Stuttgart. Mats Hummels spendet zwei Prozent von seinem Bayern-Gehalt. Denn er will etwas bewirken. Ein Gespräch über die Auswüchse im Profi-Fußball.

Mats Hummels schwitzt noch etwas nach. Eben war Training mit der deutschen Nationalmannschaft, die am Freitag im WM-Qualifikationsspiel auf Tschechien (20.45 Uhr/RTL) trifft. Nun sitzt der 28-Jährige im Stuttgarter Teamhotel und hat einiges zu erzählen. Der Bayern-Profi hat sich als erster in Deutschland dem Projekt „Common Goal“ angeschlossen, das Profis überzeugen will, ein Prozent ihres Gehalts für wohltätige Zwecke zu spenden. Ein Gespräch über soziale Verantwortung, die Blase Profifußball und Sprünge vom Hotelbalkon.

Herr Hummels, lassen Sie uns mit einer indiskreten Frage beginnen: Wieviel ist ein Prozent von Ihrem Gehalt?

Mats Hummels: (lacht) Das beantworte ich natürlich nicht. Aber was ich sagen kann: Ich spende einen Teil meines Bruttogehalts. Also sind es vom Nettogehalt gerechnet am Ende etwa zwei Prozent.

Nach Juan Mata sind Sie der zweite prominente Spieler, der beim Projekt Common Goal ein Prozent seines Gehalts spendet. Warum machen Sie das?

Hummels: Ich war schon länger auf der Suche, etwas Soziales zu machen. Ich arbeite mit Unicef schon ein paar Jahre, das war aber finanziell in einem kleineren Rahmen. Bei Common Goal geht es jetzt um deutlich höhere Summen. Juan Mata ist da extrem engagiert. Und da wollte ich dabei sein. Ich hoffe, dass sich das auszahlen wird und mit den Jahren viel Gutes geschaffen wird. So, wie ich das jetzt mitbekommen habe, werden da in Zukunft noch einige andere Spieler mitmachen. Und das ist das Ziel. Ich glaube, dass vor allem wir Nationalspieler auch Vorbild sein können.

Haben Sie direkt Kollegen angesprochen mitzumachen – auch aus der Nationalmannschaft?

Hummels: Ja, habe ich. Aber ich sage nicht, wen. Mal sehen, wer am Ende dabei sein wird. Mit einem kleinen Beitrag, der keinem von uns wehtut, kann Großes geschaffen werden.

Mats Hummels (Mitte) im Gespräch mit Jörn Meyn (l.) und Thomas Gassmann.
Mats Hummels (Mitte) im Gespräch mit Jörn Meyn (l.) und Thomas Gassmann.

Ist es denkbar, dass man das auch auf Klubebene anwendet: Ein Prozent spenden von einer Transfersumme?

Hummels: Ich halte das für denkbar. Ob es juristisch machbar ist, weiß ich nicht. Aber theoretisch ist jeder herzlich eingeladen.

So könnten die Fans vielleicht auch ein bisschen mehr Verständnis für die irren Ablösesummen aufbringen, die im Moment gezahlt werden…

Hummels: Das ist schon mit ein Grund, warum ich das jetzt gemacht habe. Ich glaube, dass wir in einer Phase stecken, in der viele Menschen das Verständnis für die riesigen Summen verlieren. Wenn damit auch etwas Gutes getan wird, wäre das vielleicht anders.

Kippt die Stimmung im Fußball? Steht er am Scheideweg?

Hummels: Es ist schon so, dass über die Jahre alles teurer geworden ist, auch im Fußball. Ich habe mir gerade die Auflistung angesehen, was ein Trikot bei allen Vereinen kostet. Wenn ich das vergleiche mit dem, was ich vor 15 Jahren bezahlt habe, dann sind das Welten. Andere Bereiche im Fußball sind nicht so deutlich teurer geworden. Irgendwann gibt es dann logischerweise Menschen, die sagen: Das kann oder will ich mir nicht mehr leisten.

Es gibt Fans, die sich wegen der zunehmenden Kommerzialisierung vom Fußball abwenden, oder das heftig kritisieren.

Hummels: Aber das muss man in die richtigen Bahnen lenken. Der Weg, den da einige eingeschlagen haben, den finde ich falsch. Wenn man sich einige Ultras anschaut, dann finde ich das fragwürdig. Am Ende ist der Mittelweg der richtige. Weder die Vereine, noch die Fans machen immer alles richtig.

Wie erleben Sie als Spieler die aktuelle Debatte um die gewaltbereiten Ultras?

Hummels: Ich bin Ultras gegenüber sehr skeptisch. Ich habe nicht so gute Erfahrungen gemacht. Ich bin ein großer Freund von Fußballfans, die sich für bestimmte Belange einsetzen. Aber wenn es beleidigend und gewalttätig wird, dann habe ich dafür kein Verständnis. Wir spielen immer noch ein Spiel, ein tolles Spiel, das uns alle begeistert. Doch die Gewalt wird immer mehr. Das ist aber der komplett falsche Weg, so erreicht man nichts.

Müssen sich die friedlichen Fans mehr von den gewaltbereiten abgrenzen?

Hummels: Das wäre meine Idealvorstellung. Andererseits jagen diese Leute anderen auch Angst ein. Da kann man schon verstehen, dass nicht jeder dagegen aufsteht. Doch wenn sich die friedlichen Fans solidarisieren würden, würde auch der Einfluss der gewaltbereiten Ultras abnehmen.

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Haben Sie sich eigentlich mal gefragt, was Sie in diesem Sommer gekostet hätten, wenn sie gewechselt wären?

Hummels: Nein. Das war für mich kein Thema. Verteidiger sind auch nicht so teuer wie Stürmer.

In England kostet jeder dritte Abwehrspieler mittlerweile über 50 Millionen Euro…

Hummels: …ja, die Summen sind unglaublich hoch geworden. Das lustige ist ja, dass das Verhältnis der Summen gleich geblieben ist. Wenn man früher fünf Millionen bezahlt hat und beim späteren Verkauf 20 bekommen hat, zahlt man jetzt 20 und kriegt 80.

Es wirkt wie eine Blase, die irgendwann platzen wird.

Hummels: Das könnte sein. Es wäre doch aber eigentlich kein Problem. Wenn die Spieler dann wieder weniger kosten, könnte ich damit wunderbar leben.

Ihr Präsident, Uli Hoeneß, hat gesagt, 100 Millionen Euro sei kein Profi wert, und er werde dieses Spiel nicht mitspielen…

Hummels: Das kann man so sehen. Aber wenn Vereine so viel zahlen wollen, ist das für mich auch ok.

Wie war es im Sommer für Sie, den Erfolg beim Confed Cup am TV zu verfolgen?

Hummels: Ich habe mir viele Spiele angesehen. Das hat unglaublichen Spaß gemacht. Und ich habe schon gedacht: Ach, jetzt bei den Jungs auf dem Platz zu stehen, da hätte ich richtig Bock drauf. Aber wenn ich noch mal vor die Wahl gestellt werde, würde ich wieder den Urlaub wählen. Denn er war für uns, die viel beansprucht werden, wichtig.

Aber den Druck von hinten werden auch Sie spüren, oder nicht?

Hummels: Ja, aber ich bin dem sehr aufgeschlossen. Auch auf meiner Position. Wenn man sich zu sicher fühlt, ist das für die eigene Leistung kontraproduktiv. Wenn man jemanden im Nacken sitzen hat, bleibt man immer konzentriert. Das kann nur positiv sein.

Ist das im Moment der beste Kader, denn Deutschland je hatte, wie der Bundestrainer es gerade angedeutet hat?

Hummels: Es ist natürlich ein sehr starker Kader. Aber die Jungs von 1974 sollen ja auch nicht ganz so schlecht gewesen sein. (lacht)

Joachim Löw wirkt seit dem Confed Cup, als hätte ihn der Erfolgshunger noch einmal stärker gepackt. Spüren Sie das auch als Spieler?

Hummels: Ja, das kann ich unterschreiben. Das ist uns zuletzt auch schon aufgefallen. Er hat Feuer, er will noch richtig was mit uns holen. Und das überträgt sich auch auf uns.

Es gibt jetzt ja die Sprachreglung, nicht mehr von der „Titelverteidigung“ zu sprechen, sondern vom „Titelgewinn“. Spüren Sie schon, dass es jetzt wieder losgeht?

Hummels: Für mich kommt das erst nach der Auslosung im Dezember. Jetzt wollen wir mit den beiden Spielen gegen Tschechien und Norwegen möglichst die Qualifikation fix machen. Und dann schauen wir weiter.

Benedikt Höwedes steckte in einer schwierigen Situation auf Schalke. Haben Sie sich darüber gewundert, wie der Klub sich ihm gegenüber verhalten hat?

Hummels: Ich habe mit Benedikt darüber auch geredet. Ich habe es selber in Dortmund erlebt, dass auf einen Spieler eingeschlagen wird, wenn er nach langer Zeit den Klub verlässt. Dass es auch einmal anders herum laufen kann, sieht man bei Benedikt. Er war 16 Jahre auf Schalke, er war sechs Jahre lang Kapitän. In dieser Zeit hat er den Kopf für seinen Klub hingehalten. Ich kenne natürlich nicht alle Interna. Ich kenne Schalkes Beweggründe auch nicht. Aber für Benedikt muss es ein schwerer Schlag gewesen sein.

Braucht ein Klub gerade in diesen überhitzten Zeiten eine Identifikationsfigur?

Hummels: Ich denke ja. Spieler, die lange Zeit bei ihren Klubs sind, können eine Brücke zu den Fans bauen. Sicher ist, dass solche Typen jedem Klub gut tun.

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Thomas Müller ist bei Ihrem Klub Publikumsliebling und hat gerade einen schweren Stand. Wie sehen Sie seine Situation?

Hummels: Er hat dreimal von Anfang an gespielt und einmal nicht. Er hat gegen Bremen nach seiner Einwechslung super Dinge gemacht. Bei Thomas schaut man immer darauf, wie viel Tore oder Scorerpunkte er macht. Man vergisst dabei aber, dass er viele andere gute Dinge macht.

Fehlt ihm zurzeit die Leichtigkeit?

Hummels: Nein. Er hat unglaubliche Qualitäten. Er geht immer voran. Er ist sich für nichts zu schaden, ob defensiv oder offensiv. Er ist ein unglaublich wichtiger Faktor auf dem Platz und in der Kabine. Ich lasse auf ihn nichts kommen. Wenn er mal eine schlechtere Phase hat, darf man ihn nicht infrage stellen. Thomas ist ein Spieler, der jede Mannschaft besser macht.

Weiß das auch Trainer Carlo Ancelotti?

Hummels: (lacht) Das müssen Sie ihn fragen.

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Ihr Ex-Klub Dortmund hat zwar Ousmane Dembélé verloren, ist aber furios gestartet. Ist der BVB der größte Konkurrent um den Meistertitel?

Hummels: Ja. Ich denke, dass der Titel nur zwischen Bayern München und Dortmund ausgespielt wird. Ich kann mich auch täuschen. Aber das würde ich jetzt einmal so tippen.

Ist der BVB sogar noch stärker als letztes Jahr?

Hummels: Ja, das glaube ich. Die Qualität ist einfach da.

In einem Instagram-Video sieht man, dass sie von einem Balkon in einen Pool springen. Manche sagen, Sie seien Ihrer Vorbildfunktion nicht ganz gerecht geworden.

Hummels: Es gibt eine andere Perspektive, da sieht der Sprung komplett harmlos aus. Der Sprung war aus zwei Metern Höhe, das ist ja harmloser als im Schwimmbad. Ich komme im Pool nicht einmal auf den Boden auf. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, springt man in Deutschland gerne drauf an. Ich weiß nicht, ob das in anderen Ländern auch so wäre. Dass einige nur darauf lauern, dass man etwas macht, das ihrer Norm nicht entspricht. Diese Shitstorms im Internet – das ist schade. Jede Gelegenheit wird genutzt, um sich vielleicht selber in ein gutes Licht zu stellen, indem ich den anderen verurteile.

Posten Sie Ihre Beiträge alle selber?

Hummels: Ja. Der mit dem ich mich gelegentlich über Posts austausche, hat mir hier sogar geraten, den Sprung nicht zu posten. Aber er weiß, dass ich meinen eigenen Kopf habe.