Essen. Ein Nationalspieler, der vor der EM Partys bevorzugt, während sein Verein dahindümpelt, hat das DFB-Leistungsprinzip nicht verstanden. Ein Kommentar.

Bundestrainer Joachim Löw hatte gar keine Wahl: Er musste den Wolfsburger Max Kruse aus seinem Kader streichen, sonst wäre ihm die Kontrolle über seine Mannschaft entglitten. Ein Nationalspieler, der zwölf Wochen vorm Turnier-Auftakt Partys bevorzugt, während seine Vereinsmannschaft dahindümpelt, hat das Leistungsprinzip beim DFB nicht verstanden. Der muss weg. Löw brauchte eine Musterleiche.

Seit den Rücktritten von Kapitän Philipp Lahm und dessen Co-Piloten Per Mertesacker und Miroslav Klose ist in der Nationalmannschaft ein Machtvakuum entstanden, das ihm gefährlich werden kann. Dem Team fehlt es an Leitwölfen, die das Rudel anführen und die Regeln aufstellen. Wohin Schlendrian führt, erlebte Deutschland nach dem Titel 1990: Ohne Kapitän Lothar Matthäus und Rudi Völler, der sich im ersten Spiel verletzte, rumpelte der Weltmeister zur peinlichen EM-Finalpleite 1992.

DFB-Suspendierung wiegt schwerer als eine Geldstrafe

Mit dem Durchgreifen sendet Löw das Signal an seine Nationalspieler: Bis hierher und nicht weiter! Über eine Geldstrafe von 25 000 Euro, wie sie Kruse beim VfL Wolfsburg angeblich bezahlen soll, lacht ein Bundesliga-Spieler heimlich. Nicht aber über eine DFB-Suspendierung.

Als Löw seinerzeit Kevin Kuranyi aus dem erlauchten Kreis entfernte, verfehlte er die Wirkung nicht. Jeder sah: Mit mir ist nicht zu spaßen. Jetzt als Weltmeister ist eine Linie, die bedingungslose Fokussierung verlangt, alternativlos: So nebenbei, das zeigte die EM-Qualifikation ja, wird Deutschland bei der Euro 2016 nicht Europameister. Als Berti Vogts vor zwanzig Jahren eine Hierarchie ohne Matthäus geschaffen hatte, gewann er endlich seinen Titel.

Ausdrücklich wurde Max Kruse nicht grundsätzlich vom EM-Kader ausgeschlossen. Eine Rückkehr ist unwahrscheinlich, aber möglich – und nur mit sehr guten Leistungen. Ganz im Sinne von Jogi Löw.

Pit Gottschalk auf Twitter: @pitgottschalk