Barcelona. Kevin-Prince Boateng sprach bei seiner Vorstellung in Barcelona von Titeln. Barca ist für Boateng die zehnte Station eines illustren Lebens.

Verschränkte Arme und böser Blick oder netter Kumpel beim Trainingsspiel mit kleinen Kindern: im Camp Nou lieferte Kevin-Prince Boateng Posen, die sich die Fotografen so wünschen konnten. An einem kühlen Wintermittag nahm sein vielschichtiges Leben eine neue Wendung. Der FC Barcelona präsentierte den 31-Jährigen als neuen Spieler.

„Ich wollte sofort loslaufen, gar nicht erst auf das Flugzeug warten“, so beschrieb er seine Glücksgefühle, als er vom Angebot aus Katalonien erfuhr. Zuletzt schien es so, als würde er seine Karriere ausklingen lassen beim norditalienischen Provinzklub US Sassuolo, nahe der Familie in Mailand. Ab sofort spielt er nun um die spanische Meisterschaft, den Königspokal, (heute möglicherweise schon sein Debüt im Viertelfinalhinspiel beim FC Sevilla, 21.30 Uhr/DAZN) und natürlich die Champions League. „Ich möchte es genießen und alles gewinnen“, sagte er. Ach ja, und sich die Weiterbeschäftigung verdienen. Fürs erste ist er ausgeliehen, am Saisonende gilt eine Kaufoption über acht Millionen Euro.

Ex-Schalker Boateng - vom Landesfeind zum Familienvater

Nach Hertha BSC, Tottenham Hotspur, Borussia Dortmund, FC Portsmouth, AC Mailand, Schalke 04, UD Las Palmas, Eintracht Frankfurt und US Sassuolo ist es für Boateng die zehnte Station eines illustren Lebens. Viele Etiketten hat er angeheftet bekommen, viele Geschichten geschrieben. Boateng war Ghetto-Junge (bei Hertha BSC), deutscher Landesfeind (nach seinem Foul an Michael Ballack vor der WM 2010), Moonwalker (bei der Meisterfeier mit dem AC Mailand) und Sprecher vor den Vereinten Nationen (nach einem Spielboykott wegen rassistischer Beleidigungen). Zuletzt gab er sich als gereifter Familienvater und Führungsspieler. Jetzt ist er auch noch: Barça-Profi.

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Nicht nur er konnte es zunächst kaum glauben. „En serio?“ – Wirklich? – lautete zu Wochenbeginn die häufigste Reaktion, als die Nachricht vom anstehenden Transfer die Runde machte. Auf der Homepage der klubnahen „Sport“ bekannten sich 78 Prozent der Fans als „nicht überzeugt“. 31 Jahre, zuletzt nur kleine und mittlere Klubs, und dann noch sein unangepasster Charakter. Reicht Ousmane Dembélé nicht? Oder frönt Barça, weil der Ex-Dortmunder bis zu einer Knöchelverletzung am Sonntag gegen Leganés zuletzt bärenstarke Auftritte zeigte, jetzt einem neuen Fetisch zum Enfant Terrible? Als „äußerst riskant“ stufte die Sportzeitung „As“ die Verpflichtung des extravaganten Profis ein.

Eine Rolle wie einst Henrik Larsson

Boateng wird angesichts eines Angriffsdreiecks aus Lionel Messi, Luis Suárez und Dembélé, hinter denen selbst 160-Millionen-Euro-Transfer Philippe Coutinho häufig nur auf der Bank sitzt, vermutlich nicht viel Spielzeit bekommen. Für ihn ist die Rolle vorgesehen, die der Mann spielte, von dem er die Rückennummer 19 übernimmt: Munir El Haddadi, der in der Hinrunde den Backup für Mittelstürmer Suárez gab. Weil der Nachwuchsprofi seinen Vertrag nicht verlängern wollte, wurde er für eine Million Euro nach Sevilla verkauft. Dieser Betrag geht nun als Leihgebühr für Boateng nach Sassuolo.

Körper einbringen, Lücken reißen und verfahrene Situationen auch mal mit der Brechstange lösen: das erwartet man sich von Boateng. Im Idealfall, träumen sie in Barcelona, wird er so etwas wie der neue Henrik Larsson. Auch der schwedische Angreifer kam 2004 im Herbst der Karriere als Edeljoker, murrte nie, war aber umso zuverlässiger da, wenn er gebraucht wurde, und trug mit seiner routinierten Lässigkeit positiv zum Betriebsklima bei. Im Camp Nou wird er bis heute mehr verehrt als so mancher Stammspieler jener Mannschaft, die 2006 die Champions League gewann.