Essen. In unserer Sportredaktion hat der Sky-Moderator die Seiten gewechselt. Im Interview stellte sich Jörg Wontorra allen Fragen.

Normalerweise löchert Jörg Wontorra in seiner Sendung seine Gesprächspartner mit Fragen. Diesmal war es anders herum. Bei seinem Besuch in unserer Sportredaktion stellten wir die Fragen und der 69-Jährige antwortete – mal tiefsinnig, mal mit Humor. Der 69-jährige Moderator von „Wontorra – der Fußball-Talk“ (Sky/sonntags, 10.45 Uhr) über Dortmunds Fehler und Schalkes Erfolg, über die Abschaffung der 50+1-Regel und die Karriere seiner Tochter Laura Wontorra.

Herr Wontorra, Sie haben gerade ihren Vertrag verlängert. Wieso hängen Sie noch eine weitere Saison dran?

Jörg Wontorra: Eigentlich wollte ich mir nur zeigen, dass ich noch Hunger habe, dass ich noch beiße, aber dann hat der Sky Fußball-Talk eingeschlagen und ich habe mit meiner Lebensgefährtin gesprochen und die hat gesagt: ‚Ich kann dich sonntagmorgens sowieso nicht am Frühstückstisch sehen‘. Außerdem: Wenn man sieht, dass ein Projekt, das man anschiebt und den eigenen Namen trägt, Erfolg hat, dann kann man die Kollegen nicht im Stich lassen.

Haben Sie die Verlängerung an eine Bedingung geknüpft?

Jörg Wontorra: Ich mache einmal im Jahr eine Kreuzfahrt, die gönne ich mir. Die wird auch dieses Jahr über meinem runden Geburtstag im November stattfinden. Wenn Sky mir nicht erlaubt hätte, dafür einmal auszusetzen, hätte ich überlegen müssen…

Zu diskutieren gibt es im Moment jedenfalls genug. Vor allem die horrenden Summen auf dem Transfermarkt treiben die Fans um. Können Sie noch nachvollziehen, was sich gerade abspielt?

Jörg Wontorra: Ich bin Fußball-Romantiker, deshalb finde ich es schade, dass dieses Geschäft doch sehr geldgesteuert ist. Wenn Vereine wie Hoffenheim oder Leipzig sich nach vorne kämpfen, ist das in Ordnung. Die haben eine Philosophie dahinter, setzen auf ihre Akademien, kaufen nicht wild Spieler auf. Irgendwann wird man von Hoffenheim und Leipzig als Traditionsklubs reden. Nur: Momentan reden wir über Transfersummen, die jenseits von gut und böse sind. Der Transferwahnsinn scheint kein Ende zu nehmen.

Was kann man dagegen tun?

Jörg Wontorra: Die Scheichs abschaffen (lacht), nein Spaß. Es ist unheimlich schwierig. Es wird sich immer mehr aufteilen in zwei oder drei Ligen. Da werden Vereine aus England sein, die mehr TV-Gelder zur Verfügung haben, dann jene, die unbegrenzt auf Sponsoren zurückgreifen können, das ist auch in England oder Spanien der Fall. Bei uns wird das ausgebremst durch die 50+1-Regel.

Klingt so, als sehen Sie darin einen Nachteil.

Jörg Wontorra: Ich plädiere für die Abschaffung, weil es im europäischen Vergleich wieder mehr Wettbewerbsgleichheit für die Bundesliga bringt. Und es ist die freie Marktwirtschaft. Wenn irgendein Konzern oder ein Investor sich einen Fußballverein leisten möchte, ist das okay.

Und das Beispiel 1860 München?

Jörg Wontorra: Ich glaube, man müsste beim Aussuchen des jeweiligen Investors sehr sensibel vorgehen. Ganz ehrlich: Das traditionelle Denken halte ich für problematisch. Es gibt diesen wunderschönen Grundsatz: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit – Rot-Weiss-Essen, Rot-Weiß Oberhausen, KFC Uerdingen, es gibt genug Beispiele. Man muss mit der Zeit gehen – okay, das wären drei Euro für das Phrasenschwein einer befreundeten Sendung –, aber anders ist es nicht mehr möglich, im Konzert der Großen mitzuspielen. Und auch wenn irgendwann alle Investoren haben, bleibt es dabei: Einer muss erster und einer 18ter werden.

Birgt das nicht eine große Gefahr für Traditionsvereine?

Jörg Wontorra: Auch Traditionsvereine können gegenhalten. Auch Traditionsvereine können sich um Investoren kümmern.

Und irgendwann verschlingt der Gott des Geldes alles, wie es Christian Streich gesagt hat.

Jörg Wontorra: Der Fußball ist ein Business geworden. Mit allen Vor- und Nachteilen. Fußball-Romantik ist schön und gut, ich würde am liebsten auch den Traum weiter leben, aber es ist nicht mehr möglich, mit dem Gedankengut der 80er Jahre weiterzukommen.

In Dortmund ist gerade auch sehr viel Geld im Umlauf. Gleichzeitig gibt es das Problem, dass mehrere Spieler ihre Wechsel erzwungen haben. Hat der BVB etwas falsch gemacht?

Jörg Wontorra: Ein Verein wie Dortmund kann sich nicht leisten, einen Spieler wie Aubameyang auf die Tribüne zu setzen. Da muss die Fifa einen Riegel vorschieben. Der BVB hat vielleicht den Fehler gemacht, dass er seine Stars zu sehr an der langen Leine gelassen hat. Normalerweise sind diese Spieler Berater-gesteuert, die sind nicht so erwachsen wie andere, die im richtigen Leben stehen. Der Verein hat eine Fürsorgepflicht und muss auch mal die Zügel anziehen.

Beim Reviernachbarn Schalke läuft es hingegen gut. Machen die im Moment vieles richtig?

Jörg Wontorra: Ich glaube, dass Domenico Tedesco einen richtig guten Job macht. Ich habe mal lange mit Ralf Fährmann diskutiert und der hat gesagt, so einen guten Trainer hat er noch nie gehabt. Er findet das richtig toll, wie er menschlich mit den Spielern umgeht. Und Tedesco hat es wohl wirklich drauf, die Mannschaft mitzureißen. Er hat natürlich das große Glück, dass Schalke erfolgreichen Fußball spielt, wenn auch nicht immer nur hoch attraktiven. Und ich glaube, ein Grund für den aktuellen Erfolg ist, dass wenig an die Öffentlichkeit dringt. Dadurch gibt es keine Unruhe im Verein.

Zuletzt musste Clemens Tönnies in Ihrem Sky-Fußballtalk wegen Leon Goretzka doch noch laut werden. Haben Sie gespürt, dass da etwas kommt?

Jörg Wontorra: Ich kenne Clemens sehr lange und telefoniere häufiger mit ihm. Bevor er in die Sendung kam, rief er an und da merkte ich schon, es brodelt in ihm ohne Ende. Und in dem Augenblick, wo es emotionaler wird, muss man es laufen lassen. Da darf man als Moderator gar nicht eingreifen. Clemens hat da schon etwas aus seinem Seelenleben rausgelassen und das lag sicher an seiner persönlichen Enttäuschung, wie es mit Goretzka gelaufen ist.

Man muss ja eigentlich froh sein, dass es noch Typen wie Tönnies gibt, die sich öffentlich derart äußern.

Jörg Wontorra: Es sind inzwischen die Erfahrenen aus der Branche, mit denen ich sehr gerne zusammensitze, weil die wissen, wie weit sie gehen können. Tönnies, Hoeneß, die können die Klaviatur spielen.

Mit Uli Hoeneß haben Sie ein Eins-zu-eins-Interview geführt. Warum?

Jörg Wontorra: Das habe ich eigentlich nur gemacht, um die Sendung anzuschieben. Aber dann schlug dieses Format gleich ein. Da kam schnell die Idee, dass man das mit anderen Protagonisten auch machen kann.

Gibt‘s jemanden, den Sie gerne in diesem Format hätten?

Jörg Wontorra: Nach dem letzten Spieltag kann ich mir Heribert Bruchhagen vorstellen. Er hat sicher nach dieser turbulenten Saison einiges zu erzählen. Er ist in Hamburg auf Dinge getroffen, die er so nicht erwartet hat.

Und Franz Beckenbauer?

Jörg Wontorra: Eher nicht. Franz hat im Deutschen Fußball seine Dinge geleistet. Er sollte – und das tut er ja auch – Familie und Golfen im Moment in den Vordergrund stellen.

Sie sind seit vier Jahrzehnten in der Medienbranche tätig. Wie haben Sie es geschafft, sich so lange zu halten?

Jörg Wontorra: Im Augenblick bin ich wohl wirklich der Heynckes des Fernsehens. Das kann daran liegen, dass ich in den Genuss eines journalistischen Grundstocks gekommen bin: Praktika, Fernseh- und Zeitungsvolontariate. Ich habe die ganze Branche kennengelernt. Dadurch, dass ich die Ochsentour machen durfte, habe ich mir das Rüstzeug geholt für lange Berufsjahre. Ich bin zwar Gesichtsvermieter, dabei aber immer Journalist geblieben.

Ihre Tochter Laura Wontorra hat einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Wie verfolgen Sie die Karriere Ihrer Tochter?

Jörg Wontorra: Sehr wohlwollend. Ich finde es toll, weil ich nicht erwartet hätte, dass sie mit dieser Wucht aufschlägt. Ich war ja am Anfang dagegen und habe gesagt: ‚Du machst was Ordentliches‘. Aber sie wollte was mit Medien machen und hat das auch voll durchgezogen.

Haben Sie ihr Talent früh erkannt?

Jörg Wontorra: Wie Papas so sind, habe ich mal ein Handyvideo gemacht – ‚komm, sprich mal rein, Werder gegen HSV‘. Der Text war noch suboptimal, aber ihre Ausstrahlung war da schon vorhanden.

Ist der Hausname für Ihre Tochter Belastung oder Anschub gewesen?

Jörg Wontorra: Der Name ist für Laura Fluch und Segen zugleich. Am Anfang ihrer Karriere musste sie immer hören ‚Da hat dein Papa schon für gesorgt, dass du die Schuhe hingestellt bekommen hast‘. Allerdings hat sie über mich gelernt, wie die Branche funktioniert. Sie ist seit dem achten Lebensjahr auf dem Fußballplatz. Sie ist gefeit gegen alle Unbotmäßigkeiten, die auf junge Journalisten zukommen können.

Können Sie sich vorstellen, mit Ihrer Tochter eine gemeinsame Sendung zu haben?

Jörg Wontorra: Wir lehnen gemeinsame Auftritte ab. Es gibt nur eine Ausnahme: Unserer Heimat zuliebe moderieren wir zusammen die Sportgala in Bremen. Darüber hinaus gibt es keine Tandem-Auftritte. Ich finde das für ihre Entwicklung sehr wichtig.

Sie ist ja auch noch mit einem Fußballer zusammen. Ist das nicht ein Albtraum?

Jörg Wontorra: Das war für mich mal die größte Katastrophe. Ich habe ihr das auch verboten, kurz vor dem Abitur, als sie noch nicht 18 war. Man hält als Papa ja immer seine Hand schützend drüber. Ich war da schon ein bisschen zurückhaltend, als ich davon hörte. Sie wusste um meine Grundhaltung und hat mir das wochenlang nicht verraten. Jetzt sind Laura und Simon Zoller fast vier Jahre zusammen, und ich bin glücklich darüber.