Herne. Gerhard Clement feiert am Sonntag seinen 80. Geburtstag. Er prägte in der Nachkriegszeit den Revierfußball mit. Nur Uwe Seeler war besser.
Es gibt Momente bei Gerhard Clement, da werden die Augen größer. Da lächelt er und nimmt die Arme zu Hilfe, um von der vergangenen Zeit zu reden. Als er selbst noch als Stürmer für Westfalia Herne zahlreiche Tore erzielte, Erfolge feierte und von Zehntausenden im Stadion am Schloss Strünkede gehuldigt wurde.
Doch es gibt auch Momente, da werden seine Augen kleiner, das Gesicht ärgerlich. Dann, wenn er die aktuelle Situation seines Vereins analysiert. Fünfte Spielklasse, Abstiegskampf, nur noch ein paar Hundert Anhänger trudeln ins Stadion. „Das ist traurig“, sagt Clement. Er selbst zückt immer noch bei jedem Heimspiel seine Dauerkarte. Denn: „Es ist meine Leidenschaft.“
Fußball als Ausweg aus dem Alltag
Am Sonntag wird Gerhard Clement 80 Jahre alt. Ein Mann, der den Revierfußball der Nachkriegszeit mitprägte, sich um das Jahr 1960 herum zu einem der besten Torjäger Deutschlands entwickelte. Er erlebte aber auch, wie der Herner Traditionsverein nach und nach abrutschte und ein ähnliches Schicksal erlitt wie so viele Klubs im Ruhrgebiet.
Grund genug, mit dem Ex-Stürmer noch mal einzutauchen in sein Leben mit und für Westfalia Herne. Geboren wurde Clement im Jahr 1938, vom Krieg bekam er als Kind nicht viel mit, dafür von der Nachkriegszeit. Als der Fußball ein Mittel war, dem tristen Alltag zu entfliehen. „Ich habe vor allem auf der Straße gepöhlt“, erzählt er, „erst mit 13 bin zur Westfalia gegangen.“
Doch sein Talent genügte, um schon mit 18 Jahren zur Herrenmannschaft hochgezogen zu werden. Herne spielte da in der erstklassigen Oberliga West – gemeinsam mit Vereinen wie Schalke 04, Borussia Dortmund, Rot-Weiss Essen, VfL Bochum. Der Tabellenerste und -zweite qualifizierten sich für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft. Unter der Woche ging es für die vielen Kumpel noch über die Fördertürme in die Dunkelheit hinab (und wieder hinauf), am Wochenende pilgerten sie zum Fußball.
„Wir haben hier vor 30.000 Menschen gespielt“, erklärt Clement. Schließlich war die Westfalia damals die Überraschungs-Elf des Reviers. In der Saison 1958/59 landete sie auf dem ersten Oberliga-Platz, sechs Punkte vor dem 1. FC Köln. Clement war da gerade mal 20 Jahre alt, wurde aber trotzdem mit 28 Toren neuer West-Torschützenkönig.
Nebenbei noch Industriekaufmann
Den Goldenen Schuh für den besten Torjäger Deutschlands schnappte ihm allerdings ein gewisser Uwe Seeler weg. Ein Tor mehr erzielte der Hamburger, der auch den Stürmerplatz in der Nationalmannschaft blockierte. „Aber so gut wie er war ich einfach nicht“, sagt Clement. Bescheiden. So war er damals, so ist er noch heute. „Ich bin keiner für die großen Worte.“ Viel Geld verdiente er bei Westfalia nicht, er arbeitete stattdessen noch als Industriekaufmann. Die Fußballtasche stand im Büro: „Sonst hätte ich es gar nicht zum Training geschafft.“
Da wartete dann mit Fritz Langner ein Trainer, der seine Spieler drillte, sie laufen ließ. Individuelle Belastungssteuerung existierte noch nicht. „Es war schlimm.“ Auch auf dem Platz, wo die Verteidiger gerne von hinten zur Grätsche ansetzten. Ob da nun der Ball oder nur ein Bein war.
Aber: „Angst und Geld habe ich nie gehabt“, erzählt Gerhard Clement. Trotzdem wolle er nicht mit den aktuellen Bundesliga-Stars tauschen, die viele Millionen scheffeln, „weil die Kameradschaft bei uns besser war“.
Durch diese Kameradschaft nahm Herne zweimal an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft teil. Doch ausgerechnet im letzten Oberligajahr 1962/63 verpasste der Verein die Qualifikation für die neugegründete Bundesliga. So trat die Westfalia nur noch in der Regionalliga West an, Clement mischte noch bis 1967 mit. Danach streifte er sich zwei Jahre lange das Trikot der Hammer Spielvereinigung über, um seine Karriere dann bei Preußen Hochlarmark und dem späteren 1. FC Recklinghausen ausklingen zu lassen.
Der Westfalia ist er treu geblieben, trotz der vielen Krisen. Derzeit läuft es auch in der fünften Liga mehr schlecht als recht. „Eigentlich will ich mich bei meinen Stadionbesuchen ja entspannen, aber ich rege mich nur auf“, erklärt Gerhard Clement. Mit kleinen Augen.