München. Im Exklusiv-Interview spricht der Bayern-Torwart und Welttorhüter über den Rückrundenstart, den Guardiola-Abschied und Aubameyang-Gerüchte.

  • Am Freitag beginnt die Rückrunde mit dem Spiel HSV gegen FC Bayern.
  • Wir haben uns mit Bayern-Torwart Manuel Neuer unterhalten.
  • Im Exklusiv-Interview spricht Neuer über den Rückrundenstart, den Guardiola-Abschied und Aubameyang-Gerüchte.

Drehtermin in der alten Schlafwagen-Fabrik in München-Pasing. Am Tag nach der Testspielpleite in Karlsruhe kommt Manuel Neuer (29) ziemlich entspannt zu den Filmaufnahmen für den Elektronik-Konzern Sony. Bevor die TV-Spots für die Kamera a6000 im Frühjahr anlaufen, dürfte der Bayern-Torhüter seine vierte Meisterschaft in Folge gefeiert haben. Oder etwa nicht? FUNKE-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk (Twitter: @PitGottschalk) sprach vor dem Rückrundenstart am Freitagabend beim Hamburger SV mit dem Welttorhüter.

Wir hatten schon befürchtet, dass Sie schlechte Laune hätten nach dem 1:2 im Testspiel gegen Karlsruhe.

Manuel Neuer: Nein, alles gut. Überhaupt kein Problem. Es war ein Testspiel. Was zählt ist Hamburg.

Manuel Neuer (r.) im Gespräch mit FUNKE-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk (l.) in einer Fotokulisse für Sony-Werbeaufnahmen.
Manuel Neuer (r.) im Gespräch mit FUNKE-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk (l.) in einer Fotokulisse für Sony-Werbeaufnahmen. © sportbibel.de

Oder wird man nervös, wenn man weiß, dass Trainer Pep Guardiola am Saisonende Bayern München verlässt?

Neuer: Das ist für uns kein Problem. Der Trainer hatte einen Dreijahresvertrag unterschrieben, und diesen Vertrag erfüllt er. Wir wissen, dass ein Klubwechsel zum Geschäft gehört. Das ist bei uns Spielern nicht anders. Wir sind alle Profis. Da wird kein Spieler weniger oder mehr Leistung bringen. Sondern genauso Leistung bringen, wie wenn der Trainer bleiben würde. Da verändert sich nichts.

Ab wann ist für Sie die Saison eine erfolgreiche Saison? Die Meisterschaft wird quasi schon abgehakt, dass sie erreicht ist.

Neuer: Das sehe ich überhaupt nicht, dass die Meisterschaft abgehakt ist. Wir hatten gegen Hannover das letzte Spiel. Während des Spiels hatten wir nur drei Punkte Vorsprung vor Dortmund, am Ende waren es doch acht – das kann alles ganz schnell gehen. Wir bekommen nichts geschenkt. Gegen keine Mannschaft. Jeder ist darauf aus, Bayern München zu schlagen. Es wird nicht einfacher. Wir müssen immer achtsam sein und können nicht sicher sein, dass alles von alleine kommt. Keine Mannschaft in der Bundesliga-Geschichte hat es geschafft, vier Meisterschaften in Folge zu gewinnen. Das ist jetzt unser größtes Ziel. Und das wird eine harte Aufgabe für uns.

Wo sehen Sie Gefahren? Dass es wieder Verletzungen gibt?

Neuer: Das hatten wir in der Hinrunde, und das haben wir dann gut kompensiert. Wir haben einen breiten guten Kader. Trotzdem gehören Verletzungen zum Fußball dazu. Und auch eine Formschwäche. Das ist ganz normal, dass man so etwas mal bekommt. Wir dürfen es nur nicht herbei schreien.

Noch einmal: Ab wann wäre die Saison für Sie erfolgreich?

Neuer: Für mich wäre die Saison schon erfolgreich, wenn wir Deutscher Meister werden.

Voriges Jahr schienen in München alle unglücklich trotz der Meisterschaft zu sein, weil die Mannschaft im Halbfinale der Champions League gegen Barcelona ausgeschieden ist.

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Neuer: Wir haben gegen den späteren Champions-League-Sieger verloren, ja. Keiner wünscht sich Niederlagen. Jeder will bis zum Ende dabei sein. Wir lechzen nach jedem Titel. Die Tagesform kann alles entscheiden. Das haben wir gegen Barcelona gesehen. Das Hinspiel hat uns das Genick gebrochen.

Informiert man sich schon irgendwie über den neuen Trainer Ancelotti?

Neuer: Ich tue das nicht. Man ist im Geschäft und weiß, wie der eine oder andere funktioniert. Ancelotti ist kein unbekannter Trainer . Er hat in einigen großen Vereinen schon Erfolg gehabt und sehr gute Arbeit verrichtet.

Aber von der Spielphilosophie tickt er schon anders als Guardiola.

Neuer: Jeder Trainer bringt sein eigenes Handwerk mit. Bei uns hat sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren auch einiges verändert. Trotz des Triple-Gewinns vorher von Jupp Heynckes. Da hätte man auch sagen können: Wir machen einfach so weiter. Aber jeder hat seinen eigenen Stil. Das Gute für uns Spieler ist, dass man nie auslernt, sondern neue Sachen erfährt.

So denkt Bayern-Torwart Neuer über den Hamburger SV 

Schaut man als Kollege drauf, wenn es wie zuletzt bei Mario Götze Gerüchte gibt, dass er Bayern verlässt? Sie sind ja eher eine treue Seele.

Neuer: Für mich ist der FC Bayern erst der zweite Verein meiner Karriere. Ich bin eher jemand, der sich Entscheidungen lange durch den Kopf gehen lässt und dann dahinter stehen muss. Bei mir ist es auch so, dass ich einen vergleichsweise sicheren Job habe. Dann kann ich etwas anders planen als ein Feldspieler. Bei Mario ist es etwas anders. Er hat schwere Zeiten hinter sich. Mit Verletzungen, die ihn zurückgeworfen haben. Gerade auch in Situationen, als er im Saft war und gute Spiele gemacht hat. Und bei ihm ist es auch so, dass er noch ein paar Jahre mehr vor sich hat. Er wird jetzt nicht seinen letzten Vertrag unterschreiben.

Wenn man sieht, was in England los ist und gezahlt wird: Kriegt man dann selbst mal Wechselgedanken? Bei Bayern haben Sie alles gewonnen, was man gewinnen kann.

Neuer: Ich bin immer motiviert. Egal, in welchem Verein ich spiele. Mir macht Fußball Spaß. Ich liebe den Wettkampf und mich mit den Besten zu messen. Ich fühle mich deshalb beim FC Bayern wohl. Aber ich kann auch nicht ausschließen, dass ich irgendwie mal auf die Idee komme, etwas anderes zu machen. Aber grundsätzlich sind ja die Zeichen mit dem Vertrag bis 2019 gesetzt. Und wir haben erst Januar 2016.

Manuel Neuer (r.) mit FUNKE-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk (l.) in einer Fotokulisse für Sony-Werbeaufnahmen.
Manuel Neuer (r.) mit FUNKE-Sport-Chefredakteur Pit Gottschalk (l.) in einer Fotokulisse für Sony-Werbeaufnahmen. © sportbibel.de

Der HSV hat alle drei Testspiele verloren, und gegen die Hamburger haben Sie meistens nicht viel zu tun gehabt.

Neuer: Moment, auswärts haben wir uns gegen den HSV immer schwer getan. Es gab ein paar Spiele, in denen es ein bisschen hin und her ging. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht die Ordnung verlieren. Ich kann mich an ein Spiel erinnern, in dem die Hamburger sehr aggressiv waren. Auch beim 0:5 in der Hinrunde haben sie uns früh gepresst und zeigten ein anderes Auftreten als in den Jahren vorher.

Verfolgt man das romantisch, wenn der Traditionsklub Hamburger SV jahrelang im Abstiegskampf steckt – oder ist einem Profi das egal?

Neuer: Egal ist mir das nicht. Es ist nicht so, dass wir permanent nur auf uns schauen. Wir wollen wissen, gegen wen wir spielen, und es gibt Mannschaften wie den HSV, die in die erste Liga gehören.

Hätte der HSV den Abstieg nicht verdient gehabt?

Neuer: Nein, das kann man nicht sagen. So ist halt die Regel: Es gibt zwei Mannschaften, die in der Relegation spielen, und da hat sich der HSV mit Ach und Krach durchsetzen können. Deshalb haben sie es verdient, in der ersten Liga zu spielen.

Hatten Sie Mitleid mit dem HSV-Torwartkollegen Rene Adler, der zwei Jahren gegen den Abstieg kämpfen musste?

Neuer: Wir Torhüter sind eine eigene Klientel. Wir trainieren öfter unter uns alleine und haben deshalb ein intensiveres Verhältnis. Man wünscht keinem einzigen, dass er ein schlechtes Jahr hat und dass er schwierige Zeiten erleben muss. Aber diese Zeiten gehören zum Fußball halt dazu.

Sie sind ja 2010 nur deshalb Stammtorwart der Nationalmannschaft geworden, weil sich Rene Adler vor der Weltmeisterschaft verletzt hat. Er war eigentlich als Nummer 1 gesetzt. Haben Sie mit ihm jemals darüber gesprochen?

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Neuer: Nein, darüber gesprochen haben wir nicht. Es war damals lange offen, wer die Nummer 1 wird. Nach dem letzten Testspiel gegen Argentinien hat Jogi Löw bekannt gegeben, dass er Rene Adler vorzieht. Natürlich war das eine bittere Pille für mich. Ich habe das akzeptiert und weiter an mir gearbeitet. Dadurch dass Rene Adler sich an der Rippe verletzt hat, wurde ich die Nummer 1 und musste meinen Mann in Südafrika stehen.

Hat Rene Adler Chance auf ein Comeback in der Nationalelf?

Neuer: Ich weiß das nicht und es ist auch nicht meine Aufgabe. Er hat eine gute Hinrunde gespielt und steht sicher auf dem Zettel von (Torwarttrainer) Andi Köpke.

Wie groß ist die Chance der Nationalmannschaft bei der EM 2016? War ja kein so dolles Jahr 2015…

Neuer: Es geht erst im Sommer los. Bis dahin haben wir zwei Freundschaftsspiele. Wir wissen, dass wir an uns arbeiten müssen. Wir haben nicht wirklich die perfekte Qualifikation gespielt. Vielleicht haben wir uns auch ein bisschen Luft nach oben gelassen.

Wie stark ist die Nationalelf ohne Lahm, Mertesacker und Klose gegenüber der WM?

Neuer: Man kann das nicht vergleichen. Einige Nationalmannschaften haben sich verändert. Wir mussten das kompensieren und haben dafür auch einige Zeit gebraucht. Ich hoffe, dass wir unsere Höchstform bei der Europameisterschaft erreichen.

Ehrlich gesagt, macht die Abwehr ein bisschen Sorgen.

Neuer: Ja gut, ich bin ja unmittelbar betroffen davon. Ich gehöre zur Abwehr dazu. Wir hatten auch nie wirklich die Zeit, miteinander zu arbeiten. Das haben wir immer vor den Turnieren. Man hat dann gemerkt, dass die Dinge, die wir einstudiert und trainiert haben, gefruchtet haben.

Warum sich Neuer über den Titel des Welttorhüters freut 

Sie wurden 2015 zum dritten Mal weltbester Torhüter. Wir hatten angenommen, dass Sie bei der Fifa-Ehrung in Zürich dabei sind. Waren Sie aber nicht. Durften Sie nicht – oder wollten Sie nicht?

Neuer: Wir hatten ein sehr kurzes Trainingslager diesmal. Wir sind am 12. Januar wieder zurückgekehrt. Da liegt die Entscheidung natürlich beim Verein, ob ich im Trainingslager bleibe oder ob ich vorher für die Wahl am 11. Januar abreise. Ich hätte danna zwei Trainingseinheiten verpasst. Das verstehe ich. Dennoch ist es für mich schade, wenn von den elf geladenen Spielern einer fehlt, und dann noch die Torwartposition. Dass ich nicht anreisen durfte, ist schade für mich.

Freut man sich über den Titel des Welttorhüters?

Neuer: Ja. Wenn es eine Auszeichnung gibt, die für einen Torwart etwas Besonderes ist international, dann ist es diese. Die anderen Auszeichnungen haben nicht so ein Gewicht und eine Ausstrahlung wie die des Welttorhüters.

Wie sieht man das als Torwart, wenn ständig die Entscheidung beim Weltfußballer des Jahres immer nur zwischen Messi und Ronaldo fällt? Ist das langweilig?

Neuer: Die zwei haben sich das erarbeitet. Sie stehen total im Rampenlicht. Nicht nur im Fußball, sondern auch in der Vermarktung. Die ganzen Werbedeals, die die zwei machen, das ist eine Dimension, da kommt kein anderer Spieler ran. Ich denke auch, vom Fußballerischen her sind das mit die besten Spieler, die es zurzeit gibt. Das haben sie sich verdient. Das wird schwer, den einen oder anderen vom Thron zu stoßen.

Verstehen Sie die Kritik von Philipp Lahm, der sagt, dass die Wahl des Weltfußballers nur nach Marketing-Gesichtspunkten entschieden wird?

Neuer: Das weiß ich nicht, ob das nach Marketing-Gesichtspunkten entschieden wird. Die haben sich halt den Namen erarbeitet. Die Wahl treffen die Nationalkapitäne und Nationaltrainer, und es wählen nicht nur die 50 besten Nationen, sondern auch die restlichen aus Asien, Afrika und Mittelamerika. Und die haben nicht alle zu 100 Prozent professionell mit Fußball zu tun. Da ziehen solche Namen wie Messi und Ronaldo.

Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen als Torhüter damit die Anerkennung verwehrt bleibt? Immerhin haben Sie das Torwartspiel revolutioniert.

Neuer: Nein. Ich war auch im letzten Jahr glücklich gewesen, dass ich unter den letzten drei dabei war. Es ist ganz schwer, da überhaupt hinzukommen. Und noch schwerer, den Ballon d’Or zu gewinnen. Zur jetzigen Zeit müsste schon ein Wunder passieren, dass Messi und Ronaldo nicht ganz oben stehen.

Sie sagten, Sie schauen auch, was andere Vereine so machen. Unglaublich ist ja, was der Aubameyang gerade in Dortmund leistet. Ist der vom BVB noch zu halten?

Neuer: Dazu kann ich nichts sagen. Erstens kenne ich nicht seinen Vertrag und zweitens nicht die Konstellationen in Dortmund. Es ist so, dass er im Rampenlicht steht, Afrikas Fußballer des Jahres geworden ist und macht einen sehr guten Job beim BVB. Aktuell spielt er noch in Dortmund. Es ist die Frage, was er selber will. Ob er sich wohlfühlt. Er hat besondere Fähigkeiten bei seiner Schnelligkeit und ist schwer zu halten bei Kontermöglichkeiten. Er hat sich beim Abschluss stark verbessert. Im ersten Jahr hat er nicht jede Chance 100-prozentig genutzt. Er ist cooler geworden vor dem Tor und nutzt seine Chancen.

Würde so einer zu Bayern passen?

Neuer: Ich kenne ihn als Typ nicht. Ich spiele bei Bayern und denke, dass Top-Spieler immer zu Bayern passen.

Überrascht von Hertha BSC?

Neuer: Sie haben es sehr gut gemacht. Sie spielen einen tollen Fußball. Der Star bei Hertha ist die Mannschaft. Der Trainer macht’s sehr gut, Hertha stellt sich sehr kompakt auf den jeweiligen Gegner ein und verteidigen sehr gut. Sie machen nicht so viele Tore, aber haben in der Defensive eine gewisse Stabilität. Das tut der Hertha gut.

Laufen schon Wetten mit Alexander Baumjohann?

Neuer: Nein, ich hoffe nur, dass er wieder regelmäßig spielt. Er hatte eine langwierige Verletzung am Knie und hat jetzt in der Hinrunde ein paar Einsatzzeiten bekommen. Ich hoffe, dass er jetzt Stammspieler wird.