Frankfurt. Im Amateurfußball drückt der Schuh gewaltig: DFB-Vizepräsident Rainer Koch erhofft sich von einem Kongress in Kassel Aufbruchstimmung.

Fernab des Glitzerbetriebs in Bundesliga, Champions League und Nationalmannschaft berühren den Fußball vielfältige Probleme. Der Deutsche Fußball-Bund bekommt das mehr als jede andere Institution zu spüren, weil sich unter seinem Dach mit mehr als sieben Millionen Mitgliedern alle Richtungen bündeln. Der dritte Amateurfußball-Kongress von Freitag bis Sonntag in Kassel soll nun die Probleme benennen.

180 Vereine haben eine Stimme

286 Teilnehmer sind aufgefordert, zu fünf Kernthemen – Vereinsfußball 2024, Rahmenbedingungen, Verbandsentwicklung, Qualifizierungsangebote und Digitalisierung – Erfahrungen und Empfehlungen vorzutragen, zu erörtern und zu sammeln. Und dann werden hoffentlich Lösungen beschlossen. Jeder Komplex wird in Workshops in unterschiedlicher Zusammensetzung diskutiert. Zusätzlich sind noch Satellitenkongresse aus sieben Landesverbänden mit weiteren 163 Vertretern zugeschaltet, so dass insgesamt 180 Amateurvereine eine Stimme haben.

Der Schuh drückt so gewaltig, dass DFB-Präsident Reinhard Grindel forderte: „Wir brauchen eine bessere Infrastruktur.“ Im Zuge der Ausrichtung der EM 2024 will er Städte und Kommunen daran erinnern, mehr für den Sportstättenbau zu tun. An der Basis zeichnen sich mannigfaltige Probleme ab: fehlende finanzielle Mittel und Entlastung, schlechter Zustand der Plätze, Mangel an Ehrenamtlichen und Trainern, Zahlungen an Spieler schon in den unteren Spielklassen und ein Rückgang an Mannschaften und aktiven Fußballer und Fußballerinnen. Diesen alarmierenden Fakt sieht der für die Amateure zuständige DFB-Vizepräsident Rainer Koch sogar als größte Herausforderung an. Ansonsten hofft er, dass der Kongress nicht nur „eine Bestandsaufnahme zur Lage des Amateurfußballs im Jahr 2019 liefert, sondern vor allem auch eine Aufbruchstimmung verbreitet“. Koch mahnt: „Das veränderte Freizeitverhalten erfordert, unsere Sportart, die in den Zeiten von Turnvater Jahn entstand, neu aufzustellen.“

Denn es stellt sich ja auch die Frage: War das WM-Desaster der A-Nationalmannschaft vielleicht nur Vorbote einer Grundsatzproblematik? Weil Profis und Amateure wieder enger verzahnt werden müssen, sprechen Bundestrainer Joachim Löw und Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg am Sonntag bei einer Talkrunde. Aber wird mit diesem Bühnen-Bonbon für die Delegierten die gravierende Kluft zwischen denen wenigen da oben und jenen vielen da unten wirklich geschlossen?

Gift für die Glaubwürdigkeit

Die Veröffentlichungen des „Spiegel“ unter anderem über großzügige Spesenabrechnungen der leitenden DFB-Angestellten haben den Eindruck wieder verstärkt: Die einen lassen sich auf Verbandskosten Wodka Belvedere schmecken, die anderen müssen mit der vom Mitspieler spendierten Kiste Bier auskommen. Gift für die Glaubwürdigkeit, wenn DFB-Kampagnen bezeugen wollen: „Unsere Amateure. Echte Profis.“

Die letzte Zusammenkunft der Amateure auf dieser Ebene liegt sieben Jahre zurück. Damals wurde ebenfalls in Kassel der sogenannte Masterplan beschlossen, der auf den Säulen Entwicklung des Spielbetriebs, Kommunikation und Vereinsservice beruht. Die neuen Medien spielen seitdem tatsächlich eine größere Rolle, aber entbürokratisiert ist der Verband mitnichten. Ein Beispiel: Flüchtlinge können zwar ohne Pass nach Deutschland kommen, aber wenn sie Fußball spielen wollen, dauert es bisweilen Monate mit dem Spielerpass, weil zum Beispiel erst noch in Syrien nachgefragt wird, ob dort noch einer liegt.