Gelsenkirchen/Dortmund. . Der junge Schalker Donis Avdijaj hat ein teures Auto zu Schrott gefahren. Solche Eskapaden sind aber eher selten. Die meisten begabten Nachwuchsfußballer arbeiten zielstrebig an ihrer sportlichen Karriere, und die Vereine unterstützen sie auch bei der schulischen Ausbildung.

Leon Goretzka steht im Untergeschoss der Gelsenkirchener Arena und schaut auf einen Bildschirm. Sein Verein Schalke 04 hat gespielt, und er saß mal wieder nur auf der Tribüne. Gutgelaunt sieht der junge Fußballprofi nicht aus, als er sich die wichtigsten Szenen noch einmal anschaut. Kein Wunder, er ist seit Monaten verletzt. Aber er arbeitet fleißig an seiner Rückkehr, die er sehnsüchtig erwartet.

Leon Goretzka: ehrgeizig, zielstrebig, sportlich hochbegabt. Der 19-Jährige schaffte den Spagat zwischen Schalke und Schulbank, in diesem Jahr baute er in Bochum sein Abitur. Leon Goretzka ist familiär geerdet und nimmt es professionell hin, dass er nicht wie andere Jugendliche auch mal über die Stränge schlagen kann. „Was ich durch den Fußball erlebe, erleben andere nicht, und das wiegt alles hundertprozentig auf“, sagt er.

Der schwierige Fall Avdijaj

Donis Avdijaj tickt anders. Auch mit ihm hat Schalke 04 einen Vertrag auf die Zukunft abgeschlossen – mit einer Laufzeit bis 2019 und einer schwindelerregenden Ausstiegsklausel: Nur wer 48,5 Millionen Euro hinblättern würde, könnte den Torjäger abwerben.

Das viele Geld, das Donis Avdijaj nun verdient, und der Vorschusslorbeer machen es dem in Osnabrück geborenen Albaner nicht leicht. Für Schalkes Bundesligateam reicht die Klasse noch nicht, statt auf dem Rasen startete er auf der Straße durch: Ein Unfall in Essen, mutmaßlich verursacht durch überhöhtes Tempo, katapultierte ihn in diesen Tagen in die Schlagzeilen. Denn er fuhr eine Luxus-Karosse zu Schrott: 564 PS stark und mehr als 150 000 Euro teuer. Man gönnt sich ja sonst nichts mit 18.

Da wird einer vom Glück verfolgt, aber er ist schneller. Auch die vielversprechende Karriere droht verschrottet zu werden, noch bevor sie richtig Fahrt aufnehmen konnte. Und es stellt sich die Frage nach der Verantwortung: Wie lässt es sich bei den jungen Vielverdienern verhindern, dass der Größenwahn ihre Schein-Welt regiert?

Neues Jugendhaus beim BVB

Die Vereine haben das Problem längst erkannt. Die Nachwuchsfußballer, die zum Teil ihre Heimat verließen, werden nicht sich selbst überlassen. Borussia Dortmund hat ein neues Jugendhaus in Eckball-Entfernung zum Trainingsgelände in Brackel errichtet. Die Jungs werden bekocht und betreut, ein Sozialpädagoge unterstützt sie. „Wir betreiben einen hohen Aufwand für ihre Entwicklung“, sagt Lars Ricken, langjähriger Profi und heutiger Nachwuchskoordinator des BVB. „Uns ist auch die schulische Ausbildung ganz wichtig. Das Ziel, Profifußballer zu werden, beinhaltet keine Erfolgsgarantie.“

Auf Schalke leben von auswärts gekommene Jugendliche in zwei vereinseigenen Internaten. Auch Oliver Ruhnert, der Leiter der „Knappenschmiede“ getauften Nachwuchsabteilung, betont: „Wir legen großen Wert darauf, dass sie einen Schulabschluss machen.“

Gestiegenes Gefahrenpotenzial durch Geschäftemacher

Die meisten Talente leisten sich keine Eskapaden. Beim FC Schalke gehören immerhin 14 selbst ausgebildete Spieler zum Bundesliga-Aufgebot. Verhindern können es die Klubs dennoch nicht, dass mal einer wie Avdijaj aus der Reihe tanzt, doch sie arbeiten daran, dass dies eine Ausnahme bleibt.

Oliver Ruhnert sieht allerdings ein gestiegenes Gefahrenpotenzial, weil sich Geschäftemacher im Fußball eingenistet haben, die den Jungs den Kopf verdrehen. „Schon Fünfzehnjährige haben Berater, die ihnen suggerieren, dass sie die Größten sind“, erzählt er. „Da ist es schwierig, auf dem Teppich zu bleiben.“ Als der Emporkömmling RB Leipzig im August den 18-Jährigen Bochumer Lukas Klostermann abwarb, ätzte VfL-Trainer Peter Neururer: „Ich wünsche Lukas für sein weiteres Leben viel Gesundheit – und einen neuen Berater.“

Sportliche Klasse reicht nicht

Der frühere Dortmunder Nationalspieler Christian Wörns sammelte als Jugendtrainer beim VfL Bochum und bei Schalke 04 Erfahrungen. „Wille und Leidenschaft“ seien entscheidend, sagt er. „Wenn das fehlt, kannst du alles andere in die Tonne kloppen.“ Lars Ricken stimmt zu: „Spieler ohne die richtige Mentalität schaffen es nicht.“

Deshalb setzt sich Schalkes routinierter A-Jugend-Trainer Norbert Elgert für den Erhalt „alter Werte“ ein: „Es gehört zu unseren Aufgaben, den Jungs Demut zu vermitteln“, sagt er. „Weil ich besser Fußball spielen kann, ist mein Talent doch nicht höher einzuschätzen als das eines Schornsteinfegers.“

Viele Top-Talente haben ihm gut zugehört, heutige Stars wie Manuel Neuer, Mesut Özil und Benedikt Höwedes gingen durch seine Fußball- und Lebensschule. Aber auch Norbert Elgert und Oliver Ruhnert können nicht jeden Einzelnen einfangen. Vor allem nicht, wenn er mit 564 PS unterwegs ist.