München. Weltmeister Sepp Maier wird am Donnerstag 75 Jahre alt. Groß feiern wird die Torwartlegende nicht - die ihre Karriere einigen Zufällen verdankt.
Groß feiern, sagt Sepp Maier, werde er an diesem Donnerstag nicht, jedenfalls nicht seinen 75. Geburtstag. Eher schon das Leben an sich, das ihm auch nach einem Dreivierteljahrhundert viel Freude bereitet – und in dem er noch viel vorhat. Reisen vor allem, die er einst zwar auch als Torwart des FC Bayern und der Nationalmannschaft sowie später in beiden Teams als Torwarttrainer zu genüge erlebt hat, aber dabei meist nicht viel mehr sah als Trainingsplätze, Stadien und Hotelzimmer.
Längst geht es für ihn vor allem darum, zu genießen, fernab des Fußballs, den er meist nur noch im Fernsehen verfolgt. Mit seiner zweiten Ehefrau Monika Roth war er vor drei Jahren in der Arktis und kürzlich in der Antarktis. Australien und Neuseeland sollen bald folgen. Doch die Zeit rund um seinem Geburtstag verbringt Maier mit seiner Frau in seiner Ferienwohnung in Südtirol. Ganz in Ruhe, ohne große Party, nur „essen gehen, fertig“, wie er sagt. Dort kann er sein, was „die Katze von Anzing“, wie Maier wegen seiner geschmeidigen Paraden als Profi genannt wurde, seit seinem Abschied als Torwarttrainer des FC Bayern 2008 am liebsten ist: der Genießer von Meran.
Zufrieden und mit sich im Reinen
Dass Josef Dieter Maier gerade in vielen Interviews so zufrieden und mit sich im Reinen auf seine bisherigen 75 Lebensjahre und seine imposante Torwartkarriere zurückblicken kann, hat viel mit ein paar Zufällen und einer Entscheidung zu tun, die er nur widerwillig über sich ergehen ließ. Als Jugendlicher spielte Maier beim Münchner Vorortklub TSV Haar als Stürmer und war dort Torschützenkönig. Doch als Haars Torhüter wegen eines Handbruchs in einem Pokalspiel gegen den FC Bayern nicht mitwirken konnte, wurde Maier von seinem damaligen Trainer das Tor anvertraut. Auch, weil Maier nach dem Training „oft aus Gaudi“ ein paar Bälle hielt. Das Pokalspiel gegen die Bayern verlor Maier bei seiner Torwartpremiere zweistellig. „Ich habe gedacht: Das war‘s mit dem Ausflug ins Tor. Doch Pustekuchen! Die Bayern haben mich zum Training eingeladen.“
Maier aber wollte nicht und blieb Stürmer in Haar, „da war ich doch der König“. Jedenfalls bis zu einer Einladung zu einem Spiel der Oberbayern-Auswahl gegen Salzburg. „Der Betreuer kam von Bayern – und hat mich ins Tor gestellt. Wir haben 3:1 gewonnen, ich habe zwei Elfmeter gehalten, das habe ich meine ganze Karriere nicht mehr geschafft“, erzählt Maier im Vereinsmagazin der Münchner, „auf der Rückreise im Bus haben mich dann die Bayern-Spieler bearbeitet. Ein paar Tage später bin ich zum Training bei Bayern gefahren.“
Es gab auch ein Angebot aus Schalke
Es war der Beginn einer bis heute beispiellosen Torwartkarriere über 17 Profijahre beim FC Bayern, den er trotz Angeboten von Schalke, Atlético Madrid, den Boca Juniors und vom FC Arsenal nie verließ. Er wurde als Nationalspieler Weltmeister 1974 und Europameister 1972, je vier Mal deutscher Meister und Pokalsieger, gewann zwischen 1974 und 1976 drei Mal hintereinander den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der Champions League, zudem den Europapokal der Pokalsieger 1967 und den Weltpokal 1976. Mit seinen 95 Einsätzen ist Maier noch immer Rekordtorwart der deutschen Nationalmannschaft sowie mit 699 Einsätzen Rekordspieler des FC Bayern, davon 442 in der Bundesliga ohne Unterbrechung, worauf er „besonders stolz“ ist. „Das macht mir keiner nach. Das ist mehr wert als jede Meisterschaft“, findet Maier im Kicker. Ebenso wie, „dass ich drei Mal zum Fußballer des Jahres gewählt wurde, trotz Franz Beckenbauer, trotz Gerd Müller, trotz Wolfgang Overath, trotz Günter Netzer. Und das als Torwart!“
Ein schwerer Autounfall 1979 beendete Maiers Karriere abrupt, mit 35 Jahren. Uli Hoeneß, der heutige Präsident des FC Bayern, habe ihm damals das Leben gerettet, weil er auf eine Behandlung bei Spezialisten bestand. Drei Liter Blut waren schon in die Bauchhöhle gelaufen. Ohne Operation hätte er den nächsten Tag wohl nicht mehr erlebt, sagt Maier.
Karl Valentin der Fußballer
Besonderer Beliebtheit erfreute er sich auch wegen seines Faibles für massentaugliche Scherze, nicht immer jene der ganz feinsinnigen Art, aber doch gewissermaßen als Karl Valentin der Fußballer. Sein Talent zu lustigen Einlagen bewies er unter anderem 1976 im Spiel gegen Bochum, als er im Münchner Olympiastadion nach einer Ente auf dem Platz hechtete. „Ein normaler Mensch wird kein guter Torwart, das ist klar“, sagt Maier. Er kann aber auch ernst. „Einfach nur link“ habe sich der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann ihm gegenüber verhalten, als Maier als Torwarttrainer bei der Nationalelf 2004 aufhören musste und dies von einem ZDF-Reporter erfuhr.
Und auch für die legendäre Grundgesetz-Medienschelte der Bayern vom Herbst 2018 kann er kein Verständnis aufbringen. Überhaupt hält er vieles im heutigen Kickergewerbe für überhöht, weshalb er lieber das Leben fernab des Fußballs genießt, beim Golfen, vor allem mit seinem ehemaligen Mitspieler und Freund Franz „Bulle“ Roth, oder beim Wandern, ebenfalls ganz in Ruhe. Wie auch jetzt seinen Ehrentag. Eine richtige Party hat er sich aber schon noch zum Ziel gesetzt. „Meinen 100. Geburtstag werde ich dann groß feiern, versprochen“, sagt Maier, der ewige Gaudibursche.