Essen/Turin. Selbst die Anhänger von Juventus applaudierten beim 0:3 gegen Real. Schalke-Legende Klaus Fischer aber, hat Ronaldos Traumtor noch nicht gesehen.
Cristiano Ronaldos traumhaftes Fallrückzieher-Tor beim 3:0 in Turin gegen Juventus im Viertelfinale der Champions League weckt Erinnerungen an "die Mutter aller Fallrückzieher-Tore".
Schalke-Legende Klaus Fischer erzielte am 16. November 1977 im Länderspiel in Stuttgart Deutschland gegen die Schweiz in der 59. Minute einen unvergesslichen Treffer zum 4:1-Endstand. Eine etwas zu weite Bananenflanke von Rüdiger Abramczik und am Fünfmeter-Raum liegt Klaus Fischer 1,5 Meter hoch in der Luft und knallt das Leder per Fallrückzieher in den Schweizer Kasten. Das Tor der Tore war geboren. Von der ARD-Sportschau wurde dieser Treffer von Fischer zum "Tor des Jahrhunderts" im deutschen Fußball gewählt.
Am Mittwochmorgen erreichten wir Klaus Fischer am Telefon. Auf das Ronaldo-Tor in Turin angesprochen, sagte der 68-Jährige: "Leider hab ich das Tor nicht gesehen. Aber dieser Ronaldo ist ein perfekter Spieler. Dann dürfte auch der Fallrückzieher perfekt gewesen sein."
Ronaldos Tor wird unvergessen bleiben
Recht hat er: Denn das Ronaldo-Tor muss sich nicht verstecken. Es wird wohl auch unvergessen bleiben. Die Flanke von Dani Carvajal flog butterweich von rechts in den Strafraum von Juventus Turin, Lucas Vazquez würde gleich nur noch mit dem Kopf einem Mitspieler vorlegen müssen - doch so weit kam es nicht: Plötzlich lag Cristiano Ronaldo quer in der Luft, als habe ihn dort jemand an unsichtbaren Seilen hingehängt, in einer Höhe von mehr als zwei Metern traf er den Ball mit dem rechten Fuß... Tor. Und was für eines. Ein Treffer wie ein Gemälde, gezeichnet von einem Genie wie Leonardo da Vinci.
Es lief die 64. Minute im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League zwischen Juventus Turin und Real Madrid, und als Ronaldo seinen Fallrückzieher aus einem Katalog für Kunstwerke vollendet hatte, hielt es keinen im Stadion mehr auf seinem Sitz. Ja, auch die italienischen Zuschauer applaudierten begeistert, für dieses Meisterwerk von einem Tor gebührte dem Künstler Anerkennung. Am Spielfeldrand strich sich Trainer Zinedine Zidane, selbst einer der großen Meister, fassungslos über seinen kahlen Kopf.
"Dies ist eines der schönsten in der Geschichte des Fußballs, ja", sagte Zidane über das zweite Tor beim 3:0 (1:0), um mit einem Schmunzeln anzumerken: "Es ist vielleicht nicht so schön wie meines in Glasgow." Im Jahre 2002 hatte Zidane im Endspiel der Champions League gegen Bayer Leverkusen kurz vor der Pause mit einem Volleyschuss von der Strafraumgrenze zum Endstand von 2:1 (2:1) getroffen. Von der Bedeutung her war das Tor Zidanes wichtiger - schöner war wohl jenes von Ronaldo.
Juve-Fans applaudieren Ronaldo
Das empfanden auch Ronaldos Mitspieler. "Cristiano Ronaldo kann jetzt die Erde verlassen und anfangen, gegen die Marsmenschen zu spielen, hier hat er alles erreicht", schrieb Verteidiger Alvaro Arbeloa nach dem Spiel bei Twitter über seinen Mannschaftskollegen. Gianluigi Buffon, diesmal nur Statist im Tor von Juventus, stellte Ronaldo auf eine Stufe mit den Jahrhundertfußballern Maradona und Pele sowie dessen ewigem Rivalen Lionel Messi. Spielern wie diesen gelinge es stets, "für ihre Mannschaft Spiele zu entscheiden und Trophäen zu gewinnen".
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Das Spiel in Turin war in der Tat ein Beweis für Ronaldos Großartigkeit. Bereits sein erster Treffer an diesem Abend (3.) war bemerkenswert: Ronaldo ist damit der erste Spieler, der in der Königsklasse in zehn Spielen in Serie ein Tor erzielt hat, insgesamt war er in diesen Spielen sogar 16-mal erfolgreich. Am Dienstag legte der fünfmalige Weltfußballer nach dem Platzverweis für Juves Paulo Dybala (66.) auch noch den dritten Treffer für Madrid durch Marcelo (72.) auf.
In Erinnerung bleiben wird freilich dieses zweite Tor - auch Ronaldo. Als er gewahr wurde, dass ihm nach seinem Treffer für die Ewigkeit auch die Italiener applaudierten, da schloss er die Hände und verneigte sich. Dankbar. Und irgendwie gerührt von so viel ehrlicher Anerkennung für seine Kunst.