Berlin. Zweitligist Union Berlin überrascht mit der Trennung von Jens Keller. Dem früheren Schalke-Trainer wurde das 1:2 in Bochum zum Verhängnis.
Lutz Munack eilte über den Parkplatz, der zwischen der Haupttribüne des Stadions und der Geschäftsstelle in der Alten Försterei liegt. Jeder Versuch, dem Geschäftsführer Sport des 1. FC Union Berlin ein Statement zu entlocken, wurde abgeblockt. Es sollte der Auftakt eines Montags beim Zweitligisten werden, der in die Klubhistorie eingehen wird. Die Nachricht, dass die Köpenicker keine drei Wochen vor Weihnachten Trainer Jens Keller und seinen Assistenten Henrik Pedersen entlassen haben, ist ohne Zweifel eine Überraschung. Neuer Cheftrainer ist André Hofschneider, der seit Saisonbeginn für Unions A-Junioren verantwortlich ist.
"Waren in guten Gesprächen über einen neuen Vertrag"
Erst später bezog Munack als Hauptverantwortlicher für den sportlichen Bereich per Pressemitteilung Stellung zu der Personalie. „Es ist ein harter Schnitt, den wir vollziehen, weil wir ihn für notwendig halten. Mit unserer Spielweise und den Ergebnissen der letzten Wochen werden wir nicht den Ansprüchen gerecht, die wir klar formuliert und mit der Gestaltung des Kaders im Sommer deutlich untermauert haben“, wird Munack zitiert. Mit anderen Worten: Union sieht den erhofften Aufstieg in die Bundesliga hochgradig gefährdet.
Zum letzten Mal auf der Union-Bank saß Jens Keller am Sonntag bei der 1:2-Niederlage beim VfL Bochum. Ausgerechnet im Ruhrgebiet also, wo er den FC Schalke 04 trainiert hatte, den er in die Champions League und 2014 zum bislang letzten Derbysieg gegen Borussia Dortmund führte (2:1).
Auch interessant
Die Reaktion der Union-Mannschaft zeigt, dass auch sie von Kellers Entlassung überrascht wurde. Beim Training der Reservisten, geleitet von Co-Trainer Sebastian Bönig, trabten die Auswechselspieler vom Sonntag ratlos über den Rasen. Die Stammspieler schauten nur vereinzelt vorbei. Reden wollte niemand. Wie aus Kreisen der Mannschaft zu vernehmen war, herrschte am Montag Redeverbot.
Wie groß die Sorgen in der Klubführung sind, zeigt der Zeitpunkt der Entscheidung: zwei Spiele vor der Winterpause. „Unser Vertrauen darin, in der bestehenden Konstellation Konstanz in unsere sportlichen Leistungen zu bekommen, ist nicht mehr gegeben. Wir haben uns deshalb entschieden, unverzüglich zu handeln. Vor uns liegen zwei enorm wichtige Spiele, die wir erfolgreich bestreiten wollen“, erklärte Munack.
Jetzt kommen zwei Heimspiele
Ohne Zweifel sind in den beiden Heimspielen am Samstag gegen Dresden (13 Uhr) und am 15. Dezember zum Rückrundenstart gegen Ingolstadt (18.30 Uhr) Siege Pflicht, wenn der Abstand zur Aufstiegsregion von derzeit fünf Punkten nicht weiter anwachsen soll.
Keller selbst reagierte bei Ran.de schockiert: „Ich kann es nicht verstehen. Wir waren in der vergangenen Woche noch in guten Gesprächen über einen neuen Vertrag.“ Gute Gespräche, die auch Unions Präsident Dirk Zingler noch vor knapp zwei Wochen im Rahmen der Mitgliederversammlung bestätigt hatte. Auch dass er für Kontinuität auf der Trainerposition sei. Doch das glückliche 3:3 gegen Darmstadt und nun die Pleite in Bochum sorgten für Umdenken.
Die Reaktionen der Fans reichen von Fassungslosigkeit bis Wut. „Einen besseren Mann als Keller wird Union nicht bekommen. Sehr schade und unverständlich“, hieß es auf Twitter. Oder auch: „Das war’s dann mit dieser Saison. Vielen lieben Dank an unsere größenwahnsinnige Vereinsführung.“
Tatsache ist: Unter Keller wurde Union zu einem Spitzenteam, das ernsthaft um den Bundesliga-Aufstieg mitspielen kann. Fakt ist aber auch, dass Union derzeit die dritte sportliche Delle der Keller-Ära erlebt. Schon in der Rückrunde der vergangenen Saison, als Union sich Ende März zum Klassenprimus aufschwang, hatte das Team in den entscheidenden Spielen nichts mehr zuzusetzen. Der Start in diese Saison war durch fünf Spiele ohne Sieg geprägt.
Kritik an der Taktik
Zuletzt schien es so, als hätte die Konkurrenz den Keller-Code geknackt. Kellers Kritiker werden ihm Eindimensionalität in der taktischen Ausrichtung vorwerfen. Doch Union muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob die Qualität des Kaders wirklich ausreicht für das nervenaufreibende Aufstiegsrennen.
Spannend zu verfolgen wird es nun nicht nur sein, wie es mit Union Berlin weitergeht. Sondern auch, wie es mit Jens Keller weitergeht. Bekanntlich werden auch im Westen neue Trainer gesucht. Beim 1. FC Köln zum Beispiel. Oder beim VfL Bochum.