Essen. Armenischer Fußball-Profi Henrikh Mkhitaryan hat Angst um seine Sicherheit in Aserbaidschan und reist nicht mit der Mannschaft nach Baku.
An dem Ort, an dem Europas fußballerischer Glanz alles erleuchten soll, liegt vieles im Dunkeln. Schon quälend lange stellt sich die Frage, ob die aserbaidschanische Hauptstadt Baku als Austragungsort für das Finale der Europa League taugt.
Die Frage erhielt neue Brisanz, weil der armenische Nationalspieler Henrikh Mkhitaryan entschied, dem Endspiel fernzubleiben. Vertreter des englischen Europa-League-Finalisten FC Arsenal, bei dem Mkhitaryan (30) spielt, haben bereits ein Gespräch mit Funktionären des europäischen Fußball-Verbands (Uefa) angekündigt. Das soll nach dem Endspiel gegen den Londoner Stadtrivalen FC Chelsea am 29. Mai stattfinden.
Arsenal will mit der Uefa sprechen
„Wir werden zum Ausdruck bringen, dass eine solche Situation nicht akzeptabel ist und damit versuchen, so etwas künftig zu verhindern“, sagt Vinai Venkatesham, der Geschäftsführer beim FC Arsenal. Der 39-Jährige trägt die Entscheidung des ehemaligen Profis von Borussia Dortmund mit. Der Mittelfeldspieler will aus Sorge um seine Sicherheit nicht mit der Mannschaft zum Finale nach Baku reisen. Das Problem ist nicht neu: In der Saison 2015/2016 verzichtete Mkhitaryan bereits auf den Trip zum Europa-League-Spiel des BVB bei Aserbaidschans Topklub FK Qäbälä. Außerdem versäumte er im Jahr 2018 die Auswärtspartie bei Qarabag Agdam. Damals stand er schon beim FC Arsenal unter Vertrag.
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Konflikt um Bergkarabach
Stets spielten politische Gründe eine Rolle: Mkhitaryans Heimatland liegt mit dem Gastgeber Aserbaidschan seit 1918 um die überwiegend von Armeniern bewohnte Region Bergkarabach im Konflikt. Noch 2017 gab es dort bewaffnete Auseinandersetzungen. Derzeit ruhen die Kampfhandlungen, aber der Konflikt ist noch lange nicht gelöst. Armenier sind in Aserbaidschan (und umgekehrt) nicht wohl gelitten.
Doch ist Mkhitaryans Entscheidung mit Blick auf die Sicherheitslage tatsächlich notwendig? Christof Wieschemann, Bochumer Anwalt und Experte für Sportrecht, äußert im Gespräch mit dieser Redaktion vorsichtige Bedenken. Er könne sich nicht vorstellen, dass einzelne Spieler gefährdet seien. Nicht bei so einem wichtigen Ereignis wie einem internationalen Endspiel.
Wieschemann hält auch ein politisches Signal des Spielers für denkbar: „In Armenien ist es Usus, den Sport dafür zu nutzen, eine politische Meinung zu transportieren. In diesem Fall hätte ich Bedenken, dass das Verhalten richtig ist, menschlich könnte ich es aber nachvollziehen.“ Der Jurist vermutet eine „latente Erwartungshaltung“ bei der Bevölkerung Armeniens an Mkhitaryan.
Kritik von Menschenrechtlern
Klar ist jedoch: Aserbaidschan ist in der internationalen Gemeinschaft umstritten. „Aserbaidschans Regierung geht seit Jahren mit großer Härte gegen Journalistinnen und Journalisten vor und schreckt vor kaum etwas zurück, um Kritiker zum Schweigen zu bringen“, sagt etwa Christian Mihr, Geschäftsführer der Organisation Reporter ohne Grenzen, dieser Redaktion. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagt den Umgang mit Lesben und Schwulen, unfaire Gerichtsverfahren sowie zwei unaufgeklärte mysteriöse Todesfälle in aserbaidschanischen Gefängnissen.
Eurovision Song Contest fand statt
Die Regierung Aserbaidschans teilt die Sicherheitsbedenken des Spielers und des Klubs wenig überraschend nicht. Eine Sprecherin des Außenministeriums sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Trotz des schwierigen Verhältnisses zwischen Aserbaidschan und Armenien kann Mkhitaryan das Europa-League-Finale in Baku spielen.“
Die Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen nach Aserbaidschan hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Kritik geführt, da das Land von Präsident Ilham Alijew autoritär regiert wird. Dennoch fanden etwa der Eurovision Song Contest (2012) und 2015 die European Games am Kaspischen Meer statt.
Im kommenden Jahr werden in Aserbaidschan drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale der paneuropäischen Fußball-EM ausgetragen. Auch die Formel 1 macht in Baku Station.