Dortmund. DFB-Präsident Niersbach widerspricht Medienberichten zu Stimmenkauf - doch die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein Anfangsverdacht vorliegt.
Im Wirbel um Korruptionsvorwürfe bei der Vergabe der Fußball-WM 2006 hat sich auch die Staatsanwaltschaft Frankfurt eingeschaltet. Als mögliche Tatbestände nannte eine Sprecherin am Montag Betrug, Untreue oder Korruption. Es wird geprüft, ob es einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren gibt. Derweil will sich DFB-Präsident Wolfgang Niersbach das "Sommermärchen" nicht kaputtmachen lassen. Und sein verfeindeter Vorgänger Theo Zwanziger kündigte an, nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub "alle ihm vorliegenden Erkenntnisse" darstellen zu wollen.
Immer mehr in den Fokus rückt die dubiose 6,7-Millionen-Euro-Zahlung des WM-Organisationskomitees an den von Joseph Blatter geführten Weltverband FIFA, über die das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet hatte. Dies sei weiter "ein offener Punkt", räumte Niersbach bei seinem Auftritt im neuen Deutschen Fußballmuseum in Dortmund ein. Man müsse die Frage stellen, "wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden". Nach dem Willen der Grünen soll sich der DFB-Chef bald im Sportausschuss des Bundestages zu den Vorwürfen äußern. Man werde einen entsprechenden Antrag stellen und Niersbach "als Sachverständigen laden", sagte der Sportpolitischer Sprecher Özcan Mutlu der "Rheinischen Post" (Dienstag).
Rumminigge vertraut Niersbach und Beckenbauer
Laut DFB steht die geflossene Millionensumme allerdings in keinem Zusammenhang mit der WM-Vergabe. Den Verdacht des Stimmenkaufs wies Niersbach erneut vehement zurück. "Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört, weil ich auch hier nochmal sage: Es hat keine Schwarzen Kassen gegeben, es hat keinen Stimmenkauf gegeben", kommentierte er und kündigte an, die Behauptungen zu widerlegen.
Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vertraut Niersbach und dem damaligen Organisationskomitee-Chef Franz Beckenbauer. "Das sind Ehrenmänner. Beide - genauso wie der ehemalige Minister Schily - haben glaubhaft und seriös versichert und auch verkündet, dass die Behauptungen nicht stimmen." Dementsprechend gebe es für ihn "auch keinen Anhaltspunkt, was anderes zu glauben", sagte der frühere Nationalspieler vor dem Abflug zum Champions-League-Gruppenspiel des FC Bayern am Dienstag in London gegen den FC Arsenal.
Schily sieht Fifa in Bringschuld
Der damalige Bundesinnenminister Schily sieht vor allem die Fifa in der Bringschuld. Die Frage der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung betreffe eigentlich den Weltverband, sagte der SPD-Politiker der ARD. Natürlich gebe es auch für den DFB Grund, das zu überprüfen. "Aber normalerweise, wenn ich an einen Verein etwas zahle, dann gehe ich davon aus, dass das auch bestimmungsgemäß verwendet wird."
DFB-Schatzmeister war zu dieser Zeit der spätere Präsident Theo Zwanziger. "Der hat alle Zahlungen höchst penibel geprüft - und das musste ja auch so sein, denn der DFB ist eine gemeinnützige Organisation", ergänzte Schily.
Ex-DFB-Präsident äußert Zweifel
Zwanziger wiederum äußerte über seinen Anwalt Zweifel an der internen Aufarbeitung durch den Verband. "Soweit vonseiten des DFB dargestellt wird, dass seit Juni 2015 aufgeklärt werde, erscheint nicht unproblematisch, dass dies durch den Kontrollausschuss, der unter der Weisungsbefugnis des in der vorliegenden Sache beteiligten Präsidenten steht, erfolgen soll", sagte der 70-Jährige.
Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub will Zwanziger "alle ihm vorliegenden Erkenntnisse zusammenfassend darstellen" und diese durch eine eidesstattliche Versicherung dokumentieren. Der Vorgänger Niersbachs wehrt sich gegen den Verdacht, er sei in dem "Spiegel"-Bericht der "Maulwurf", weil er mit Niersbach zerstritten sei. Dies hatte der frühere Mediendirektor Guido Tognoni am Wochenende so angedeutet.
Viele Fragen an Zwanziger
Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International, verlangte ein detailliertes Statement von Zwanziger, an den sie im Moment "die meisten Fragen" habe. "Was hat er damals gewusst, warum hat er nichts gesagt, oder hat er wirklich nicht nachgefragt? Das wäre aber völlig unüblich für ihn", sagte Schenk bei hr-Info.
Für den WM-Zuschlag soll nach einem unbestätigten "Spiegel"-Bericht Geld aus einer schwarzen Kasse des Bewerbungskomitees geflossen sein. Der frühere Adidas-Chef Robert-Louis Dreyfus soll diese Summe aus seinem Privatvermögen zur Verfügung gestellt haben. Das Geld könnte laut "Spiegel" dazu eingesetzt worden sein, um die Stimmen von vier asiatischen Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees zu gewinnen. Eineinhalb Jahre vor der WM soll Dreyfus das Geld zurückgefordert und über ein FIFA-Konto auch erhalten haben.
Schenk kritisiert Spiegel-Beweisführung
Die "Bild"-Zeitung verwies am Montag online allerdings auf eigene Recherchen, wonach das Geld erst 2002 - also zwei Jahre nach der Abstimmung über die WM-Vergabe im Juli 2000 - von Dreyfus überwiesen worden sein soll. Und zwar "weder auf ein Konto des DFB noch des WM-Organisationskomitees", wie die Zeitung schrieb.
Schenk kritisierte die Beweisführung des "Spiegel". Der Artikel sei "sehr dünn", urteilte sie, obendrein sei ein Teil der Vorwürfe veraltet: "Ich habe den Eindruck, dass der "Spiegel" zu früh veröffentlich hat, möglicherweise hätte man weiter recherchieren müssen." Die frühere Sportfunktionärin forderte harte Fakten. (dpa)