Dublin. Trotz kurzer Vorbereitungsphase will die DFB-Elf mit einem Sieg gegen Irland die EM-Quali perfekt machen. Aufarbeitung der Hummels-Kritik hält Löw für überflüssig.

Wer glaubte, dass der aktuelle Fußball-Weltmeister über alle Grenzen hinaus einen Sonderstatus genießt, der wurde am späten Mittwochvormittag eines besseren belehrt. Immerhin eine gute halbe Stunde ließ die irische Flugsicherheit die aus Frankfurt kommende DFB-Sondermaschine über dem Flughafen Dublin kreisen, ehe man Deutschlands Fußballern dann doch am Mittag die verspätete Landung gewährte. „Da waren wohl noch ein paar Maschinen vor uns an der Reihe“, erklärte Nationaltrainer Joachim Löw unaufgeregt, als er knapp anderthalb Stunden später im Ballsaal des altehrwürdigen Intercontinental Hotels in der Simmonscourt Road wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

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Dass Löw so schnell nichts aus der Ruhe bringt, ist allgemein bekannt. Doch wirklich zufrieden, auch daraus machte der Bundestrainer keinen Hehl, war der 55 Jahre alte Fußballlehrer mit der Vorbereitung auf das EM-Qualifikationsspiel gegen Irland an diesem Donnerstag (20.45 Uhr MEZ in unserem Live-Ticker) nicht. „Es ist ein wenig ungewöhnlich, dass wir nur eine einzige gemeinsame Trainingseinheit vor der Partie haben“, sagte Löw kurz vor dem Abschlusstraining im Avira Stadium im Lansdowne Village nahe der Dublin Bay, „das hätte ich mir anders gewünscht.“

Löwsches "Dublin-Abkommen"

Weil aber ein Großteil der Nationalspieler noch am Sonntag mit ihren Vereinen im Einsatz waren, verzichtete Löw am Dienstag auf das gemeinsame Training in Frankfurt und ordnete stattdessen Regeneration im Hotel an. Allerdings ließ der Nationaltrainer am Tag danach keinen Zweifel aufkommen, dass er allen Widrigkeiten zum Trotz auch in Baile Átha Cliath, so der irische Name für Dublin, fest mit einem Erfolg rechne: „Wir sind überzeugt davon, dass wir hier ein richtig gutes Spiel machen.“

Die Ausgangslage für die deutsche Mannschaft vor den beiden letzten Pflichtaufgaben des Jahres gegen Irland und Georgien ist ohnehin relativ simpel. Ein Sieg gegen die „Boys in Green“ reicht ohne Wenn und Aber für die direkt EM-Qualifikation in Frankreich aus. Genau genommen würde Löws Mannschaft sogar ein Punkt bis Paris reichen, doch diese Zielsetzung wagt niemand beim Weltmeister laut auszusprechen. In Pflichtspielen hat Deutschland noch nie gegen Irland verloren – und das soll laut dem löwschen „Dublin-Abkommen“ auch bitteschön soll bleiben.

Bundestrainer schätzt Iren stärker als Schotten ein

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Ganz anders sieht man die Sachlage naturgemäß auf Seiten des Gastgebers. Ein Blick in die lokalen Zeitungen reicht aus, um sich davon zu überzeugen, dass sich nach Tagen der Begeisterung rund um die gerade stattfindende Rugby-WM nun wieder König Fußball in den Vordergrund schummelt. Der „Irish Daily Star“ scheute sich angesichts der brisanten Tabellensituation nicht mal, den in der Vergangenheit vor wichtigen Duellen von britischen Boulevardblättern gerne mal verwendeten Begriff „Blitzkrieg“ aus der Mottenkiste hervorzukramen.

Löw sind derartige Begrifflichkeiten fremd. Doch auch der Nationaltrainer erwartet im vorletzten EM-Qualifikationsspiel „einen gewissen Abnutzungskampf“ gegen die unbequemen Iren, die er für „physisch stärker und in der Offensive ganz einfach besser als die Schotten“ hält. An der ersten Elf, die beim letzten Betriebsausflug auf die Insel im September Schottland 3:2 besiegte, will Löw im Großen und Ganzen aber nicht rütteln. Lediglich Rechtsverteidger Emre Can, der als Profi vom in Dublin sehr beliebten FC Liverpool mehr oder weniger Heimrecht genießt, muss um seinen Platz fürchten. Dortmunds Matthias Ginter, so Löw, würde trotz der 1:5-Pleite des BVB gegen Bayern München – genau wie auch Rückkehrer Marco Reus im Mittelfeld – bereitstehen.

Hummels: "Messlatte für Skandal niedrig geworden"

Eine Aufarbeitung der heftigen Watschn, die Dortmunds Nationalspieler am Sonntag beim FC Bayern kassierten, war aus Löws Sicht ohnehin überflüssig. „Für unsere Borussen war das 1:5 schnell abgehakt. Die können damit umgehen“, sagte der Bundestrainer, dem der am Rand lauschende BVB-Kapitän Mats Hummels mit eifrigen Kopfnicken nonverbal zustimmte.

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Als Hummels dann wenig später selbst das Podest im schummrigen Ballsaal betrat, wusste der 26 Jahre alte Innenverteidger natürlich ganz genau, was ihn erwarten würde. Zwei Tage lang hatte Hummels im Anschluss an das 1:5 in München für reichlich Schlagzeilen gesorgt, weil er angeblich im TV-Flashinterview Kollegenschelte („Ich weiß nicht, wieso sie die Bälle so ohne Druck spielen konnten, das ist tödlich.“) betrieben haben soll. Hat er aber nicht, gab der Defensivmann nun offensiv zu Protokoll. „Die Messlatte für das, was ein Skandal sein soll, ist erstaunlich niedrig geworden“, sagte Hummels, Spitzname: Motzki. „Ich habe mir das Interview extra noch mal angeschaut. Und auch danach konnte ich guten Gewissens bei meiner Meinung bleiben. Ich habe mit keinem Wort irgendeine Grenze überschritten – und mich explizit von der Kritik nicht ausgenommen.“ Damit sei das Thema nun aber abgehakt, sagte Pressesprecher Jens Grittner, und bat um weitere Fragen zum Spiel gegen Irland.

Was Hummels bei all der Aufregung um die 1:5-Pleite gegen München und sein Interview übrigens nicht sagte: Beim letzten Ausflug der Nationalmannschaft nach Irland musste sich der Gastgeber vor drei Jahren gar mit 1:6 geschlagen geben. Es geht also immer ein wenig schlimmer.