Bochum. Alle reden über das Wolfsburger Sturm-Duo Dzeko und Grafite. Aber ohne Zvjezdan Misimovic wäre es nur die Hälfte wert.
Dzeko steht da auf der Anzeigetafel. Darunter fein säuberlich Grafite, dann wieder Dzeko. Misimovic? Fehlanzeige, meistens jedenfalls. Sechsmal, immerhin, hat er ja selbst getroffen bislang, der Denker und Lenker im Spiel des mutmaßlichen neuen Deutschen Meisters. Aber die Zeitungen sind voll von diesen beiden Tor-Maschinen aus Wolfsburg, ihnen gelten die hymnischen Gesänge. Ohne Zvjezdan Misimovic wären sie zwar nicht nichts, aber sie wären sehr viel weniger.
26 ist dieser Misimovic und Münchener. Eine pikante Fußnote. Der einst in der Nacht vom Hof gejagte Felix Magath und ein zurückgewiesenes Talent entreißen den Bayern den Titel. An Misimovic' Begabung, dafür dürfte Hermann Gerland gesorgt haben, herrschte jedoch kein Zweifel, damals, als Ballack noch das Bayern-Trikot trug und Scholl und Ze Roberto und der aufstrebende Schweinsteiger. Es gab schlicht keinen Platz für einen, der mit seinen Pfunden ebenso wucherte wie er damit kämpfte.
„Geh' laufen, du faule S . .”, soll „Ruhri” Gerland dem jungen Misimovic zu verstehen gegeben haben. Eben jener Gerland, der auch anders kann: „Misimovic sprüht vor Ideen und hat eine unglaubliche Ballbehandlung.”
In Bochum spaltete er die Fangemeinde
Die wussten jedoch nicht alle zu schätzen. Des Spielmachers Lehrlingszeit in Bochum spaltete die Fangemeinde. Zwetschge, wie er gerufen wird, oder Pflaume? Diese Frage wurde heiß diskutiert in einem Umfeld, das nichts mehr liebt als heraushängende Zungen, verschrammte Beine und durchgeschwitzte Trikots. Gut dass Trainer gelegentlich einen etwas anderen Blick auf den Fußball haben. Denn bereits nach dem ersten Jahr in Bochum, der VfL war abgestiegen, wollte Misimovic weg. Ein Testspiel-Auftritt genügte Marcel Koller, um zu der Erkenntnis zu gelangen: „Den kannst du nicht gehen lassen.”
Koller hielt seine Hand über Misimovic, er ahnte, was er an ihm haben würde. Und wenn der Schweizer an den 28. Spieltag der Zweitliga-Saison 2005/06 zurückdenkt, dann geht ihm heute noch „das Herz auf”. Wie Misimovic die Abwehr des SC Paderborn stramm stehen ließ, das war hohe Fußballkunst.
Heute ist Misimovic der Tempomacher der Bundesliga. Welch' Ironie. Selbst eher das Gegenteil des Sprinters, vermag er den Ball aus der Tiefe des Raumes auf kürzestem Wege dorthin zu befördern, wo seine willigen Gehilfen lauern. Das Spielfeld scheint zu schrumpfen, wenn der bayerische Bosnier die hoffnungslos verlorene Abwehr des Gegners mit seinen Pässen zerschneidet. Beobachter sprechen dann schon einmal bewundernd von Sezieren. Dem Fußball-Pathologen bleibt keine Schwäche im Organismus des Opfers verborgen.
Dass Felix Magath zurzeit ein kleines Problem mit Misimovic hat, hängt übrigens nicht mit dem berüchtigten „Hügel” zusammen, auf den in Wolfsburg jeder Spieler muss, dessen Gewicht nicht den Vorstellungen des gestrengen Übungsleiters entspricht. Es liegt vielmehr an Magaths Sohn Leonard. Des Trainers Spross macht nämlich aus seiner Bewunderung für den Spielmacher keinen Hehl. Nun verlegt aber der Herr Papa seinen Wirkungskreis demnächst nach Gelsenkirchen. Und Misimovic ist, weil vertraglich bis 2012 an Wolfsburg gebunden, nicht ganz billig.
Aber vielleicht findet sich ja ein Weg, um Leonards Seelenfrieden zu retten. Man muss nur Zvjezdan Misimovic genau zuhören. Nach der Niederlage in Stuttgart sagte er: „Wir haben in den nächsten zwei Wochen noch viel vor. Und was danach passiert, wird man sehen.” Dürfen Leonard Magath und der FC Schalke 04 etwa hoffen – auf gleich zwei neue Mitarbeiter, die wissen wie das geht: Meister zu werden?