Essen. Flächendeckendes Doping in der Leichtathletik und Bestechungen: Die Vorwürfe sind massiv. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Skandal.

Auf 323 Seiten hat die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) akribisch jedes Detail über Dopingvergehen in Russland aufgelistet. Die Vorwürfe sind massiv, in Russland soll es in der Leichtathletik ein von ganz oben genehmigtes flächendeckendes Dopingsystem gegeben haben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen, die sich aus dem aktuellen Doping-Skandal ergeben.

Mit welchen Strafen muss die russische Leichtathletik nach dem Report der Wada-Ermittlungskommission rechnen?

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Die Wada fordert den Welt-Leichtathletikverband IAAF auf, Russland auszuschließen. Sollte es wirklich dazu kommen, dürften russische Athleten weder bei Weltmeisterschaften noch bei Olympischen Spielen starten. Rio 2016 ohne Leichtathleten des flächengrößten Landes der Welt – eine Vorstellung, die vor dem Wada-Report undenkbar schien, jetzt aber wahr werden könnte. Das Internationale Olympische Komitee will auch den Entzug von Medaillen prüfen.

Gibt es schon erste Konsequenzen aus dem Wada-Bericht?

Ja. Die Wada entzog am Dienstag dem Dopingkontroll-Labor in Moskau vorläufig die Akkreditierung. Die dort noch gelagerten Urin- und Dopingproben sollen unverzüglich in ein anerkanntes Labor außerhalb von Russland geschickt werden. Im Moskauer Institut sollen 1417 Dopingproben bewusst zerstört worden sein.

Wie reagieren die deutschen Sportfunktionäre auf die massiven Vorwürfe?

Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, geht davon aus, dass es zu drastischen Sanktionen kommen wird. „Was jetzt kam, führt endgültig zu ungläubigem Staunen, zu Enttäuschung und auch zu einer gewissen Form von Verbitterung“, sagte Hörmann. Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, ist ebenfalls entsetzt: „Der Wada-Bericht übersteigt meine Befürchtungen bei weitem“, sagte Clemens Prokop.

Was sagen die deutschen Leichtathleten?

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In den sozialen Medien drücken einige Sportler ihr Entsetzen aus. Robin Schembera ist Deutschlands schnellster 800-Meter-Läufer. Bei Facebook lässt er seinen Frust heraus: „Und nun? Jetzt dürfen wir alle wieder einmal gespannt sein und Hände reibend darauf warten, wie IAAF, EAA, DLV und weitere nationale Fachverbände reagieren. Ich wage einen Blick in meine private Glaskugel und sage voraus: Es geschieht... Achtung, Trommelwirbel: NICHTS!“ Julian Reus, Deutschlands schnellster Sprinter aus Wattenscheid, twittert: „Wie weit geht das noch? Erst Betrug, dann Schmiergelder, jetzt Manipulation an Dopingproben. Was bzw. wer ist als nächstes dran?“

Wie wird der Skandal in Russland aufgenommen?

Russland erhält vom Welt-Leichtathletik-Verband IAAF eine Woche Zeit, um sich zu den Vorwürfen zu äußern. In einer ersten Reaktion schimpfte Kremlsprecher Dmitri Peskow, dass die Vorwürfe unbegründet und nicht erwiesen seien. Sportminister Witali Mutko spielt die Ergebnisse des Reports herunter. „Uns bringt nichts in Verlegenheit“, sagte er. Allerdings gibt es Hinweise, Mutko, ein enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin, sei selbst in den Skandal verstrickt.

Welche Rolle spielt der frühere IAAF-Präsident Lamine Diack?

Der 82-jährige Senegalese soll die Doping-Fälle gegen hohe Summen vertuscht haben. Am Dienstag hat das IOC-Exekutivkomitee sein Ehrenmitglied Diack vorläufig suspendiert. Die französische Justiz hat Anklage wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche erhoben.