Leipzig. . Mittwoch treffen die beiden Rivalen in der 2. Runde des DFB-Pokals aufeinander. RB hat aufgeholt – und in anderen Bereichen sogar die Nase vorne.
Die Schnelllebigkeit gehört zu den Eigenheiten des Profifußballs. Ein Spruch, der gestern über die Lippen gerutscht ist, wird mitunter morgen schon überflüssig. Bei RB Leipzig haben sie hinter vorgehaltener Hand nur geschmunzelt, als Uli Hoeneß in der vergangenen Saison meinte, er müsse erklären, warum der Aufsteiger zeitweise vor dem FC Bayern gestanden habe. Das Team mit dem Bullenlogo auf der Brust würde nämlich „auf der Couch die Beine hochlegen“, lästerte der Münchener, während sich seine Vielspieler auf internationaler Bühne abrackern würden. Wiederholt hat er die These nie. Sie wäre inzwischen auch grundfalsch.
Beide Teams haben derzeit dieselbe Zahl von Pflichtspielen absolviert, den Supercup nicht eingerechnet: neun in der Bundesliga, drei in der Champions League, eine im DFB-Pokal. Nun treffen binnen vier Tagen der sächsische Emporkömmling und der bayerische Branchenprimus zweimal aufeinander: erst heute (20.45 Uhr/ARD) in Leipzig im DFB-Pokal und dann Samstag (18.30 Uhr/Sky) in der Bundesliga in München. Dem Herausforderer eröffnen sich mehr Chancen als dem Platzhirsch, der sich am letzten Spieltag der Vorsaison über einen 5:4-Sieg freute. Im Mai ging es darum, die bestehenden Machtverhältnisse zu untermauern. Im Oktober gilt es bereits, das taktische Überholmanöver abzuwehren.
Die Indizien sind erdrückend, dass das strategisch und marketingtechnisch höchst professionell errichtete Red-Bull-Gebilde zumindest in Teilbereichen besser arbeitet als das Bayern-Konstrukt. Etwa bei der Nachwuchsförderung und der Kaderplanung. Bundesliga-Manager bejahen einen Leipziger Vorsprung auf diesen Gebieten – aber ungern öffentlich. Max Eberl, Sportchef bei Borussia Mönchengladbach, sagte nun im Sky-Fußballtalk: „Leipzig ist für den FC Bayern und Borussia Dortmund ein Herausforderer.“ Nur das Wort Wachablösung fiel noch nicht.
Mit den Brausemillionen konnte der Vizemeister alle Leistungsträger halten und neue holen. Und dass Naby Keita 2018 zum FC Liverpool geht, bringt 70 Millionen Euro ein. Noch bei Red Bull Salzburg soll der Guineer zweimal dem deutschen Rekordmeister angeboten worden sein, doch die Münchener glaubten nicht, dass er weiterhelfen könnte. Fehleinschätzung!
Bayern klagt, Leipzig handelt
Und noch ein anderes Beispiel demonstriert eine gewisse Münchener Schlafmützigkeit: Während sich im Sommer Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge über den von Paris St. Germain ausgelösten Transferwahnsinn beklagte, hatte Leipzigs Sportchef Ralf Rangnick längst dessen Sturmtalent Jean-Kevin Augustin gelockt. Für vergleichsweise günstige 13 Millionen Euro. Einen ähnlichen Preis kostete der Portugiese Bruma. Beide zählen in der Liga zu den interessantesten Spielern. Nicht umsonst hat Bayern-Trainer Jupp Heynckes viel Lob für die Leipziger übrig, deren Arbeit „kompetent und innovativ“ sei. „Da steckt eine klare Strategie dahinter.“
Erstaunlich, wie sich die Neuzugänge dort passgenau in die Philosophie fügen. 23,3 Jahre betrug jüngst das Durchschnittsalter der Startelf gegen Stuttgart – die der Münchener war in Hamburg vier Jahre älter. Leipzigs Offensive besteht aus Timo Werner (21), Emil Forsberg (26), Bruma (23) und Augustin (20). Die Bayern haben mit Kingsley Coman (21) und Thiago (26) zwar ähnlich junge Angreifer, doch Robert Lewandowski (29) und Arjen Robben (33) erhöhen das Durchschnittsalter deutlich.
Wer gibt beim FCB die Richtung vor?
Ralf Rangnick hält als Chefplaner die Fäden in Leipzig fester in der Hand als je zuvor. Dagegen schien in jüngeren Vergangenheit an der Säbener Straße nicht klar, ob Vorstandschef Rummenigge oder Aufsichtsrat Hoeneß die Richtung vorgeben. Neuer Sportdirektor ist Hasan Salihamidzic. Ob der Berufsanfänger im rasant veränderten Markt eine innovative Transferpolitik einleitet? Zweifel sind erlaubt.
Doch RB Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff bleibt dabei: Der Maßstab sei Bayern, „mit einem Top-Kader mit zahlreichen Weltklassespielern“. Mag alles noch stimmen. Aber unschlagbar ist der Gegner nicht mehr. Erst recht nicht heute für RB Leipzig.