München. Der FC Bayern gilt als Meister der Attacke und der Psychospielchen. Sticheleien werden bewusst eingesetzt, um den Gegner zu schwächen. Doch vor dem Bundesliga-Gipfel bei Borussia Dortmund haben die Münchener ihre Strategie geändert. Statt verbal anzugreifen, halten sie sich zurück.

Zum Wesen von Spitzenspielen im Fußball gehören nicht nur Spannung und sportliche Brisanz, sondern auch die verbalen Scharmützel davor. Die sind sogar oft interessanter als das Duell selbst, weil das manchmal zu taktisch geprägt ist, um ganz großen Unterhaltungswert zu bieten. Der FC Bayern gilt als Meister der Attacke und der Psychospielchen, Sticheleien werden bewusst eingesetzt, um den Gegner zu schwächen. Die eigene Situation auch dann noch schön zu reden, ist der Teil der Firmenphilosophie, des „Mia-san-mia“-Gefühls. Dass das Unternehmen aus München seine Strategie vor dem Duell am Mittwoch mit Tabellenführer Borussia Dortmund (20 Uhr/live im DerWesten-Ticker) änderte, hat womöglich mit Erfahrungswerten zu tun, denn die Zermürbungstaktik verlor immer öfters ihre Wirkung.

Vor acht Jahren versprachen die Bayern den Bremern am drittletzten Spieltag, sie „wegzufegen“ – und waren anschließend chancenlos. Werder kürte sich mit dem Sieg in München vorzeitig zum Meister. Im vergangenen Jahr nahmen die Bayern den Erfolg in der Champions League bei Inter Mailand zum Anlass, auch in der Liga zum Angriff auf die schon enteilten Dortmunder zu blasen – mit dem Resultat, dass die Westfalen drei Tage später im direkten Aufeinandertreffen die Kluft noch größer werden ließen und sich vermutlich amüsiert auf die Schenkel geklopft haben angesichts derartiger Selbstüberschätzung des Konkurrenten.

Bayern wären bei Sieg Tabellenführer

Dieses Mal ist die Situation für die Münchner nicht ganz so aussichtslos. Drei Punkte liegen die Bayern nur zurück und sie sind außerdem mit dem besseren Torverhältnis ausgestattet. Ein Sieg würde sie damit auf jeden Fall an die Tabellenspitze bringen. Dann hätte man einen kleinen Vorteil im Titelrennen, sagt Kapitän Philipp Lahm: „Aber auch danach sind noch ein paar Spiele.“

Der Konkurrent um die Meisterschaft ist keine Mannschaft, die von der Schwäche der Münchner profitiert, wie in den vergangenen 13 Jahren mal Bremen, mal Dortmund, mal Stuttgart, mal Wolfsburg. Dortmund ist stark genug, um dem Branchenführer in den nächsten Jahren Konkurrenz zu machen – und das scheinen die Bayern begriffen zu haben. „Ein Duell auf Augenhöhe“ sieht der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge deshalb. Er meint zwar in erster Linie das Spiel am Mittwoch, aber es trifft die Kräfteverhältnisse in der Bundesliga ganz gut.

Münchner gewannen neun Pflichtspiele in Folge

Die Bayern demonstrieren – wie die Dortmunder – Zuversicht. Man habe „Respekt vor dem Gegner“, sagt Rummenigge, „aber Angst brauchen wir keine zu haben.“ Neun Pflichtspiele gewannen die Bayern nun hintereinander, und „wie die Mannschaft den Drei-Tage-Rhythmus absolviert“, sagt Sportdirektor Christian Nerlinger, „das macht uns selbstbewusst“. Den Wechsel zwischen Bundesliga und Champions League bewältigten die Bayern in den vergangenen vier Wochen ohne die sonst in diesen Phasen schon mal üblichen Rückschläge in Partien gegen vermeintlich schwächere Gegner. „Seit wir die Doppelbelastung haben, spielen wir sogar besser“, stellte Rummenigge fest.

Dass die Kräfte nicht unendlich sind, stellten die Bayern am Samstag beim mühevollen 2:1-Sieg gegen den FC Augsburg fest. Das Blitztor von Mario Gomez war das Signal für Geist und Körper, auf Energiesparmodus umzustellen. Fast wäre es schief gegangen, weil der Nachbar aus Schwaben aufbegehrte, aber die Energiespeicher der Münchner erlaubten eine schwungvollere zweite Halbzeit.

„Wir müssen davon wegkommen, dass wir jetzt jeden Gegner an die Wand spielen werden“, sagte der Münchner Torjäger anschließend. Im Duell mit Dortmund rechnet damit ohnehin niemand.