München. Beim FC Bayern München herrscht permanente Krisenstimmung, seit sich der Abstand auf Tabelleführer Borussia Dortmund kontinuierlich vergrößert. Immer lauter werden die Vorwürfe gegen Trainer Jupp Heynckes. Eine einvernehmliche Trennung könnte sich im Sommer abzeichnen.

Es regnete und regnete am Montag in München, aber das passte Jupp Heynckes gut in den Kram. Bayern Münchens Protagonisten blieb an diesem trainingsfreien Tag gar nichts anderes übrig als nachzudenken über das, "was zwischen Weihnachten und heute passiert ist" (Karl-Heinz Rummenigge). Den Spielern nicht, und dem Trainer sowieso nicht: Die öffentlichen Vorwürfe gegen den 66-Jährigen sind gravierend - und langsam, aber sicher drängt sich die Frage auf, wie lange Präsident Uli Hoeneß noch wartet, "den schwersten Fehler seiner Karriere" ein zweites Mal zu begehen.

Trennung des FC Bayern München von Heynckes zum Sommer denkbar

Dieser, daran hält Hoeneß fest, hat sich am 8. Oktober 1991 ereignet. Auf Tabellenplatz zwölf schrillten die Alarmglocken in München damals noch lauter als im Moment. Heynckes' erste Amtszeit in München war nach vier Jahren beendet. Nachgeweint wurde ihm lange.

Momentan scheint eine vorschnelle Trennung von Hoeneß' Wunschkandidaten daher nahezu ausgeschlossen: Nur dürfte Heynckes' altem Kumpel und auch Vorstandschef Rummenigge nicht entgangen sein, dass die Wohlfühloase der Hinserie in der Rückrunde in eine Hand voll Krisenherde zerfallen ist. Heynckes hat auf der Suche nach der perfekten Elf seine Kernkompetenz vergessen. Die ständigen Rochaden sorgten für Verunsicherung und vor allem interne Disharmonien.

Das Gebilde Bayern München ist zum Start in den entscheidenden Monat März fragil, hat keine Hierarchie und einen Trainer, den die Lösungen auszugehen drohen. "Fehler bei Taktik und Transfers" wurden Heynckes am Montag via "Bild"-Zeitung vorgeworfen. Intern hat er vor allem aufgrund seines prominenten Fürsprechers Kredit - von "forever Heynckes" redet aber schon lange niemand mehr. Eine einvernehmliche Trennung im Sommer, also ein Jahr vor dem offiziellen Vertragsende des 66-Jährigen, ist in der momentanen Situation gut denkbar. Zumal Gladbachs Erfolgstrainer Lucien Favre als möglicher Nachfolger zur Diskussion steht. Komplimente für die Arbeit des Schweizers bei Borussia Mönchengladbach waren zuletzt auch aus München zu hören.

Bayern-Mannschaft wirkt führungslos

"Wenn man Verlierer ist, hat man wenig Argumente", weiß Heynckes. Und eben diese Argumente schwinden immer weiter: Zehn Punkte haben die Bayern auswärts in der Rückrunde liegen lassen, angesichts sieben Zählern Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund forderte Toni Kroos im "kicker" sein Team auf, "jetzt nach unten zu schauen". Jeder andere Trainerstuhl an der Säbener Straße wäre schon längst angesägt. Aber Heynckes ist eben Heynckes.

"Es liegt nicht am Trainer. Das sind wir, die Mannschaft", beteuerte Franck Ribery nach dem 0:2 gegen Bayer Leverkusen zwar. Den Vorwurf, den Kuschelkurs als Gegenprogramm zu Vorgänger Louis van Gaal zu lange durchgezogen zu haben, muss sich Heynckes aber gefallen lassen. Disharmonien in der Mannschaft hat er momentan genauso wenig im Griff wie die Starallüren seiner Diven. "Die Spieler müssen begreifen, dass es nicht sein kann, dass jeder seine persönlichen Egoismen in den Vordergrund stellt, sondern sie müssen für die Mannschaft spielen", kritisierte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer bei Sky. Von "Disziplinlosigkeit" sprach gar der ehemalige Bayern-Spieler Didi Hamann und forderte: "Da muss mal einer auf den Tisch hauen."

Wenn das einer macht, dann weder der blass wirkende Sportdirektor Christian Nerlinger noch Heynckes. Auf den Tisch hauen ist Chefsache: Nach Abpfiff in Leverkusen blieben Hoeneß und Rummenigge gar 40 Minuten in der Kabine. Die Mannschaft aber wirkt führungslos - und daran kann ein Trainer nicht ganz unschuldig sein. Zumindest einen kleinen Seitenhieb bekam Heynckes schon zu spüren: „Der große Unterschied ist, dass ich hier viel Freiheit im Spiel bekomme und Selbstvertrauen durch den Coach", sagte Arjen Robben jüngst zur Arbeit unter dem niederländischen Nationaltrainer Bert van Marwijk. Und unter Heynckes? Robben schwieg. (dapd)