Manchester. Rund um den Fußball-Tempel Old Trafford rätseln die Fans von Manchester United über den Gegner ihres Teams in der Champions League. Vom deutschen Meister VfL Wolfsburg haben jedenfalls die wenigsten bislang etwas gehört.
Old Trafford – der Name klingt für Fußball-Freunde in aller Welt so verheißungsvoll wie für Opernfreunde der der Mailänder Scala oder der New Yorker „Met”. Ganz große Bühne also für den VfL Wolfsburg bei dessen allererstem Auswärtsspiel in der Champions League am Mittwoch (20.45 Uhr/ live im DerWesten-Ticker). Auf solchen Bühnen gastieren Weltstars. Aber Wolfsburg? Den Fans von Manchester United sagt der Name wenig bis gar nichts. „Sorry, die kenne ich nicht”, zuckt Michael im „Shakespeare” mit den Schultern. Dabei ist er ausgesprochener Fan des englischen Meisters. Michael hat sogar eine Dauerkarte, aber ein Ticket für das erste Champions-League-Heimspiel dieser Saison, die er per Vorkaufsrecht hätte bekommen können, wollte er nicht.
Kein Interesse am Duell mit Wolfsburg
„ManU” gegen Wolfsburg - das scheint in diesem Pub im North Quarter, so etwas wie die Altstadt von Manchester, keinen Menschen zu interessieren. Michaels Freunde schon gar nicht. Die sind Fans von Manchester City, dem großen Lokalrivalen, der seit etwas über einem Jahr mit Millionen-Unterstützung des neuen Besitzers Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan versucht, Englands Fußball-Krösus vom Thron zu stoßen.
Auf den Fernsehschirmen im „Shakespeare” läuft gerade City gegen West Ham United. Am Ende hat City gegen ein harmloses Gästeteam mit 3:1 gewonnen. Michaels Freunde jubeln, als wären sie nicht 40 bis 70, sondern 15 bis 30 Jahre alt. Dabei geht's im „Shakespeare” – im Vergleich zu diversen umliegenden Kaschemmen mitten im „City”-Revier – ausgesprochen gesittet zu. Sonst sollte sich Michael hier auch lieber nicht als „ManU”-Verehrer outen.
Die Klubs hassen einander. Beim Derby in Manchester hat die Polizei stets mehr zu tun als kürzlich beim Revier-Klassiker Borussia Dortmund gegen Schalke 04. Unvergessen noch das T-Shirt, mit dem die „Blues” von City ihren deutschen Mittelstürmer Uwe Rösler feierten, als der von 1994 bis 1998 hier spielte: „His Granddad bombed Old Trafford”, stand darauf („Sein Großvater bombardierte Old Trafford”). Machester United war wirklich nicht amüsiert.
Wolves, nicht Wölfe
Dagegen lässt das Gastspiel des VfL Wolfsburg Freund und Feind von United in Manchester offenbar ausgesprochen kalt. Stephen, obwohl City-Fan ein Freund von Michael, kam gleich von der Arbeit auf dem Bau ins „Shakespeare”. Das zeigen der Staub und die Farbflecken auf seiner Hose. Ob die deutschen „Wölfe” („Wolves”) den Favoriten stürzen können? Stephen hat wenig Hoffnung. Beim Stichwort „Wolves” fallen ihm höchstens die Wolverhampton Wanderers aus der Premier League ein. Wolfsburg kennt er genauso wenig wie die anderen hier.
Manchmal trifft man in Manchester allerdings auch besser informierte Fußball-Fans. „Haben die nicht die German Bundesliga gewonnen?” fragt vor dem um die Ecke liegenden Hotel „Sasha” Justin, der mit Freundin Amanda nach dem 3:1 über West Ham in sein Quartier zurückkehrt. Die beiden sind vielleicht die einzigen in der Stadt, die am Montag in „City”-Blau und am Mittwoch in „United”-Rot ins Stadion gehen. Sie sind aber auch nicht von hier. Die beiden kommen aus Brisbane in Australien und machen eine Europa-Reise. Erst eine Woche Griechenland, dann eine Woche Italien, und zum Abschluss wollen sie in England „so viele Fußballspiele wie möglich” sehen.
War's denn nicht schwierig, an eine Eintrittskarte zu kommen? „Ach was”, sagt Justin, „im United-Shop bei Old Trafford gab's noch jede Menge. Alle Kategorien.”
Sicher ist jedenfalls: Unter den Zuschauern werden heute viele Touristen sein – wie üblich in Manchester. Spiele von United gehören zu den größten Attraktionen, die die alte Industriemetropole zu bieten hat. An der Rezeption des „Sasha” erzählt Reena, eine Tochter indischer Einwanderer: „Vor allem aus Norwegen kommen jedes Mal große Gruppen.” Ob denn die den VfL kennen?
Zehn Fakten über Wolfsburg - die Vereinfarben sind Grün und Weiß
Um die Wissenslücken zu schließen, hat der „Manchester Evening Standard” gestern „zehn wichtige Fakten über Wolfsburg” veröffentlicht. Unter anderem erfährt der Leser da, dass die Vereinsfarben Grün und Weiß sind, dass der VfL zum ersten Mal Deutscher Meister ist, dass der Star des Teams Edin Dzeko heißt, und dass die Stadt Heimat des Volkswagenwerks ist und in Niedersachsen liegt. Damit soviel schon mal klar wäre.