Barcelona. Nach der Pokalniederlage deutet sich das Ende der Generation Messi an. Der Star ist unantastbar, aber andere stehen vor dem Aus.
Der erste Krisenrat tagte schon im Mannschaftsbus auf der Rückfahrt vom Stadion zum Flughafen von Sevilla. Der FC Barcelona hatte das spanische Pokalfinale gegen Valencia verloren, und in der hintersten Reihe versammelten sich Kapitän Lionel Messi, sein Busenkumpel Luis Suárez und Abwehrchef Gerard Piqué zur Lagebesprechung. Durchaus hitzig sei es zur Sache gegangen, berichtete die Presse, und so lange, dass die übrigen Spieler nach der Ankunft am Flughafen zehn Minuten warten mussten, bis die Senatoren ihre Konsultationen beendet hatten.
Schlüsselspieler sind über 30
Weitere Sitzungen werden folgen, vor allem in den Vorstandsbüros. Barcelona steht vor einem so tiefen Umbruch, wie ihn sich noch vor drei Wochen niemand vorstellen konnte. Da war die Meisterschaft vorzeitig gewonnen und das Wort Triple geisterte immer selbstverständlicher durch die Stadt. Doch es folgte das denkwürdige 0:4 im Champions-League-Halbfinalrückspiel von Liverpool. „Ein unglaublicher harter Schlag“, erklärte Messi am Abend vor dem Pokalfinale, und wo auch ein Sieg gegen Valencia diese Wunde nicht hätte heilen können, riss sie die Niederlage umso weiter auf.
Im debattierfreudigen Barça-Kosmos ist man sich zumindest insofern einig: Dieses 1:2 bedeutet das Ende eines Zyklus. Jenes der Generation Messi.
Der Wunderfußballer selbst steht nicht in Frage; ein Privileg, das ansonsten nur noch Torwart Marc-André ter Stegen und allenfalls Piqué teilen. Wohl diskutiert wird aber ein System, in dem sich ein ganzer Verein hinter Messi versteckte und es sich dabei sehr bequem machte. Die Zeitung „La Vanguardia“ schreibt von hausgemachten Problemen, und zählt auf: „Mentale Blockade, fußballerische Defizite, zaudernde Planung, taktischer Konservativismus und eine zu lange Leine von Seiten der Klubführung.“ Dazu gehörte etwa, den südspanischen Finalort mit Temperaturen von über 30 Grad aus dem verregneten Barcelona (15 Grad) erst am Spieltag anzureisen – stellvertretend für das auch in Liverpool so markante Fehlen von Anspannung und Leidenschaft. „Barça langweilt, es ist sich selbst überdrüssig“, resümiert „El País“.
In den Büros regiert Klubpräsident Josep Maria Bartomeu, ein Technokrat mit instinktiver Aversion gegen drastische Entscheidungen. Nun wird er kaum daran vorbeikommen. „Einige werden gehen müssen“, kündigte der Boss an.
Auch über Rakitic wird geredet
Alle Schlüsselspieler außer Ter Stegen sind über 30 Jahre alt. Wer neben dem bereits verpflichteten Frenkie de Jong, 21, von Ajax Amsterdam den Wandel personifizieren soll, ob die finanziellen Forderungen von Innenverteidiger Matthijs de Ligt, 19, jetzt erfüllt und die Vorbehalte gegen einen Transfer von Antoine Griezmann übergangen werden – das sind einige der Fragen. Nach Sevilla rücken zudem die Abgänge ins Blickfeld. Auf den auslaufenden Leihvertrag von Kevin-Prince Boateng werden sie sich kaum beschränken. Zu den Kandidaten zählen der enttäuschende Rekordeinkauf Philippe Coutinho und der als amortisiert geltende Ex-Schalker Ivan Rakitic. Auch Klubidole wie Sergi Busquets und Jordi Alba sind trotz des 26. Ligatitels nicht mehr unantastbar.
Doch zunächst geht es um die Leitungsebene. Um den seit langem umstrittenen Sportdirektor Pep Segura und um Ernesto Valverde. Der Trainer hat mit zwei Meisterschaften zwar auf nationaler Ebene starke Resultate geliefert, aber nichts darüber hinaus: er scheut Innovationen, hält die Jugend klein und lässt immer denselben Verwaltungsfußball spielen. Wo ihm Bartomeu wie Mannschaft zuletzt stets das Vertrauen aussprachen, berichtete die Zeitung „As“ nun von einer apathischen Verabschiedung nach der Rückkehr aus Sevilla, die auf viele Profis wie ein endgültiges Adiós gewirkt habe. Sie hätten nicht einmal gesagt bekommen, wann sie nach den Ferien zum Training kommen sollen.