Gelsenkirchen. Zweimal war für Schalke in 50 Jahren Bundesliga die Meisterschaft zum Greifen nah - und beide Male war Gerald Asamoah dabei. In der Serie über 50 Jahre Bundesliga erzählt Asamoah über die „Dummheit“, mit der Schalke 2007 den Titel verpasste. Und von seinem Traum, wenn Schalke in dieser Saison Meister wird...

Dieser Abend, diese Leere, diese erdrückende Stille. Wenn die Kinder nicht da gewesen wären, hätte man bei Gerald Asamoah daheim in Marl eine Stecknadel fallen hören können. Schlafen? „Das kannst du nicht so einfach nach einem solchen Spiel“, erinnert sich Asamoah. Nach diesem Spiel, in dem Schalke am 12. Mai 2007 mit einer 0:2-Niederlage beim Derby in Dortmund die fast sicher scheinende Meisterschaft vergeigt hatte.

Am 12. Mai 2007 standen Fans vor Asamoahs Haustür

Irgendwann, fast in der Nacht, klingelt es bei dem Schalker Stürmer an der Haustür. Einige Fans stehen draußen und wollen einfach nur reden. Sie wollen wissen, was denn nur los war an diesem Nachmittag. Wie ihre Königsblauen dieses unfassbar wichtige Spiel so sang- und klanglos verlieren konnten. Eine Antwort kann ihnen Asamoah nicht geben. Er sagt nur: „Schaut mich an. Ich bin selbst fertig.“

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Zweimal war für Schalke 04 in diesen 50 Jahren Bundesliga der Deutsche Meistertitel zum Greifen nah – zweimal ist der schöne Traum einfach nicht in Erfüllung gegangen: 2001 bei der Meisterschaft der Herzen, und 2007, als die Königsblauen in der Rückrunde einen Sechs-Punkte-Vorsprung verspielten. Als einziger war Gerald Asamoah beide Male dabei, und den Schmerz spürt er heute noch: „Wenn du das als Spieler zweimal so miterlebst, dann gehst du daran ein bisschen kaputt.“ Der verlorene Titel 2001 sei emotional einfach nur schlimm gewesen. Im Vergleich dazu: „2007 war es Dummheit, weil wir alles selbst in der Hand hatten.“

Schalke hätte die Meisterschaft damals mitten im Revier klar machen können: Die beiden letzten Auswärtsspiele fanden ausgerechnet in Bochum und Dortmund statt. Was das bedeutet, musste man einem wie Asamoah nicht groß erzählen, und deswegen rutschte ihm mit Blick auf das Spiel in Dortmund der legendäre Spruch heraus: „Wenn wir da wirklich Meister werden, gehe ich zu Fuß nach Hause.“

Eigentlich, versichert Asamoah heute, habe er das damals nur so dahergesagt, doch als er am nächsten Tag die Zeitungen aufschlug, dachte er nur: „Meine Güte, was habe ich denn da schon wieder erzählt…“ Denn in Dortmund kam der Spruch, nun ja, gar nicht so gut an…

Schalke hatte es ohnehin spannend gemacht, weil das kleine Derby in Bochum mit 1:2 verloren ging – eine Niederlage, die so unnötig war wie keine andere. So fuhren die Blauen nur noch mit einem einzigen Punkt Vorsprung auf den VfB Stuttgart nach Dortmund und bekamen dort ihre Nerven nicht in den Griff – Alex Frei und Ebi Smolarek stürzten Schalke mit ihren Toren zum 2:0 ganz tief ins Tal der Tränen. Eine Woche später hatte Stuttgart die Schale – und Schalke den Salat.

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Schon direkt nach der Niederlage in Dortmund hatte es eine Krisensitzung gegeben, auf der sich die Spieler ordentlich die Meinung gegeigt hatten. Man konnte darüber streiten, warum fast alle Schalker in Dortmund einfach nur wie gelähmt auf dem Platz standen. Oder warum Trainer Mirko Slomka ausgerechnet in dieser Phase nichts mehr einfiel, um dagegen zu wirken. „Wir Fußballer neigen dazu, die Schuld bei anderen zu suchen“, erinnert sich Asamoah. Doch eigentlich ist es ihm auch heute, sechs Jahre später, ein Rätsel, wie das passieren konnte mit einer Mannschaft, die in dieser Saison 2006/2007 so oft meisterlich Fußball gespielt hatte: „Vielleicht war es der Druck, nach so vielen Jahren Geschichte schreiben zu können“, sagt er: „bei manchen Spielern ist es ein Problem, dass man Angst hat, in einem solchen Moment zu versagen.“

Ihn selbst habe das freilich nie belastet, „ich bin immer locker damit umgegangen.“ Asamoah genießt es eher, wenn bei den Königsblauen das ganze Umfeld jedes Mal wie elektrisiert ist, sobald die Schale auch nur irgendwie in Sicht ist: „Ich finde das einfach nur schön.“ In Fürth, sogar beim Aufstieg in die Bundesliga, hat er das ganz anders erlebt. Drei Jahre war Asamoah bei anderen Vereinen unterwegs, erst in St. Pauli (2010/ 11) und dann bis zu diesem Sommer in Fürth. Nun ist er wieder zu Hause – hier auf Schalke.

Liebt den FC Schalke 04: Gerald Asamoah.
Liebt den FC Schalke 04: Gerald Asamoah. © Martin Möller / WAZ FotoPoo

Wir sitzen im Essnullvier, dem Restaurant im Berger Feld, das längst das Schalker Feld geworden ist. Gerald Asamoah nimmt einen Schluck Mineralwasser und erzählt dann die Geschichte, wie sehr er dieses Leben auf Schalke vermisst hat. „Als ich nach so vielen Jahren von Schalke nach St. Pauli gewechselt bin, habe ich irgendwann nur gedacht: Was ist, wenn die Schalker jetzt Meister werden, und ich nicht dabei bin? Kann ich dann wohl noch mitfeiern?“ Nichts kann besser ausdrücken, wie sehr Gerald Asamoah diesen, seinen Verein lebt.

Asamoah will noch ein Weilchen in der zweiten Mannschaft kicken

Nun ist er zurück. Er ist froh, dass er mit 34 Jahren noch ein Weilchen in der zweiten Mannschaft kicken kann, auch wenn es mit der großen Karriere nun vorbei ist – sein ewiger Traum von der Meisterschaft hat sich nicht erfüllt. Nur eine ganz, ganz winzige Hoffnung bleibt ihm noch. Denn wenn Schalke in der kommenden Saison Meister werden würde, dann würde er Manager Horst Heldt anflehen: „Bitte, Horst, lass mich noch eine Minute mitspielen – dann bin ich einmal im Leben Meister.“ Asamoah überschlägt sich geradezu vor Begeisterung bei diesem Gedanken, und nur ganz leise fügt er an: „Aber ich weiß nicht, ob der Horst das mitmachen würde.“

Doch könnte man einem wie „Asa“ auf Schalke einen solchen Wunsch abschlagen?