Manchester. Die Wege von Manchester United und José Mourinho trennen sich. Der Verein bestätigt die Entlassung des portugiesischen Star-Trainers.
In der schwer durchschaubaren Welt des Profisports kann es passieren, dass eine Entscheidung genau so überfällig wie überraschend kommt. Das Aus von José Mourinho als Trainer von Manchester United fällt in diese Kategorie.
Englands Fußball-Rekordmeister befand sich in der dritten Saison unter dem selbst ernannten „Special One“ in einem dramatischen Sinkflug und ist in der Premier League nur Tabellensechster. Der Rückstand auf den Spitzenreiter und Erzrivalen FC Liverpool beträgt nach der 1:3-Demütigung an der Anfield Road am Sonntag bereits 19 Punkte. Die Champions-League-Ränge sind schon elf Zähler entfernt. Im aktuellen Zustand muss der umsatzstärkste Klub der Welt sogar um die Teilnahme an der Europa League fürchten.
Ein Besonderer in der Sackgasse
Um die Erfolgsvita von José Mourinho in den sechs großen Fußball-Ligen Europas zu komplettieren, fehlt neben Frankreichs Ligue 1 nur die Bundesliga-Meisterschaft. In seiner Heimat holte er Titel mit dem FC Porto, in England mit dem FC Chelsea, in Italien mit Inter Mailand, in Spanien mit Real Madrid.
Vielleicht müssten sie beim FC Bayern tatsächlich mal drüber nachdenken, sollte Niko Kovac erneut in die Kritik geraten. Mourinho in München – Langeweile würde sich von selbst ausschließen.
Die Kardinalfrage ist, ob der Portugiese, der sich 2004 zum Einstand bei Chelsea als „The Special One“ (Der Besondere) einführte, wirklich noch der beste Fußballtrainer der Welt ist. Oder ob er sich durch seine spezielle Art im Miteinander in die Sackgasse manövriert hat.
Die seit Monaten kolportierte und nun vollzogene Trennung von Manchester United stützt Letzteres. Mourinho legte sich nicht nur mit Schiedsrichtern, Funktionären, Medien oder sonstigen bösen Mächten an. Er stritt nun auch offen mit Spielern. Mit einem Weltstar wie Paul Pogba, zugegeben ein ähnlich schwieriger Zeitgenosse.
Die Spieler gingen auch deshalb für ihren Trainer nicht mehr durchs Feuer. Mourinho dürfte es angesichts seines Führungsstils schwer haben, die eigenen Ansprüche an anderer Stelle erfüllen zu können. (Michael Ryberg)
In den ersten beiden Spielzeiten im Old Trafford konnte Mourinho noch auf Erfolge verweisen, was er auch exzessiv tat. Der 55-Jährige gewann 2017 die Europa League und den Ligapokal und führte den Klub in der abgelaufenen Kampagne zur Vizemeisterschaft. Das war die beste Platzierung des Klubs seit dem Abschied von Trainer-Ikone Sir Alex Ferguson im Frühjahr 2013 mit dem bislang letzten Meistertitel. Die laufende Saison ist jedoch ein Desaster, und es bedurfte keiner hellseherischen Fähigkeiten, um dieses Desaster schon im Sommer zu prognostizieren. Die Entlassung bringt Mourinho eine kolportierte Abfindung von 25 Millionen Euro ein.
Mourinho überwarf sich mit dem geschäftsführenden Vizepräsidenten Ed Woodward wegen unterschiedlicher Auffassungen in der Transferpolitik. Mit seinen ständigen Klagen über die mangelnde Qualität des Kaders setzte der Trainer den Ton für die Saison.
Sein öffentlich ausgetragener Zwist mit Paul Pogba, der nach dem WM-Titel mit Frankreich doch endlich auch im Verein zu großer Leistung auflaufen sollte, und die wahllos vorgetragene Kritik an einzelnen Profis führten zu einer vergifteten Atmosphäre. Es mag sein, dass die Mannschaft nicht gegen Mourinho gespielt hat. Für ihn aber sicher auch nicht.
Keine Ergebnisse in England
Dem Exzentriker aus Portugal, Champions-League-Sieger mit dem FC Porto und Inter Mailand und in England vor allem beim FC Chelsea mit drei Meisterschaften erfolgreich, ist seine düstere Magie abhanden gekommen. Seine Spielweise war nie spektakulär, brachte aber immer Ergebnisse. Das war bei United nicht mehr so. Im Fußball-Podcast des Guardian wurde kürzlich sogar debattiert, wer den Job des jeweils anderen im Moment besser machen würde, Premierministerin Theresa May den von Mourinho oder Mourinho den von May. Die Runde kam zu dem Ergebnis, dass es egal sei, wer im Old Trafford das Sagen habe – schlechter als mit Mourinho könne es kaum laufen.
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Trotzdem hatte es bis zuletzt keine Hinweise darauf gegeben, dass sein Aus unmittelbar bevorsteht. Nach der Niederlage in Liverpool hatten United-Offizielle noch verlauten lassen, dass alles weitergehe wie gehabt. Das hätte zu der Linie des Klubs seit dem Abschied von Ferguson vor fünf Jahren gepasst. Manchester United operierte schon bei David Moyes und Louis van Gaal zögerlich und trennte sich erst von ihnen, als es nicht mehr anders ging.
Mourinho hätte die Saison theoretisch noch retten können, doch der fußballerische Verfall in Kombination mit der zerrütteten Stimmung haben dazu geführt, dass Uniteds Eigentümer – die Glazer-Familie aus den USA – und Vizepräsident Woodward die Notbremse gezogen haben. Und das, obwohl sie noch keinen Nachfolger in Stellung gebracht hatten.
Wird Ex-PSG-Trainer Laurent Blanc Mourinhos Nachfolger?
Der Verein will erstmal einen Interimstrainer bis zum Ende der Saison benennen. Als Kandidaten gelten ehemalige United-Profis wie Laurent Blanc, der seit seinem Aus bei Paris Saint-Germain vor zwei Jahren ohne Beschäftigung ist, oder Bayern-Schreck Ole Gunnar Solskjær, der im Moment in seiner Heimat Norwegen bei Molde FK arbeitet. Eine langfristige Lösung soll erst zur kommenden Spielzeit präsentiert werden. Eine logische Wahl wäre Mauricio Pochettino von Borussia Dortmunds Champions-League-Gegner Tottenham Hotspur. Er gilt allerdings auch als Wunschkandidat bei Spaniens Top-Team Real Madrid