Düsseldorf. Sind die Nachwuchskeeper noch so gut wie früher? Bei vielen Spitzenclubs der Bundesliga spielen heute Torhüter aus dem Ausland auf der wichtigen Position. Der DFB will das ändern.
Es gab Zeiten, da war zumindest eines sicher: Egal ob Deutschland fußballerisch mal den Anschluss an die weltbesten Teams verloren hat oder nicht, im Tor standen immer Weltklasse-Torhüter.
Toni Turek, Sepp Maier, Toni Schumacher, Oliver Kahn bis hin zur heutigen Nummer eins Manuel Neuer, der bei Joachim Löw noch den Vorzug vor Marc-André ter Stegen erhält. Der sechs Jahre jüngere Barcelona-Keeper (26) dürfte Neuer früher oder später ablösen, aber wer kommt danach? Ein Blick auf die Lage bei den Bundesliga-Teams offenbart ein tristes Bild. Kaum junge Torhüter sammeln derzeit Spielpraxis auf Topniveau.
Das Durchschnittsalter der aktuellen Stammkeeper in Liga eins liegt bei rund 28 Jahren. Und derzeit bekommen zahlreiche ausländische Torhüter den Job. Gerade auch bei zahlungskräftigen Clubs. Roman Bürki (Schweiz) hütet das Tor von Spitzenreiter Dortmund, sein Landsmann Yann Sommer jenes von Mönchengladbach. In Leipzig ist der Ungar Peter Gulacsi die erste Wahl. Von den derzeit zehn ersten Teams der Tabelle setzen drei auf einen deutschen Stammtorwart, von den acht schlechtesten aber sieben.
Der DFB will deshalb reagieren. "Wir müssen es schaffen, unseren Nachwuchs so gut zu machen, dass kein Weg an ihm vorbeiführt", sagt Marc Ziegler, DFB-Torwart-Koordinator, der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist eine Verbundaufgabe, sie betrifft Clubs, Verband, Ausbildung und natürlich die Jungs selbst." Das Potenzial der Generation nach ter Stegen, der bei der WM 2022 in Katar 30 Jahre alt sein wird, bewertet Ziegler, früher unter anderem BVB-Profi, als "gut, aber noch nicht weltklasse". Vor einigen Jahren drängten noch zahlreiche Talente in Liga eins.
Die größten Hoffnungsträger der unter 23 Jahre alten Keeper sind derzeit die Junioren-Nationaltorhüter Alexander Nübel (22) vom kriselnden FC Schalke 04 und der Mainz-Profi Florian Müller (21). Nübel sorgte für Schlagzeilen, weil er den etablierten Ralf Fährmann Anfang 2019 verdrängte. Viele erinnerte das an Neuer, der einst auf Schalke als junger Spieler den Routinier Frank Rost auf die Bank verwies. Zudem ist Nübel, Spitzname "Mini-Manu", mit 1,93 Meter genauso groß wie der Weltmeister von 2014 und gilt ebenfalls als ein feiner Fußballer, der das Spiel mitgestalten kann.
Mainz-Keeper Müller kam sogar schon in der Vorsaison zum Einsatz, als er auch von der Verletzungsanfälligkeit von Ex-Nationaltorwart René Adler (34) profitierte. Weitere aktuelle Junioren-Nationaltorhüter heißen etwa: Jan-Christoph Bartels (20, 1. FC Köln) und Markus Schubert (20, Dynamo Dresden).
Der frühere Nationaltorwart Oliver Kahn macht sich keine akuten Sorgen. "Ich bin mir sicher, dass unter den vielen sehr guten Talenten in Deutschland demnächst auch wieder ein Rohdiamant entdeckt wird", sagt 49-Jährige auf dpa-Anfrage.
Doch Kahn fordert Verbesserungen bei der Keeper-Förderung. Torhüter müssten heute deutlich mehr können als nur Bälle zu halten. "Der außergewöhnliche Torspieler von heute ist dagegen quasi schon ein echter elfter Feldspieler oder auch Spieler-1-Plus", sagt der Experte. Trainer müssten entsprechend ausgebildet werden, so Kahn.
Der DFB versichert, auf diesem Weg zu sein. "Wir sind mitten im Prozess und haben bereits mehrere Lösungen erfolgreich umgesetzt", sagt Koordinator Ziegler. Unter anderem sei die Nachfrage groß nach einer Torwarttrainer-A-Lizenz, die es seit rund einem Jahr in Kooperation mit der Europäischen Fußball-Union UEFA gebe. Auch sei der Austausch mit den Torwart-Trainern in den Vereinen und den Nachwuchsleistungszentren forciert worden.
Mit Blick auf die aktuelle U23-Generation betont Ziegler: "Nun geht es darum, die letzten Prozentpunkte draufzupacken, damit sie sich im Spitzenbereich durchsetzen. Dabei hilft natürlich Spielpraxis auf höchstmöglichem Niveau." Zudem verspricht der 42-Jährige: "Wir basteln am nächsten Manuel Neuer oder Marc-André ter Stegen."