Hamburg. Am Sonntag steht die Zukunft des Hamburger SV zur Abstimmung: Aktiengesellschaft und neue Führungsgremien kontra weiter so. Rund 9000 Mitglieder wollen kommen. Die Gegner haben sich in Stellung gebracht. Das Ende ist offen.
Der Hamburger SV steht vor einem der tiefgreifendsten Umbrüche in seiner 127-jährigen Geschichte. Am Sonntag (11.00 Uhr) soll mit der Ausgliederung der Abteilung Profi-Fußball aus dem 33 Sparten umfassenden Universalsportverein das Startsignal in eine bessere Zukunft gegeben werden - und Abstiegsangst, Schulden und Führungszoff endlich der Vergangenheit angehören.
9000 Mitglieder haben ihr Erscheinen bei der Freiluftversammlung im Stadion des Bundesliga-Dinos angekündigt. Das Reformpaket HSV Plus hat im Januar mit einem Zuspruch von 79,4 Prozent die erste Hürde genommen. Jetzt folgt die endgültige Entscheidung: 75 Prozent Zustimmung braucht das Konzept von Vordenker Ernst-Otto Rieckhoff, um die Umbildung der Profi-Sparte in eine Aktiengesellschaft zu beschließen.
100 Millionen Euro Verbindlichkeiten
Dann steht Investoren die Tür offen. Vorteil: Es kommt Geld in die Kasse. Nachteil: Die Fans und Clubmitglieder haben nur noch ein geringes Mitspracherecht. Für die vielen Verteidiger der bislang gelebten Vereinsdemokratie war das bislang ein No-Go. Mittlerweile würden sie das aber hinnehmen. Denn die Erkenntnis, dass Mitbestimmung weder Titel beschert noch Schulden abbaut oder gar den Absturz in die Zweitklassigkeit verhindern kann, hat sich in den vergangenen Monaten schmerzhaft durchgesetzt.
Der HSV hat das sportliche Debakel mit dem Beinahe-Abstieg und den finanziellen Kollaps nur mit reichlich Glück abgewendet. 100 Millionen Euro an Verbindlichkeiten bleiben. "Es muss Tabula rasa, ein Neuanfang passieren", fordert der als neuer Aufsichtsratschef vorgesehene Karl Gernandt und erklärt: "Mitbestimmung ist nur dann sinnvoll, wenn ich Werte generiere, die einen Vorteil für alle bringen."
Wie kommt der HSV zu Geld?
Maximal 24,9 Prozent der Vereinsanteile dürfen veräußert werden. Als erster Käufer steht Milliardär und HSV-Edelfan Klaus-Michael Kühne bereit. Der in der Schweiz lebende 76 Jahre alte Logistik-Unternehmer will rund 20 Millionen Euro einbringen, zudem bürgt er bereits jetzt über zehn Millionen Euro, damit der HSV überhaupt die Lizenz für das nächste Spieljahr erhält. Weitere Finanzpartner werden von dem in den Startlöchern stehenden neuen Aufsichtsrat gesucht.
Die HSV-Plus-Gegner um das bisherige Aufsichtsratsmitglied Jürgen Hunke haben sich formiert und wollen das Konzept verhindern. Hunke befürwortet neuerdings die Ausgliederung, die er früher kategorisch ablehnte, und holte sich für seine HSV-Allianz Ex-Profi Manfred Kaltz ins Boot. Aber er will partout keinen Verkauf von Anteilen. Ihm fehlt jedoch die Idee, wie der HSV zu Geld kommt.
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Der Kunstliebhaber und Fernost-Schwärmer klammert sich an seinen Platz im Rat. Gewinnt HSV Plus jedoch, ist er seinen Posten ebenso los wie die anderen fünf verbliebenen Mitglieder im ewig streitenden Gremium. Auch Vereinschef Carl Jarchow wird weichen müssen, vermutlich ebenso Sportchef Oliver Kreuzer. Als Vorstandchef der AG wird der ehemalige HSV-Manager Dietmar Beiersdorfer gehandelt. Es könnte aber auch ein anderer sein.
Designierter Aufsichtsrat wartet auf Arbeitsbeginn
Der neue Aufsichtsrat hat als Schattenkabinett notwendige Vorarbeit geleistet, muss aber auf seine Legitimation warten. Gernandt ist Präsident des Verwaltungsrats im Unternehmen von Geldgeber Kühne. "Wir versprechen keine Champions League, aber ein System, das in Deutschland zu den besseren gehört", sagt der 53-Jährige. "Wir wollen nicht ein bisschen, sondern ganz. Wir werden keine Kompromisse machen."
Als sein Stellvertreter ist Ex-Profi Thomas von Heesen vorgesehen, der gemeinsam mit dem einstigen Abwehrspieler Peter "Eiche" Nogly den sportlichen Sachverstand in den Rat einbringen soll. Den Kontakt zur Wirtschaft und den Banken wollen die Unternehmer Felix Goedhart und Dieter Becken knüpfen, für die Vermarktung ist Klitschko-Manager Bernd Bönte vorgesehen.
Die HSV-Plus-Gegner setzten indes auf Ermüdung der Mitglieder. Allein 28 Änderungsanträge zur Ausgliederung stehen am Sonntag auf der Tagesordnung. Die Prozedur kann so lange dauern, dass viele Mitglieder nach stundenlangem Warten entnervt das Stadion verlassen, bevor die Abstimmung überhaupt begonnen hat. "Wir wollen eine Abstimmung am Anfang", sagt Gernandt. Für ihn wäre eine Prozedur, die bis in den Abend verzögert werden sollte, "eine Riesenschweinerei".