Hannover. Der frühere Schalke-Trainer arbeitet bei Hannover 96 nur noch auf Bewährung. In Dortmund wird er auf der Bank sitzen. Noch.

Ruhig und gelassen trat der Präsident dem Trubel um ihn herum entgegen. „André Breitenreiter ist und bleibt Trainer von Hannover 96“, verkündete Martin Kind. Er musste dieses Statement vor diversen Kameras, Mikrofonen und Notizblöcken zigmal wiederholen, weil schlechte Nachrichten die Runde gemacht hatten. Der frühere Schalke-Trainer Breitenreiter steht bei dem abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten stark unter Druck. Medienberichte über seine angebliche Entlassung hatte Hannover 96 nach der 0:1-Heimniederlage gegen Werder Bremen zuletzt unkommentiert gelassen. „Ich war überrascht von den Schlagzeilen und Spekulationen“, sagte Kind am Montag bei einem Neujahrsempfang seines Vereins. Die Veranstaltung im VIP-Bereich des 96-Stadions muss dennoch ein bitterer Termin für den erfolglosen André Breitenreiter gewesen sein.

Um es vorsichtig zu formulieren: Es dürfte schon stimmigere Abläufe im Vorfeld eines schweren Bundesligaspiels gegeben haben. Hannover 96 spielt am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei Borussia Dortmund vor, hält vorerst tapfer an Breitenreiter fest und gibt dabei ein merkwürdiges Bild ab. Nach der jüngsten Pleite gegen Werder Bremen, bei der Torhüter Michael Esser mit guten Paraden in Serie ein Debakel verhindert hatte, gab es einen Austausch der wichtigsten Entscheider. Aus Routine? Oder aus der Not heraus?

Hannover 96: Mit elf Punkten Vorletzter

Neben Kind gehörte auch Sportdirektor Horst Heldt, ebenfalls ein früherer Schalker, zu dem Krisengremium. „Ich brauche realistische Einschätzungen von der sportlichen Leitung“, findet der Präsident und wirkt zunehmend ungeduldig. Obwohl Hannover 96 nach 18 Spieltagen mit elf Punkten Tabellenvorletzter ist, vertreten Heldt und Breitenreiter mit viel Selbstvertrauen die Auffassung, dass man den Klassenerhalt noch erreichen könne. „Aber ich lasse mich nicht treiben. Die Öffentlichkeit diktiert nicht, was wir zu tun haben“, sagte Heldt. Er ärgert sich in Hannover über eine latente Aufgeregtheit der lokalen Medien. Dummerweise ist er bei einem Verein beschäftigt, der täglich neues Futter für schnelle bis schrille Meldungen liefert.

Wenn ein Machtmensch wie Kind zum Mikrofon greift und eine Rede hält, weiß selbst sein engstes Umfeld selten, was als Nächstes passiert. Dass ihm doch noch eine temporäre Rückenstärkung für Breitenreiter über die Lippen kam, sorgte bei Hannover 96 für ein kurzes Durchatmen. Der Trainer selbst erträgt es mit Fassung, dass Mirko Slomka und Markus Gisdol öffentlich als seine möglichen Nachfolger diskutiert werden. „Jeder Tag ohne ein Lächeln ist ein verlorener Tag. Die Stimmung im Team ist immer noch gut“, versichert Breitenreiter, den Hannover 96 bis 2021 vertraglich an sich gebunden hat. Seine Bilanz lässt nach zwei Pluspunkten aus den vergangenen sieben Spielen zu wünschen übrig.

Nach zwei turbulenten Tagen und sehr vielen kritischen Fan-Stimmen rund um die Personalie Breitenreiter sind die Rollen in der Führungs-Etage klar verteilt. Der Trainer muss liefern und ist öffentlich angezählt, wozu auch ein passives Medienmanagement beigetragen hat.

Hannover 96: Kind verlangt neue Impulse

Von Heldt wird erwartet, dass er Breitenreiter hinterfragt, antreibt oder zur Entlassung freigibt. Und mit dem 74 Jahre alten Kind steht ein Entscheider an der Spitze von Hannover 96, der ein grundlegendes Thema erneut aufgeschoben hat. Soll der Verein einen möglichen Abstieg mit Breitenreiter als Cheftrainer riskieren? Oder ist eine Entlassung plus Abfindung am Ende doch der bessere Weg? Kind verlangt von seinen beiden wichtigsten Angestellten bessere Arbeit und neue Impulse. Ob Breitenreiter auch nach dem Auswärtsspiel in Dortmund sein Vertrauen genießt, sei von der Art und Weise abhängig, wie einsatzfreudig sich das 96-Team präsentiere.