Newcastle. . Die 0:2-Niederlage beim Abstiegskandidaten Newcastle United schmerzte Liverpools Cheftrainer Jürgen Klopp ebenso wie die schwache Leistung. Eine Reportage aus dem St. James Park im Nordosten Englands.
Als der Abpfiff ertönt, erlebt die Premier League einen anderen Jürgen Klopp. Der Motivator, der seit seinem Amtsantritt im Oktober ganz England fasziniert, schlüpft in die Rolle, die er vor allem in seiner letzten Saison bei Borussia Dortmund häufig inne hatte: Klopp wird zur trostspendenden Vaterfigur. Erst nimmt er seinen Stürmer Daniel Sturridge in den Arm, dann herzt er nach und nach alle weiteren Spieler des FC Liverpool, die gerade aus dem Siegesrausch der vergangenen Wochen gerissen wurden.
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Die erschreckend schwache Leistung beim 0:2 gegen den Tabellenvorletzten Newcastle United bedeutet nicht das Ende der Klopp’schen Festwochen. Doch die Partie zeigt, dass der 48-Jährige keine Wunder vollbringen kann. Liverpool und Klopp sind in der Realität angekommen.
Die Fans lachen mit Klopp
Ein paar Stunden zuvor hat die Liverpooler Fußballwelt noch keine Risse. Newcastle am Nikolaussonntag: Langsam füllt sich das Zentrum unweit des imposanten St. James Parks, in dem United seine Heimspiele austrägt. Die Fans der Heimmannschaft sind an ihrer schwarzweißen Kleidung zu erkennen. Und daran, dass sie möglichst schnell den nächsten Pub aufsuchen. Nach Liverpool-Fans muss man länger suchen. Vereinzelt lugt aus der schwarz-weißen Masse ein rotes Trikot hervor.
Doch nicht nur die Kleidung unterscheidet die Reds von United-Anhängern. „Es ist das Lächeln. Die Spieler lachen, die Fans lachen, Jürgen Klopp lacht“, sagt Allan Naper, breitet die Arme aus und präsentiert anschließend selbst seine leicht gelblichen Zähne.
Der Traum von der 19. Meisterschaft
Der 44 Jahre alte Liverpool-Anhänger hat wie viele Fans auf der Insel seine verbliebenen Haare abrasiert, der Körper zeugt von etwas viel Fish, Chips und Bier, auf dem roten T-Shirt lacht sein Held: Jürgen Klopp. Darüber steht in weißer Druckschrift „The Normal One“.
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Der Normale lässt nicht nur Naper von einer „glänzenden Zukunft“ träumen. Das gesamte Umfeld des englischen Traditionsklubs hofft, mit dem neuen Trainer wieder an alte Erfolge anzuknüpfen. Für den Verein war der letzte große Triumph der Champions-League-Sieg 2005, schon seit 25 Jahren wartet Liverpool sehnlichst auf den 19. Meistertitel.
Wade McDougall war da noch gar nicht geboren. Der 22-Jährige stammt aus North Yorkshire, nahe Newcastle. Trotzdem ist er zum St. James Park gereist, um die Reds zu unterstützen. Kaum wird der Name Jürgen Klopp erwähnt, strahlen die Augen des jungen Engländers. Für ihn ist der deutsche Trainer „The Heart One“ – der Herzliche. „Er liebt seine Spieler, er hat viel Energie, und er lässt die Mannschaft so spielen, wie es auch Rodgers hätte tun sollen“, erklärt McDougall.
Neun Punkte hinter Leicester City
Mit Rodgers meint er Brendan Rodgers, der den FC Liverpool vor Jürgen Klopp trainiert hat. In dieser Saison musste der Nordire nach nur drei Siegen in den ersten acht Saisonspielen gehen. Seitdem befindet sich Liverpool im Klopp-Rausch. „Es ist die Art, wie er Fußball spielen lässt, das hohe Pressing“, schwärmt McDougall. Sein Kumpel Seb Cottrell nickt zustimmend: „Vor allem der Sieg gegen Chelsea war wie eine Explosion.“
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Und tatsächlich hat der FC Liverpool unter Jürgen Klopp den amtierenden Meister Chelsea mit 3:1 geschlagen, auch Manchester City wurde mit 4:1 abgefertigt. Die umjubelten Siege täuschen aber ein wenig darüber hinweg, dass die Bilanz des neuen Trainers nach der 0:2-Niederlage gegen Newcastle nicht viel besser ist als die seines Vorgängers. Von sieben Ligaspielen hat der LFC unter Klopp drei gewonnen und zwei verloren. In Tabelle gelang zwar der Sprung vom zehnten auf den siebten Rang, doch der Rückstand auf einen Champions-League-Platz ist von drei auf fünf Punkte angewachsen, der Tabellenführer Leicester City hat neun Zähler mehr auf dem Konto.
Wade McDougall und Seb Cottrell stört das nicht. Von der Meisterschaft wollen sie erst gar nicht reden. „Wir warten schon so lange, das geht auch noch länger“, sagen die Liverpool-Fans. Sie wollen nur mitreißenden Fußball sehen, Leidenschaft, Pressing.
Jürgen Klopp darf also verlieren, aber seine Mannschaft sollte nur selten so leidenschaftslos spielen wie gegen Newcastle.