Essen. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die Sportfunktionäre große Reformen vorgaukeln - und sich selbst rausmogeln. Ein Kommentar.

Die Kollegen von Spiegel Online haben in der Aufregung um die Handball-WM belegen können, wie der oberste Handball-Funktionär der Welt zuerst demokratische Prozesse aussetzte und danach selbst die Hand aufhielt. Der große TV-Deal des Ägypters Hassan Moustafa mit den Rechteinhabern in Katar kann uns deutsche Fernsehzuschauer nicht mehr aufregen. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die Sportfunktionäre große Reformen und eine Besserung vorgaukeln – und sich anschließend rausmogeln.

Vorgestern war es der TV-Deal im Handball. Gestern das Kuscheln von IOC-Präsident Thomas Bach beim Staatsdoping in Russland. Heute das unnötige Aufblähen der Fußball-WM auf 48 Mannschaften.

Auch interessant

Bis Dienstag will Fifa-Präsident Gianni Infantino seine Dankbarkeit ausdrücken, dass ihn die Mehrheit der 211 Fußballverbände weltweit zum Machthaber erkoren haben. Bei einem erweiterten Teilnehmerfeld dürfen in zehn Jahren wohl Nationen zur Weltmeisterschaft anreisen, die sportlich allenfalls zum Rivalen bei Provinzmeisterschaften taugen. Mit ein bisschen Glück begleitet sogar Burkina Faso die Demokratische Republik Kongo zum übernächsten Fest des internationalen Fußballs.

Jede Nation hat bei Infantinos Wiederwahl eine Stimme

Jede Nation hat ja bei Infantinos geplanter Wiederwahl 2019 eine Stimme. Was soll ihn also kümmern, was Europa dazu meint? Afrika hat die gleiche Zahl von Stimmen. Und Afrika wird sich dankbar zeigen. Wir lernen: Machenschaften sind nicht immer an Dollarzeichen erkennbar.

Neu ist: Das globalisierte Treiben dieser angeblichen Freunde des Sports spüren die deutschen Fans jetzt im eigenen Wohnzimmer. Denn früher konnte man sich allenfalls über das Gebaren der Funktionäre ärgern. Inzwischen betrifft’s einen selbst: Die Handball-WM gibt es ab Mittwoch nur im Internet, und bei der Fußball-Europameisterschaft im Sommer bekamen wir schon eine Vorahnung, wie ein Zweitliga-Kick die Turnierstimmung drückt.

Nur nicht wundern, wenn aus der Politikverdrossenheit allmählich eine Sportverdrossenheit erwächst.

Schreiben Sie uns unsere Meinung an: sport@funkesport.de

Diskutieren Sie mit dem Autor bei Twitter: @pitgottschalk