Essen. Der Nationaltrainer der USA spürt Gegenwind. Doch Jürgen Klinsmann bleibt wie immer optimistisch – und schwärmt von BVB-Talent Christian Pulisic.

So kennen wir ihn. Es ist noch keine zwei Wochen her, als sie ihm in den USA attestierten, der Regisseur einer „Horror-Show“ zu sein, aber was kann so eine 0:2-Niederlage der von ihm trainierten US-amerikanischen Fußball-Nationalmannschaft in Guatemala dem unerschütterliche Optimisten Jürgen Klinsmann schon anhaben? Sein Team hat das Rückspiel vier Tage später mit 4:0 gewonnen, ist als Tabellenzweiter in der ersten Qualifikationsrunde für die Weltmeisterschaft 2018 in Russland nun doch wieder auf Kurs, und schon sagt der frühere Bundestrainer in einer Telefonkonferenz mit deutschen Sportjournalisten lachend: „Es ist doch ein gutes Zeichen, wenn Kritik geübt wird oder sogar Panik aufkommt. Das zeigt doch nur, dass der Fußball bei uns einen enormen Schub bekommen hat.“ Früher wäre den Amerikanern eine Fußballpleite egal gewesen. Dass sie gelernt haben, sich darüber aufzuregen, empfindet der 51-jährige Deutsche als Fortschritt.

Seit knapp fünf Jahren trainiert der Sommermärchenprinz von 2006 die besten Fußballer seiner Wahlheimat, bis 2018 ist sein Vertrag datiert, und natürlich gibt einer wie er sich nicht mit der WM-Qualifikation zufrieden: „Wir wollen in Russland nicht nur die Gruppe überstehen, sondern auch mal das Viertel- oder gar Halbfinale angreifen. Dafür boxen wir jetzt auch mal aggressiv Talente durch. Das können etablierte Spieler oder Medien oft nicht verstehen. Wenn ich den Amerikanern erkläre, dass Resultate manchmal nicht so wichtig sind wie die Entwicklung junger Spieler, dann schauen sie mich mit großen Augen an.“

Freude über Deutschlands Sieg

Ein Juwel hat Klinsmann bei Borussia Dortmund entdeckt. Im zweiten Spiel gegen Guatemala feierte der erst 17-jährige Christian Pulisic sein Länderspieldebüt, der Schwabe schwärmt: „Er ist ein unglaubliches Talent. Es kommt ja nicht alle Tage vor, dass sich ein Spieler so früh nach Europa traut und sich dann noch bei einem so großen Klub wie dem BVB durchkämpft. Das wird hier häufig auch nicht verstanden, dass ich den Nationalspielern empfehle, nach Europa zu gehen. Ich will, dass sie in der Champions League spielen.“

Er führt einen schweren Kampf, weil die Amerikaner es gewohnt sind, in vier großen Team-Sportarten top zu sein. Geduld ist für sie ein Fremdwort, genau die aber predigt er hartnäckig. Anfang Juni sind die USA Gastgeber der Copa America, schon die Vorrunde hat es mit Spielen gegen Kolumbien, Costa Rica und Paraguay in sich. „Das Turnier ist eine ganz große Chance für uns“, sagt Klinsmann. „Wir haben zwar eine Hammergruppe erwischt, aber wir gehen da durch.“

Rückschläge fürchtet er nicht, damit kennt er sich aus. Vor zehn Jahren herrschte in Deutschland nach einem 1:4 in Italien drei Monate vor der Heim-WM Weltuntergangsstimmung. Daran fühlte sich Klinsmann in der vergangenen Woche erinnert, als das aktuelle deutsche Team 4:1 gegen Italien in München gewann: „Sofort habe ich Jogi Löw geschrieben, dass sie das aber schön gedreht haben. Ich habe das sehr genossen.“