Was wäre der FC Bayern ohne seinen Patriarchen Uli Hoeneß?
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Essen.. Mitten in der erfolgreichsten Phase seiner an Erfolgen reichen Geschichte muss sich der FC Bayern der Frage stellen: Wie könnte es ohne Uli Hoeneß gehen?
Manchmal ist es nicht leicht, Fußballer zu sein. Der FC Bayern München zu sein, könnte von diesem Donnerstag an noch schwieriger werden.
Vielleicht muss man sich diesen FC Bayern vorstellen wie ein majestätisches Schiff. Es pflügt durch den Ozean, es ist schneller als die anderen Schiffe, größer und schöner. Wer am Ruder steht, ist nicht entscheidend, am Firmament strahlt, heller als alle anderen, der Stern des Südens. In Wahrheit hält er das Schiff auf Kurs: Solange man ihm folgt, kann nichts passieren.
Bayerns Stern des Südens heißt Uli Hoeneß. Aber Bayerns Stern des Südens strahlt nicht mehr.
Hoeneß ist vom Himmel gestürzt
Hoeneß, diese Fleisch gewordene Durchsetzungsfähigkeit, dieser Patriarch mit der weichen Seite, mit dem anscheinend unfehlbaren inneren moralischen Kompass, ist in den letzten drei Tagen vom Himmel gestürzt. Hoeneß, dieser Kerl, der doch alles schaffen konnte. Der als Sohn eines Metzgermeisters aus Neu-Ulm unter den Ladentheke nach Zehnern suchte und sein Fleisch inzwischen an Aldi und McDonald’s verkauft. Ein Fußball-Profi, den sein kaputtes Knie schon mit 27 Jahren auf den Manager-Sessel des FC Bayern München gezwungen hat. Zwölf Millionen Umsatz, sieben Millionen Schulden fand Hoeneß vor. Und dann diese Leistung: Titel und Triumphe dutzendweise, seine Bayern heute überlebensgroß, eine Weltmarke, hunderte von Millionen schwer. Alles undenkbar ohne Hoeneß.
Da ist der Verein FC Bayern, den Hoeneß geprägt hat wie kein anderer und dessen Präsident er ist. Zieht man ihn ab, bleibt, ja, wer? Karl-Heinz Rummenigge, der kalt kalkulierende Macher, der bei aller Schärfe oft so ungelenk wirkt? Franz Beckenbauer, der längst entschwebt ist und heute dies und morgen das erzählt?
Und da ist die FC Bayern AG, die den Profi-Fußball regelt und in der über 300 Millionen pro Jahr umgesetzt werden. Ihrem Aufsichtsrat steht Hoeneß vor, an seiner Seite sitzt die Elite der deutschen Wirtschaft: Rupert Stadler, der Audi-Chef. Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Telekom. Oder Martin Winterkorn, der VW-Boss. Wie wollen sie, unabhängig von der Höhe des Strafmaßes, mit jemandem zusammen arbeiten, der so viel Steuern hinterzogen hat? Während sie ihre Unternehmen, jeden Mitarbeiter und sich selbst Regeln zu Redlichkeit und Integrität gegeben haben, die Hoeneß allesamt gebrochen hat.
Fehler im Aufsichtsrat
Noch im November haben sie ihm Vertrauen ausgesprochen, damals ging es um 3,5 Millionen Euro an hinterzogenen Steuern. Ein Fehler, ganz offensichtlich, denn an diesem Donnerstag wird über die neunfache Summe abgeurteilt. Aber keiner wollte vorher den Königsmörder geben.
Aber was, wenn König Uli jetzt vom Thron muss? Einen Nachfolger hat Hoeneß nie aufgebaut. Will sich die Weltmarke Bayern repräsentieren lassen von jemandem, der womöglich morgens an der Säbener Straße die Fäden zieht und abends in Stadelheim einfährt?
Dabei geht es um nichts weniger als die Seele des Vereins. Adidas, Audi und die Allianz haben bis jetzt fast 275 Millionen Euro in den Klub investiert, dafür verfügen nicht mal über ein Drittel der Bayern-Anteile. Im Ausland wechseln ganze Vereine für weniger den Besitzer. An dieser Nahtstelle verkörperte Hoeneß ein entscheidendes Scharnier: Die Elite im Boot? Ja. Die Bayern ausverkaufen? Nein.
Hoeneß war immer auch Patriarch
Auch deshalb stand Hoeneß in der öffentlichen Wahrnehmung für Werte, die durch alle Erfolge nicht zu ersetzen sind – er war eben immer auch der Patriarch. Bereit, sich für seine Familie FC Bayern in jedes Schwert zu stürzen. Darum sagen Spieler wie Arjen Robben mitten in einem Prozess, dessen Folgen den Verein erschüttern dürften: Wir spielen nur für ihn.
Uli Hoeneß, vom Stern des Südens zum Kreuz des Südens. Wen mag es jetzt schlimmer treffen: die Bayern ohne ihn, oder ihn ohne seine Bayern?
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