Essen. München, Braunschweig, Essen: Fan-Krawalle mehren sich. Sind Stehplatz-Abschaffung und Körperscanner die Lösung? Martin Kind kritisiert den DFB.

Der Bericht der Münchener Polizei liest sich wie die Bilanz eines runden Geburtstages in einer Gartenlaube, der ein bisschen aus dem Ruder lief. Es habe fünf Festnahmen wegen Landfriedensbruchs gegeben, hieß es. Außerdem musste ein Beamter Pfefferspray einsetzen, weil er von einem wütenden Mann angegriffen wurde. Auch dieser Übeltäter wurde in Gewahrsam genommen. Zehn Beamte seien übrigens „leicht“ verletzt worden, weil ihnen Plastikstühle entgegenflogen.

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Wenn man die Bilder von Dienstagabend gesehen hat, mutet die Meldung, die die Polizei auf Twitter verbreitete, ziemlich absurd an. Der Fanmob von 1860 München tobte hemmungslos, weil die Löwen nach dem 0:2 gegen Regensburg in die dritte Liga stürzten.

Es wurden Plastiksitze aus der Verankerung gerissen und auf den Rasen geworfen. Ein Fangnetz ging in Flammen auf. Dann flogen in hohem Bogen Fahnenstangen auf das Feld, die das Leben der Spieler gefährdeten.

Kind: "Ernstzunehmende und gefährliche Entwicklung"

Nach einer 14-minütigen Unterbrechung wurde die Partie wieder angepfiffen, weil die Polizei befürchtete, dass bei einem Abbruch die Stimmung vollends eskaliert wäre und die Sicherheit der fast 60 000 Zuschauer dadurch in Gefahr geraten wäre.

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Nun stellt sich die Frage: Ist der Fußball längst in eine Gewaltspirale geraten, die sogar seine Existenz bedrohen könnte?

Martin Kind, Präsident von Aufsteiger Hannover 96, spricht in dieser Zeitung von einer „ernstzunehmenden und gefährlichen Entwicklung“, der man sich jetzt nicht entziehen dürfe, nur weil Sommerpause sei. „Es ist in den letzten Monaten zu beobachten, dass der Respekt in den Stadien immer mehr abnimmt und auch sämtliche Hemmschwellen fallen. Wir müssen aufpassen, dass es diesen Leuten, die dafür verantwortlich sind, nicht gelingt, den Fußball kaputt zu machen.“

Holzhäuser fordert personalisierte Eintrittskarten

Der Unternehmer aus Niedersachsen kritisiert den DFB, weil er die Klubs in der brenzligen Situation alleine lasse. „Wenn etwas passiert, ermittelt der Kontrollausschuss, und dann gibt es eine Geldstrafe. Aber damit löst man das Problem nicht. Was wir jetzt brauchen, ist eine gemeinsame Reaktion. Der DFB und die DFL müssen sofort die Meinungsführerschaft übernehmen und in der Sommerpause einen Runden Tisch mit den Klubs und den Behörden ins Leben rufen.“ Kind weiter: „Sonst befürchte ich, dass wir bald nicht mehr Herr des Verfahrens bleiben.“

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Man dürfe jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagt auch der ehemalige Ligaboss Wolfgang Holzhäuser, er spricht von einem „Sittenverfall“ und fordert drastische Konsequenzen: „Es muss jedem klar geworden sein, dass Körperscanner die einzige Möglichkeit sind, Zuschauer wirkungsvoll zu durchleuchten. Das reine Abtasten reicht nicht aus.“

Der ehemalige Geschäftsführer von Bayer Leverkusen fordert außerdem „personalisierte Eintrittskarten“. Die Einführung sei technisch kein Problem. Und wenn auch das alles nicht helfen sollte, müsse man auch über „Punktabzüge“ nachdenken.

Stehplätze abschaffen?

Dass sich Holzhäuser und Kind damit in der Fanszene keine Freunde machen, ist den Herren klar. Aber: Deshalb dürfe es in der Diskussion keine Tabus mehr geben, meint Kind selbstbewusst.

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„Die Gewalt“, sagt Kind, „hat zumeist in den Fankurven ihren Ursprung. Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob es weiter sinnvoll ist, an Stehplätzen festzuhalten. Seitdem die Politik in England entschied, dass nur noch reine Sitzplatzstadien zulässig sind, gibt es so gut wie keine Ausschreitungen mehr. Ich würde mir natürlich wünschen, dass es dazu in Deutschland nicht kommt. Aber wenn die Situation sich weiter verschärft, muss man auch darüber nachdenken.“

Wie sehr sogenannte Fans ihrem Verein schaden können, zeigt auch der Fall von Rot-Weiss Essen.

RWE droht Ausschluss vom Pokal

Wolfgang Jades, Leiter des Fußballausschusses im Fußballverband Niederrhein (FVN), sieht einen Zusammenhang zwischen den Ausschreitungen in München und den Vorkommnissen beim Finale des Niederrheinpokals in der vergangenen Woche.

Beim Spiel zwischen Essen und dem MSV Duisburg (0:2) hatten Chaoten Feuerwerkskörper gezündet und so dafür gesorgt, dass das Spiel für rund zehn Minuten unterbrochen wurde. Das soll Konsequenzen haben.

Vor der Verbandsspruchkammer soll auch über einen Ausschluss des Essener Regionalligisten aus dem Verbandspokal diskutiert werden. „Das will ich nicht ausschließen“, sagt Jades. So würde ein Effekt erzielt: „Dann machen wir den Verantwortlichen deutlich, dass sie ihrem Verein schaden.“ Das würde bedeuten, dass sich Rot-Weiss nicht für den lukrativen DFB-Pokal qualifizieren könnte.