Madrid. . Real und Ronaldo stehen vor dem dritten Triumph in Serie in der Champions League. Die wilde Saison lässt keine Vorhersage für das Finale zu.

Was soll man über diese Mannschaft sagen? Ist sie historisch beseelt? Oder historisch glücklich? Real Madrid, so schrieb es die französische L’Équipe, „geht auf dem Wasser“. Und ist damit nun in Kiew angelangt, wo es als erster Klub seit Beckenbauers Bayern zum dritten Mal in Folge den wichtigsten Europapokal gewinnen kann. Gewinnt Real am Samstag (20.45 Uhr/ZDF und Sky) gegen den FC Liverpool, wäre es gleichzeitig die vierte Champions League der letzten fünf Jahre.

Das mit Kiew ist schon mal gut für die Madrilenen: Ein schlechterer Ausgangsort wäre das eigene Stadion gewesen. Dort wurde gegen Juventus verloren (1:3) und gegen München gelitten (2:2), dort hat Real mit dem deutschen Weltmeister Toni Kroos diese Saison wettbewerbsübergreifend 13-mal nicht gewonnen. Auf der anderen Seite ist eines beeindruckend: ohne Heimvorteil das Finale zu erreichen. Mit solchen Widersprüchen geht es weiter bei der Mannschaft, deren ungefährlichster Stürmer Karim Benzema (ein Tor alle 431 Ligaminuten) beide Treffer zum Finale erzielte, deren Trainer Zinédine Zidane im Winter ohne Zukunft schien, aber jetzt als erster der Geschichte dreimal am Stück den Henkeltopf gewinnen kann.

Mal Verzückung, mal Mitleid

Dieses Team, es ist der Albtraum aller Analysten. Weshalb der Ex-Dortmunder Jürgen Klopp mit Liverpool schlecht wissen kann, worauf er sich einstellen muss. Real weiß es ja nicht mal selbst.

Gelingt ein so schlüssiger Vortrag wie im Achtelfinale bei Paris St.-Germain (2:1) oder im Viertelfinale bei Juventus (3:0)? Oder irrlichtert man über den Rasen wie die meiste Zeit der 180 Minuten gegen die Bayern? Spielt Real wie beim 7:1 gegen den Tabellen-18. La Coruña (21. Januar) oder wie beim 1:2 gegen den Tabellen-17. Leganés (24. Januar)? Jene Niederlage bedeutete das Ausscheiden im Pokal und wurde von Zidane diese Woche als Versagen anerkannt: „Ein Scheitern, ein ganz harter Schlag.“ Der Rest angeblich nicht, auch wenn die als Titelverteidiger eröffnete Meisterschaft mit 17 Punkten hinter Barcelona beendet wurde – so vielen wie seit 1985 nicht.

„Versagen ist nur, wenn du nicht motiviert bist, wenn du mit diesem Wappen auf dem Trikot nicht alles versuchst“, erklärte Zidane. Allerdings schien bei manchen genau das oft das Problem. Auch für die Strategen im eigenen Verein ist diese Saison schwer zu greifen. Reicht es angesichts der alternden Achse um Sergio Ramos, 32, Luka Modric, 32, und Cristiano Ronaldo, 33, körperlich nicht mehr für einen Tanz über alle Parketts? Oder kann sich die hochdekorierte Mannschaft für den Alltag schlicht nicht mehr begeistern?

Wundertüte im Finale

Im Team selbst wird die neuerliche Endspielteilnahme als Plädoyer für Kontinuität gewertet. „Ich bin jetzt seit acht Jahren hier und immer ist von 50 neuen Spielern die Rede“, erklärte Ronaldo, mit 15 Toren wieder bester Champions-League-Schütze. „Aber am Ende ins Finale kommen dann immer dieselben.“ Der gewachsene Teamgeist sei das Geheimnis dieses Teams, fügte Kapitän Ramos hinzu: „Hier gab es immer viele Stars ... aber jetzt gibt es keine Egos.“

Öffentlich wollte den Madrilenen kein Grund einfallen, warum sie das Finale verlieren könnten. Alle Spieler sind fit. Andererseits gilt dadurch das Prinzip Wundertüte: Kommt es zu Koordinationsproblemen, die Klopps Liverpool ausnutzen könnte? Oder formt sich wie beim Finale 2017 gegen Juventus (4:1) ein harmonisches Ensemble, das seine individuelle Überlegenheit mit perfektem Teamspiel vereint? Am Samstag wird man es sehen.