale Argentinien, in Russland noch ein hoffnungslos zerstrittenes Star-Ensemble. "Wir sind diesmal nicht wie sonst Favorit", gestand Barcelona-Star Lionel Messi, neben Sergio Agüero und Angel Di Maria (alle 31) Korsettstange beim 14-maligen Titelträger, und gab zu Bedenken: "Für die meisten ist es das erste große Turnier."

Der Kapitän hofft dennoch, am Ende der drei Wochen im Maracana, wo er 2014 im WM-Finale gegen Deutschland die bitterste Stunde seiner Karriere durchlitt, endlich den Gauchos einen Titel zu geben, nach dem sie seit dem Copa-America-Triumph 1993 vergeblich lechzen. Auch weil der fünfmalige Weltfußballer bei den letzten beiden Copa-Austragungen 2015 und 2016 seinen Finalfluch jeweils gegen Chile nicht abstreifen konnte.

Was der Titelverteidiger selber, der im Jahr darauf Deutschland erst im Endspiel des Confed-Cups unterlag, dann aber sensationell die WM verpasste, diesmal zu leisten imstande ist, bleibt abzuwarten, denn es sind nur noch elf Champions, angeführt von den Routiniers Arturo Vidal und Alexis Sanchez, der vor drei Jahren in den USA ausgetragenen Jubiläums-Copa dabei.

DAZN überträgt die Copa America 2019 live

Im Kader der La Roja steht auch der Leverkusener Charles Aranguiz. Ansonsten ist der deutsche Fußball nur mit Bayern Münchens Auslaufmodell James (Kolumbien), dem Hamburger Tatsuya Ito (Japan) sowie Marcelo Saracchi (Uruguay), der bei Pokalfinalist RB Leipzig fast die gesamte Rückrunde die Bank drückte, vertreten. Für den deutschen Markt hat sich der Streamingdienst DAZN die Übertragungsrechte gesichert.

Großes Interesse sieht anders aus. Auch bei der Kartennachfrage. Laut dem Internetportal UOL waren am 7. Juni erst 60 Prozent der im freien Verkauf erhältlichen Tickets über den Ladentisch gegangen. Den Vorrundenduellen zwischen Japan und Ecuador (1400 abgesetzte Karten) und Bolivien gegen Venezuela (3600) droht gar gespenstische Stimmung.

Die Favoriten sind schließlich andere. Rekordsieger Uruguay (15 Titel) mit dem Starsturm Luis Suarez und Edinson Cavani, Kolumbien mit dem Duo James und Falcao Garcia, aber auch die Peruaner mit den deutschen Fans bekannten Routiniers Paolo Guerrero und Jefferson Farfan.

Und natürlich Messis Argentinier und die Selecao, diesmal ohne Neymar. Auch von dem wird man in den kommenden Tagen weiter lesen. Abseits vom Rasen. Aber das ist eine andere Geschichte... (sid)