Bielefeld. Vor dem Spitzenspiel in der 2. Fußball-Bundesliga gegen den Hamburger SV sprachen wir mit Uwe Neuhaus, dem Cheftrainer von Arminia Bielefeld.

Top-Spiel in der 2. Bundesliga: Arminia Bielefeld, derzeit Dritter mit 18 Punkten, empfängt den Hamburger SV, der als Tabellenführer mit 20 Zählern in den zehnten Spieltag geht. Vor dem Spiel am Montagabend (20.30 Uhr/Sky) haben wir mit Uwe Neuhaus, Cheftrainer der Ostwestfalen gesprochen.

Der 59-jährige gebürtige Hattinger ist nicht nur ein erfahrener Coach, er weiß auch, wie Aufstiege gelingen. So brachte er schon Rot-Weiss Essen, Union Berlin und Dynamo Dresden in die 2. Bundesliga. Mit Arminia unternimmt er nun einen Anlauf auf Liga eins. Das ist erstaunlich: Schließlich übernahm er im Dezember 2018 eine Mannschaft, die nach 16 Spieltagen lediglich 15 Punkte auf dem Konto hatte und in akuter Abstiegsgefahr schwebte.

Herr Neuhaus, ausgehend von der Tabelle als Indikator hat sich Arminia Bielefeld stabilisiert - sind Sie mit dieser Aussage einverstanden?

Uwe Neuhaus: Ja, das kann man schon behaupten. Die Jahres-Tabelle kenne ich auch, da sind wir ganz vorne. Als ich zur Arminia gekommen bin, hatte die Mannschaft 15 Punkte und war insgesamt in einer Situation, die für sie nicht einfach war. Wir haben dann in Kiel gewonnen, anschließend in Dresden. Das hat uns für den weiteren Weg geholfen. In der Folge haben wir uns immer mehr stabilisiert.

Was braucht es, um in einen Verein, der mal mehr, mal weniger Sorgen bereitet hat, zunächst in ruhigere Fahrwasser, und schließlich sogar in die obere Tabellenregion zu führen?

Sicherlich eine gute Mannschaft. Und ich glaube schon, dass wir eine haben. Es gehört jedoch mehr dazu: Mein Vorgänger Jeff Saibene hat der Mannschaft ein ordentliches Grundgerüst und defensive Stabilität verpasst. Das passt perfekt zu meiner Art und Weise, Fußball spielen zu lassen. Die Vorarbeit war also gut, und die Mannschaft war offen für Neuheiten. Und es war bemerkenswert, wie schnell die Spieler sie umgesetzt haben.

"Wir brauchen weiterhin Stabilität und Konstanz"

Spüren Sie Euphorie im Umfeld, oder überwiegt die Demut aufgrund der schwierigen jüngeren Vergangenheit?

Ich höre mich nicht viel um (lacht). Spaß beiseite: Der Erfolg, den wir im Moment haben, ist gut, um durchatmen zu können. Und es ist etwas anderes, als gegen den Abstieg zu kämpfen. Darüber freut man sich. Trotzdem steht für uns Woche für Woche die Arbeit im Vordergrund. Wir brauchen weiterhin Stabilität und Konstanz, es sind ja erst neun von 34 Spielen gespielt. Das können Sie mit einem Marathonlauf vergleichen. Ich selbst könnte vielleicht einen Kilometer an der Spitze mitlaufen. Aber dann würde ich zusammenbrechen.

Finanz-Geschäftsführer Markus Rejek hat angedeutet, dass Ihr Wunsch, mal mit einem Zweitliga-Verein aufzusteigen, bei der Arminia in Erfüllung gehen könnte. Ihr Vertrag läuft am Ende dieser Saison aus. Wie sehen Sie seine Aussage?

Mit der Aussage kann ich mich zu 100 Prozent identifizieren. Vor allem deshalb, weil das Ziel nicht zeitlich begrenzt war (lacht). Wenn er diese Aussage auf diese Saison begrenzt hätte, wäre ich natürlich skeptisch gewesen. Im Grunde sind wir einer Meinung: Wenn sich die Chance bietet, muss man einfach zugreifen.

"Im Erfolg werden die größten Fehler gemacht"

Sehen Sie Ihre Mannschaft - unabhängig vom Tabellenstand - als Spitzen-Team?

Ich glaube, dass Ansätze da sind. Der eine oder andere Kollege hat uns ja vor der Saison schon da oben gesehen, sicher auch wegen der Rückserie der vergangenen Saison. Wie gesagt: Die Ansätze sind da. Aber um ein Spitzenteam zu sein, gehört ein kleines bisschen mehr dazu. Im Erfolg werden schließlich die größten Fehler gemacht. Und ich bin jeden Tag auf der Suche, sie zu entdecken.

Wie schwer fällt es, noch Fehler zu finden?

Es ist nichts Schwerwiegendes. Einige Dinge sind in jedem einzelnen Spieler drin. Denn wenn es zu gut läuft, lässt man es vielleicht langsamer angehen. Aber das zu erkennen, das ist das Schwierige. Denn es steht leider niemandem auf die Stirn geschrieben: „Ich habe heute nur 80 Prozent gegeben.“ Allerdings bin ich schon mehrmals aufgestiegen und verfüge über die entsprechende Erfahrung.

In der 2. Bundesliga hat sich eine Spitzengruppe gebildet. Überrascht Sie die Konstellation?

Ich habe es mir vor der Saison einfach gemacht und auf die großen Vier gesetzt: Hamburg, Stuttgart, Hannover und Nürnberg. Ich war mir aber sicher, dass sie nicht alle vier von vornherein oben dabei sind. Die eigene Mannschaft vor der Saison einzuordnen, ist etwas schwierig. Wir haben Spieler geholt, die anders sind als die, die vorher da waren. Insgesamt habe ich mit der Mannschaft also ein gutes Gefühl. Wir haben einen Weg eingeschlagen und ihn bisher nicht verlassen.

Sie haben nun den Hamburger SV zu Gast. Wie schätzen Sie die Rolle Ihrer Mannschaft in dem Spiel ein?

Wir haben durchaus gute Chancen. Wir haben den Hamburger SV beobachtet: Die Mannschaft hat in Spielen immer wieder Phasen, in denen sie zu packen ist. Da denke ich an das Heimspiel gegen Fürth, und das Auswärtsspiel in Regensburg. Wir müssen zusehen, dass wir diese Phasen erwischen. Unabhängig davon ist das für die zweite Bundesliga eine Top-Mannschaft.

Was macht den HSV so stark?

Von außen betrachtet, arbeitet die Mannschaft sehr seriös. Und ich glaube, dass Trainer Dieter Hecking sehr viel Ruhe reinbringt. Eigentlich ist der HSV - wie auch der VfB Stuttgart - auf Strecke nicht zu packen. Aber das Wort „eigentlich“ macht mir Mut (lacht).

"Wir müssen uns wirklich nur um uns selber kümmern"

In der vergangenen Saison scheiterten die Hamburger in der Schlussphase der Saison. Könnte diese Last am Ende zu schwer wiegen und für die anderen Teams sogar von Vorteil sein?

Wir müssen uns wirklich nur um uns selber kümmern. Dass wir nicht straucheln, interessiert mich am meisten.

Sie haben lange als Co-Trainer von Borussia Dortmund gearbeitet, waren dann Trainer der U23 des BVB, anschließend Trainer von Rot-Weiss Essen. Zieht es Sie in Zukunft zu einem Ruhrgebiets-Verein?

Das weiß ich nicht, das ist auch nicht nur meine Entscheidung. Da spielen Angebot und Nachfrage eine Rolle. Ich glaube, dass es mir ganz gut getan hat, aus dem Ruhrgebiet auszubrechen. Sieben Jahre bei Union Berlin, drei bei Dynamo Dresden: Das war eine wahnsinnig tolle Zeit, die Spaß gemacht hat. Jetzt habe ich ein kleines Stückchen näher ans Ruhrgebiet gefunden. Ich werde meine Wurzeln nie vergessen und auch nicht verändern wollen. Aber was noch kommt - keene Ahnung. Sehen Sie: Sieben Jahre in Berlin haben mich beeinflusst.

Das Revier kommt aber näher: Am 29. Oktober haben Sie den FC Schalke 04 im DFB-Pokal zu Gast. Können Sie daran bei dem Programm überhaupt schon denken?

Man muss zwangsläufig daran denken. Nicht an das Spiel selber, sondern an alles Organisatorische, was damit zusammenhängt. Am Samstag davor spielen wir auswärts in Dresden. Das heißt, dass wir uns über die Anreise und das Drumherum Gedanken machen müssen. Aber mit der Mannschaft Schalke habe ich mich noch nicht befasst. Unmittelbar nach dem Dresden-Spiel bekomme ich alle Unterlagen dazu. Für die Mannschaft wird es aber eine große Herausforderung sein, von dem einen loszulassen und sich auf das andere zu konzentrieren.

Zuhause gegen Stuttgart, dann das Derby in Osnabrück, jetzt gegen den HSV, dann die angesprochenen Spiele in Dresden und gegen Schalke. Ihre Mannschaft hat ein hartes Programm.

Ja, aber mir macht das keine Bange. Zu der normalen Belastung kommt nun die Pokalwoche hinzu. Dass durch die Ansetzung der Zweitliga-Spieltage der Rhythmus wechselt, ist uns schon länger bekannt. Wenn es ginge, würde ich diesen Umstand verändern. Aber das obliegt mir ja nicht.

Ihr Vertrag läuft zum Ende der Saison aus. Angenommen, Sie würden sich schweren Herzens dafür entscheiden, Arminia Bielefeld am Ende der Saison zu verlassen - was wäre ein gutes Ergebnis, um zu gehen?

Das hat überhaupt nichts mit der Vertragssituation zu tun. Im Vergleich zur vergangenen Saison ist eine Erwartungshaltung extrem schwierig. Wir stehen nun weit oben - aber was passiert, wenn wir wie in der vergangenen Saison Siebter werden? Dann wäre das kein Grund zur Freude, sondern eine Enttäuschung. Einen zufriedenstellenden Tabellenplatz kann ich jetzt also nicht definieren.