Gleich zwei Mal kam es am vergangenen Fußball-Wochenende zu Ausschreitungen. Beide Male im Ruhrgebiet – einmal in Essen, einmal in Bochum. Eine weitere Gemeinsamkeit: Es waren jeweils die Fans der Gastmannschaft, die randalierten.

Beim Spiel der Rot-Weissen aus Essen gegen Fortuna Düsseldorf flogen aus dem Düsseldorfer Block Feuerwerkskörper auf das Spielfeld, das Spiel musste mehrfach unterbrochen werden. Professor Gunter A. Pilz, Soziologe und Fan-Experte von der Universität Hannover, wundert sich nicht: „Essener und Düsseldorfer sind ja als Problemgruppen bekannt.“ In den beiden Städten seien darum die Fanprojekte auch nicht eingestellt worden, obwohl beide Vereine nur unterklassig spielen. „Der Abstieg macht die Probleme eher noch größer“, weiß Pilz. Der Grund: In den Stadien der unteren Ligen gibt es keine Videoüberwachung, viele gemäßigte Fans bleiben zu Hause, während Ultra-Gruppierungen weiterhin ihre Mannschaft überallhin begleiten.

Die Düsseldorfer hätten, so Pilz, in Essen die Gelegenheit genutzt, in einem kleinen Stadion zu zündeln: „In Düsseldorf haben die einen Hochsicherheitstrakt. Da können die sich das nicht erlauben.“ Das Georg-Melches-Stadion hingegen sei alt und „im Umbau begriffen“, biete Krawallmachern bessere Möglichkeiten. Generell sei zu beobachten, dass es eher mit Auswärtsfans zu Problemen komme. „Zu Hause wissen sie, dass sie ihrem Verein schaden“, sagt Pilz. Bei Heimspielen gebe es darüber hinaus eine Art sozialer Kontrolle durch die Mehrheit der friedlichen Fans. Aus soziologischer Sicht sei zusätzlich auch noch eine Art Revierverhalten im Spiel. Die Gäste randalieren im Revier der Heimfans, die wiederum nicht selbst einschreiten können. Die besonderen Umstände einer Auswärtsfahrt verstärken das Gewaltpotential noch: Viele Fans trinken im Zug, reisen als geschlossene Gruppe an und werden schon am Bahnhof von einer geballten Polizeimacht empfangen. Probleme sieht Pilz auch bei den privaten Ordnungsdiensten. „Die müssen vernünftig geschult werden. Wir wissen aber, dass es oft Probleme mit Ordnern gibt, die selbst gewaltbereit sind.“ Manchmal stellen die privaten Sicherheitskräfte sogar die Personalien von Fans fest – das darf nur die Polizei. „Das schaukelt sich dann schnell hoch“, so der Forscher. „Fans müssen oft vor dem Ordnungsdienst geschützt werden.“

Fans werden provoziert

So geschah es laut Angaben von Karlsruher Anhängern auch in Bochum. Dort habe es Tumulte gegeben, nachdem Ordner einigen KSC-Fans nicht erlaubten, eine große Fahne mit in den Block zu nehmen. Was wirklich passiert ist, ließ sich bislang nicht klären. „Wir haben selbst von unmittelbar beteiligten Personen völlig gegensätzliche Aussagen“, so KSC-Sprecher Jörg Bock. In KSC-Foren wird der Polizei eine Mitschuld zugesprochen. Der Eingang zum Gästeblock sei zu klein gewesen, und erst durch das massive Einschreiten der Polizei sei es zu Unruhen gekommen.

Auch Pilz sieht in vielen Fällen eine Mitschuld bei der Polizei. „Oft werden strategische Fehler gemacht“, wirft Pilz den Gesetzeshütern vor. „Ultras haben prinzipiell ein gestörtes Verhältnis zur Polizei“, erklärt der Soziologe. Das gelte selbst für die friedliche Mehrzahl der Ultras, die sich bei Polizeieinsätzen oft mit den Gewalttätern solidarisiere, statt schlichtend einzugreifen. Dennoch werden Fans bei der Anreise von Hundertschaften mit und Panzeranzügen erwartet. „Dass das provoziert, ist doch logisch“, so Pilz.

Dass es auch anders geht, hat eine neue Strategie beim Spiel Hannover 96 gegen Werder Bremen gezeigt. Ausgerechnet bei dieser sehr konfliktträchtigen Begegnung verhielt sich die Polizei sehr defensiv und hielt ihre Einsatzhundertschaften zurück. Stattdessen agierten die Sicherheitskräfte mit so genannten Konfliktmanagern, die über ihren Uniformen leuchtende Westen trugen und nicht auf den ersten Blick als Polizisten zu erkennen waren. Pilz: „Das war sehr deeskalierend. Es kam zu keinen Ausschreitungen“, lobt Pilz die Strategie. Er habe sogar gesehen, dass Bremer Ultras sich bei den Konfliktmanagern bedankt hätten: „Mensch, mit euch kann man ja sogar reden.“

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