Liverpool. Jürgen Klopp hat 2015 erklärt, er werde sich beim FC Liverpool an Titeln messen lassen. Trotzdem ist sein Trophäenschrank auch 2019 noch leer.
"Silverware" ist ein magisches Wort des englischen Fußballs. Trophäen. Titel. Pokale. Jürgen Klopp hat dem FC Liverpool zum Amtsantritt 2015 versprochen, er werde sich am Nachschub für den prunkvollen Trophäensaal der Anfield Road messen lassen. Liefere er nicht ab, "dann werde ich wohl nicht mehr hier sein". Und er betonte: "Es ist nicht wichtig, was die Leute denken, wenn du kommst. Es ist wichtig, was sie denken, wenn du gehst."
Vier Jahre später hat er Liverpool neu aufgestellt, es wird dort ganz hervorragender Fußball gespielt. Der Verein stand im Finale der Europa League und in jenem der Champions League. Nur der "Silberschmuck" - der ist bislang nicht hinzugekommen. Keine Meisterschaft, kein Pokal, kein Ligapokal, kein Europacup. Das große Spiel bei Bayern München am Mittwochabend (21.00 Uhr/Sky) um den Viertelfinal-Einzug wird auch für Jürgen Klopp wegweisend.
Dietmar Hamann: "Stimmung kann sich drehen"
"Sollten sie ausscheiden und auch diesmal nicht Meister werden, kann sich die Stimmung drehen", sagt Dietmar Hamann, der den FC Liverpool aus Spielerzeiten ganz genau kennt. "Das Ding ist auf der Kippe. Das Ganze geht so lange gut, wie die sehnsüchtigen Fans den Glauben haben: Es geht noch was! Wenn nicht, wird es irgendwann heißen: Ist der Trainer wirklich so gut, wie wir ihn gesehen haben?!"
Klopp verkauft Emotionen und Hoffnung. Die Yellow Press schrieb ihn schon zum sechsten Beatle hoch (der fünfte war George Best). Auch dadurch, sagte Hamann der SZ, werde der Trainer nicht an Gerard Houllier oder Rafa Benitez gemessen, die Europapokale in die Reds-Vitrine stellten. Hamann gewann die Champions League 2005 mit Benitez im legendären Finale gegen den AC Mailand nach 0:3-Rückstand. Nein: "Sie vergleichen ihn mit Bill Shankly und Bob Paisley."
Seit 29 Jahren wartet Liverpool auf den Meistertitel
Also mit jenen Manager-Legenden, die den Verein erst erweckten (Shankly, 1959-74) oder eine Ära der Dominanz prägten (Paisley, 1974-83). Beide stehen in Bronze gegossen an der Merseyside. Hamann meint: "Klopp wird von den Fans mit diesen beiden auf eine Stufe gestellt, obwohl er jetzt vier Jahre da ist - und noch nichts gewonnen hat. Das ist eine Gefahr. In 20 Jahren werden die Leute fragen: Welche Trophäen hat dieser Trainer gewonnen?"
Dabei ist den Fans die Königsklasse womöglich sogar weniger wichtig als die Erlösung vom Meisterfluch. Seit 1990 wartet Liverpool darauf, die Rivalen aus London und dem leidenschaftlich verhassten Manchester in der Liga von ganz oben zu verspotten. Noch im Dezember sah es aus, als werde Klopp der "Erlöser" sein: Doch aus sieben Punkten Vorsprung auf Pep Guardiolas Manchester City ist ein Ein-Punkte-Rückstand geworden.
Klopp wird verehrt wie kaum jemand zuvor
Aber niemand muss befürchten, dass sich die Arbeiterstadt nun von Klopp abwendet. Er wird verehrt wie lange niemand vor ihm, an der Ecke Jordan Street/Jamaica Street ist er riesengroß auf einer roten Backsteinmauer verewigt. Klopp hält sich die Hand aufs Herz und schaut lächelnd in die Ferne, darunter steht: "We are Liverpool. This means more."
Mehr als Spieler, Trainer, Titel, Pokale. Ein Gefühl. Historie. Die Hillsborough-Katastrophe und ihre Folgen. You'll never walk alone. Klopp bedient dieses Gefühl bisher großartig. Dennoch ist er dem Erfolg verpflichtet.
Wie hat er selbst gesagt? "Es ist wichtig, was sie denken, wenn du gehst." (sid)