Dass Mesut Özil ein großes Talent ist und viele Qualitäten hat, bleibt unbestritten. Dass der 20-Jährige aber jüngst zum neuen Regisseur der Nationalmannschaft auserkoren wurde, ist verfrüht. Sieben Bundesligatore machen ihn noch lange nicht zum neuen Thomas Häßler.

Wer als 18-Jähriger für die gigantische Ablösesumme von 5,5 Millionen Euro vom FC Schalke 04 zu Werder Bremen wechselt, ein feines linkes Füßchen und großen Ehrgeiz hat, der steht bereits früh oben auf der Bühne Bundesliga: Es ist unbestritten, dass Mesut Özil ein großes Fußballtalent ist – dass er allerdings jetzt zum neuen kreativen Spielmacher der deutschen Nationalmannschaft auserkoren wird, ist reichlich verfrüht. Um in die riesigen Fußstapfen von Thomas Häßler oder gar Wolfgang Overath zu treten, mit denen er jüngst bereits verglichen wurde, fehlt dem Deutsch-Türken noch einiges. Und zwar nicht nur ein Weltmeistertitel.

Seit 2006 hat Özil in 74 Bundesligaspielen für Schalke (2006-08) und Werder (seit 2008) zwar respektable 21 Torvorlagen gegeben – sieben Treffer allerdings sind für einen offensiven und gerne auch zentralen Mittelfeldspieler viel zu wenig. Seine angebliche Torgefährlichkeit wurde in der deutschen Öffentlichkeit und der Fußball-Prominenz, vor allem wegen des Tores gegen Südafrika, reichlich gerühmt. Die Statistik spricht aber derzeit (noch?) eine andere Sprache.

Özil steht noch am Anfang

Das Südafrika-Länderspiel, in dem der Bremer seine Startelf-Premiere für die A-Nationalmannschaft feierte und zum 2:0 traf, löste eine regelrechte Özil-Euphorie aus. Gesagt werden muss aber: Özil steht noch am Anfang seiner Karriere. Einer, der eben noch unbekümmerter Teenager war und bei Schalke II in der Oberliga Westfalen spielte - und heute neugierigen Sportreportern stolz sein schickes Haus zeigt. Seine Leistungen waren in der Vergangenheit oft sehr schwankend, was frustrierend, aber auch völlig normal ist für einen 20-Jährigen.

Mesut Özil wird künftig noch mehr einstecken müssen. Foto: Getty Images
Mesut Özil wird künftig noch mehr einstecken müssen. Foto: Getty Images © Bongarts/Getty Images

In der vergangenen Bundesligasaison etwa versagte er in den Partien beim VfB Stuttgart (1:4) und beim VfL Bochum (0:0/Rote Karte nach Tätlichkeit an Zdebel) völlig. Zudem konnte er dem international höheren Niveau der Champions League nicht standhalten, Özil stand klar im Schatten von Werder-Regisseur Diego (Ausnahme: 2:1 gegen Inter Mailand). Und: Bei der U21-Europameisterschaft in Schweden, bei der er den Titel holte, schoss er lediglich einen Treffer. Also gilt: Lieber den Ball flach halten, von Mesut Özil nicht zu viel einfordern.

Immer mal wieder wird seine Defensivschwäche deutlich, weshalb es auch kein Wunder ist, dass er mit zwei Mittelfeld-Abräumern im Rücken (Ballack/Rolfes) gegen Südafrika alle Freiheiten hatte und sorglos losdribbeln konnte. Nach der Partie äußerte Özil seine große Freude darüber, dass Michael Ballack ihn „sehr gut gecoacht“ habe. Heute gegen Aserbaidschan wird neben Ballack wahrscheinlich Thomas Hitzlsperger damit beschäftigt sein, verloren gegangene Bälle wieder zu holen.

Gegner der dritten Kategorie

Ein Problem im Nationalteam könnte künftig sein, dass es bei Joachim Löw die 10er-Position eigentlich gar nicht gibt. Vor der Abwehr-Viererkette hielten bislang zwei äußere und zwei zentrale Mittelfeldspieler (auf Linie oder in Raute) die Stellung, ganz vorne jagen zwei Stürmer den Bällen hinterher. Gegen die Südafrikaner, die als Weltranglisten-73. allenfalls ein Gegner dritter Kategorie waren, änderte Löw für Mesut Özil die Taktik. Wahrscheinlich darf der 20-Jährige auch heute Abend gegen Aserbaidschan wieder als Regisseur im Zentrum ran – dass Löw künftig in wichtigeren Spielen (etwa gegen Russland am 10. Oktober) wieder eine Nummer 10 aufstellt, darf stark bezweifelt werden.

Özils guter Eindruck könnte ihm allerdings auch zur Rolle auf der linken Außenbahn verhelfen. Piotr Trochowski hieße dann sein Konkurrent. Gegen den muss er sich dann erstmal durchsetzen. Das wird nicht einfach. Also, liebe Özil-Fans: Bitte den Ball flach halten.