Frankfurt. Die ruhmreiche Karriere von DFB-Kapitän Bastian Schweinsteiger trudelt in Manchester aus. Bundestrainer Löw akzeptiert den Niedergang noch nicht.

Wie das von nun an laufen wird mit Bastian Schweinsteiger, das hat Wolfram Eilenberger vernichtend klar dargelegt. Eilenberger ist Philosoph und bei Fußballfragen oft mit Scharfsinnigkeit aufgefallen. Zumindest aus PR-Gründen sei der Wechsel Schweinsteigers von seinem Heimatklub FC Bayern zu Manchester United in diesem Sommer eine feine Sache, sagte Eilenberger. Schweinsteiger werde eine Solala-Saison in England spielen, dann vielleicht in die USA wechseln, wie es Starspieler vor ihm gemacht haben, als es für die großen Bühnen nicht mehr reichte wohl aber für die Restvermarktung (David Beckham, zuletzt Steven Gerrard) – „Schweini goes global“. Und dann werde der Weltmeister irgendwann nach München zurückkehren. Ins Management vielleicht.

Schweinsteigers Leben in Manchester

Das alles ist vom Ende her gedacht. Und das macht man bei einem Spieler ja nur, wenn dieses Ende kurz bevorsteht. Eilenberger sagte, Schweinsteiger habe nun mal ein gefühltes Alter von 37 Jahren, weil er eben so viele Schlachten schon schlagen und so viele Verletzungen überstehen musste. Eilenberger formulierte, was viele denken: Die ruhmreiche Karriere des Bastian Schweinsteiger trudelt in Manchester gerade aus.

Nur direkt danach fragen mag man diesen Bastian Schweinsteiger nicht. Bei der ersten Pressekonferenz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor den beiden Qualifikationsspielen für die EM 2016 gegen Polen am Freitag in Frankfurt und Schottland am Montag in Glasgow durfte der 31-Jährige viel Belangloses sagen. Dass Manchester schöner ist, als viele denken, zum Beispiel.

Das alles wirkte wie eine Fassade. So, als säße Schweinsteiger auf dem Podium hinter Milchglas. Denn Fakt ist: Schweinsteiger hat den FC Bayern, den Klub, zu dem er mit 14 Jahren kam und mit dem er unzählige Titel errang, verlassen, weil er nicht mehr gebraucht wurde. Beim rasanten Fußball, den der Münchner Trainer Pep Guardiola sehen will, hätte Schweinsteiger nur noch eine Nebenrolle gespielt.

Also zog Schweinsteiger für wohl weit weniger als die kolportierten 20 Millionen Euro Ablöse weiter nach Manchester, wo er am Sonntag zum ersten Mal 90 Minuten spielen durfte und prompt 1:2 gegen Swansea City verlor. Die Fans, die ihn bei den Bayern stets „Fußballgott“ nannten, waren ob des Abgangs sauer auf die Vereinsführung. Und daher versuchten alle Parteien, den Wechsel als einem Aufbruch, denn als Flucht darzustellen. Schweinsteiger sagte am Dienstag: „Es ist eine Herausforderung. Das bringt mich weiter.“

Die Zurückhaltung im Umgang mit Schweinsteiger ist erklärbar: Er hat alles gewonnen in seiner Karriere und ist durch seinen unbändigen Einsatz im WM-Finale von Rio 2014 zu einer Ikone Fußballdeutschlands geworden. Aber auch ein Fußballgott wird irgendwann mal von der Zeit eingeholt.

Der DFB-Kapitän als Teilzeit-Leitwolf

Bundestrainer Joachim Löw dagegen will diesen Niedergang zumindest in der Nationalelf noch nicht akzeptieren. „Vielleicht ist er etwas verletzungsanfälliger geworden und auch nicht mehr dauerhaft in jedem Spiel über 90 Minuten einsetzbar“, sagte Löw dem Kicker. „Aber ich bin mir sicher: Wenn es darauf ankommt, ist er immer noch ein Weltklassespieler.“

Anders als in der Vergangenheit bei Michael Ballack hat der 55-Jährige diesmal keinen radikalen Schnitt forciert und seinen Leitwolf aussortiert. Löw machte Schweinsteiger nach der WM zum Kapitän und setzt auch jetzt weiter auf ihn – als Teilzeit-Leitwolf, wenn es sein muss. „Ich möchte soviel, wie es geht, für die Nationalmannschaft spielen“, sagte Schweinsteiger. „Aber ich muss natürlich bei jedem Spiel neu vorangehen. Und das kostet Kraft. Doch das ist das, was ich immer wollte.“

Nach Polen trifft das DFB-Team auf Schottland

Die Spiele, in denen es drauf ankommt und in denen Schweinsteiger noch einmal vorangehen soll, stehen Löw nun bevor. Gegen Spitzenreiter Polen geht es für das zweitplatzierte DFB-Team in Gruppe D um Platz eins und eine Revanche für die 0:2-Hinspielniederlage. Gegen den Drittplatzierten Schottland dann darum, die EM-Qualifikation so gut wie sicher zu stellen.

Löw sprach von zwei „Spielen der Wahrheit“, in denen seine Mannschaft siegen müsse. Schweinsteiger fand, Polen habe ein gutes Team und mit seinem ehemaligen Münchner Teamkollegen Robert Lewandowski einen Weltklassestürmer. Und deshalb sagte er: „Es wird schwierig, aber wir müssen.“

So ist das vielleicht auch mit ihm selbst: Die Nach-Schweinsteiger-Zeit im DFB-Team hat sich längst angekündigt. Noch wird er gebraucht. Wenn Schweinsteiger dann aber geht, wird das schwierig. Aber es muss.