Madrid. Das 0:2 im Endspiel der Champions League muss Mauricio Pochettino erst einmal verdauen. Hat sich Tottenhams Trainer gegen Liverpool vercoacht?

Mauricio Pochettino ist ein freundlicher Mensch. Aber als er weit nach Mitternacht in den Katakomben des Estadio Wanda Metropolitano in Madrid immer wieder gefragt wurde, ob die Nominierung von Harry Kane für die Startelf von Tottenham Hotspur ein Fehler gewesen sei, verzog auch der Spurs-Trainer genervt das Gesicht. „Meine Entscheidung war sehr analytisch, und ich habe sie auf der Basis aller meiner Informationen getroffen. Ich bereue sie nicht“, erklärte der Argentinier. Okay, gab er zu, Kane habe im Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool nicht getroffen, aber er sei bis zum Abpfiff frisch gewesen.

So frisch, wie man nach einer 53-tägigen Verletzungspause sein kann. Kane, der Kapitän der Spurs, hatte zwar keine konditionellen Probleme nach seiner langwierigen Knöchelverletzung, doch im Vergleich zu seinen exzellenten Vorstellungen in der Premier League oder gar seinen Auftritten, die ihn 2018 zum WM-Torschützenkönig gemacht hatten, war der 25-Jährige bei diesem 0:2 nur ein Schatten seiner selbst. Kane hatte keine echte gefährliche Szene, wurde aber auch von den hervorragenden Verteidigern Joel Matip und Virgil van Dijk kaltgestellt.

Hinterher ist man immer schlauer, doch Pochettino hatte sich offensichtlich vercoacht, indem er für Kane den Brasilianer Lucas Moura bis zur 66. Minute auf der Ersatzbank ließ. Jenen Stürmer, der beim 3:2-Halbfinal-Drama bei Ajax Amsterdam die Spurs mit seinen drei Toren ins Endspiel geschossen hatte.

So müssen die Spurs, die wegen ihres neuen Milliarden-Stadions zwei Transferperioden ohne Einkäufe verstreichen ließen, in der neuen Saison einen erneuten Anlauf in der Champions League nehmen. Ob Pochettino dann noch in Tottenham das Sagen haben wird, ist noch nicht amtlich. Denn der in der Vergangenheit von großen Klubs umworbene Trainer lehnte nach fünf erfolgreichen Jahren ein klares Bekenntnis ab. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um über die Zukunft zu sprechen“, sagte der 47-Jährige und verschwand. Diese bittere Niederlage hatte ihm deutliche Spuren ins Gesicht geschrieben.