Essen. Noch nie hat eine deutsche Mannschaft im Stadion des FC Liverpool gewonnen. Heute wagt der FC Bayern in der Champions League den nächsten Anlauf.

Klaus Augenthaler kann sich noch gut daran erinnern, wie es war. Damals. Im April 1981. Als im Spielertunnel die Anspannung in seinen Körper kroch, weil er darauf wartete, endlich den Rasen der Anfield Road zu betreten. Um sich dort mit dem FC Bayern im Hinspiel des Champions-League-Halbfinales zu behaupten. Von draußen drang der Lärm der Fans in die Katakomben. „Drinnen haben die Spieler des FC Liverpool ihre Zähne rausgetan, sich angefeuert“, erzählt Augenthaler. „Da wussten wir, was uns erwartet. Wir dachten, die machen uns nieder.“

Klaus Augenthaler.
Klaus Augenthaler.

Denn wohl kaum ein Fußballstadion kann so eine Energie entfachen wie die Anfield Road des FC Liverpool. Weil dort die Fans fast auf dem Spielfeld hocken. Die Reds nach vorne peitschen. Dem Gegner Angst einflößen. Zu bestaunen ist dies auf dem berühmten Bild von Walter Junghans, der 1981 im Halbfinale das Tor des FC Bayern hütet. Dabei so alleine und zerbrechlich wirkt, wenn er mit aufgerissenen Augen zwischen den Pfosten vor der legendären Stehplatztribüne „The Kop“ steht, während im Hintergrund ein Gesichter-Meer wacht. Tausende Augen auf ihm ruhen, ihn beobachten.

Junghans hielt die Null

Immerhin hielt Junghans damals die Null, die Partie endete torlos. Gewinnen konnten die Bayern natürlich nicht. Da auch sie ein Gesetz nicht brechen konnten, das in den deutsch-englischen Fußball-Beziehungen in Stein gemeißelt scheint. Aus Liberos wurden Sechser. Aus Stürmern falsche Neuner. Fußballschuhe verschrecken mittlerweile in Pink. Eine Sache bleibt: Noch nie konnte eine deutsche Mannschaft an der Anfield Road gewinnen. 19 Mal reisten die Klubs an, 18 Spiele wurden angepfiffen. 15 Partien gewann Liverpool, drei endeten Unentschieden.

Heute startet der FC Bayern nun im Achtelfinale der Champions League (21 Uhr/DAZN) den nächsten Versuch. Es ist kurioserweise das erste Gastspiel in Liverpools Stadion seit dem besagten Halbfinale, in dem die Bayern nach einem 1:1 im Rückspiel ausschieden (Liverpool triumphierte anschließend im Finale mit 1:0 über Real Madrid). 38 Jahre lang liefen sich die beiden Größen des Fußballs im Europapokal nicht über den Weg. Jetzt also das Wiedersehen. Vorhang auf, Anfield Road.

„Das Stadion ist etwas spezielles“, sagt Augenthaler. „Es ist laut, eng. Das war auf dem Platz schon beeindruckend.“ Der 61-Jährige macht dem FC Bayern aber auch Hoffnung. „Jede Serie reißt irgendwann“, erklärt er.

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Immerhin werkelte Augenthaler mit, als die Torlos-Serie der Bundesligisten in Liverpool riss. 2005 verlor Bayer Leverkusen zwar, erzielte bei der 1:3-Niederlage durch den Brasilianer Franca aber ein Tor. Augenthaler verfolgte dies als Trainer von der Seitenlinie aus.

Schnee verhinderte den Anpfiff

40 Jahre hatte es gedauert, bis zu diesem ersten Jubelschrei eines Bundesligisten in Anfield. Am 3. März 1965 machte sich mit dem 1. FC Köln zum ersten Mal eine deutsche Mannschaft auf die Reise in die Geburtsstadt der Beatles. Doch schon dieser Auftritt im Nordwesten Englands deutete an, dass die Gastspiele etwas komplizierter werden würden. Weil die Partie aufgrund heftigen Schneefalls nicht angepfiffen werden konnte.

Es ging unglücklich weiter. 1860 München musste 1967 eine 0:8-Pleite schlucken. Der Hamburger SV blamierte sich 1977 im Supercup-Finale und ging 0:6 unter. Das erste Tor für eine deutsche Mannschaft erzielte Wolf-Rüdiger Netz bei der 1:3-Niederlage des DDR-Klubs BFC Dynamo im Jahr 1972. Die Bundesliga musste sich bis 2005 gedulden.

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Die Anfield Road wurde mit den Jahren modernisiert. Die Stehplatztribüne „The Kop“ für 30.000 Fans musste 1994 für eine Sitzplatztribüne mit 12.390 Plätzen weichen. Seit der Saison 2016/17 passen durch einen Ausbau fast 60.000 Anhänger ins Stadion.

Kurz davor, im April 2016, war Borussia Dortmund nah dran, Liverpool zu besiegen. 3:1 führte der BVB schon im Viertelfinale der Europa League, arbeitete daran, den neuen Verein von Ex-Trainer Jürgen Klopp rauszuwerfen. Doch der LFC drehte die Partie, jubelte über einen 4:3-Erfolg.

Die BVB-Legende Dédé (40) war da nicht mehr dabei. Doch auch er verlor schon mit Dortmund in Anfield (0:2). 2001 war das, in der Champions League. Natürlich beeindruckte auch Dédé die Stimmung, die Enge. Doch erwähnen will er vor allem das Geschehen nach Schlusspfiff. „Da haben uns die gegnerischen Fans applaudiert. Das habe ich noch nie erlebt“, sagt er. „Das war fair.“

Auch das ist Anfield.