Leverkusen..

Robin Dutt schaut aus dem Fenster. Unter ihm liegen die Trainingsplätze von Bayer Leverkusen, dahinter führt die A 1 vorbei. Wie immer: Der Verkehr stockt. Es passt zur Lage von Dutt und Bayer Leverkusen, denn unter dem ehemaligen Freiburger ist der Vizemeister in der Bundesliga noch nicht ins Rollen gekommen. Einen Vorteil hat der Stau auf der Autobahn: „Beim Training ist es nicht so laut und ich kann meine Stimme schonen“, lächelt Leverkusens Coach.

Herr Dutt, können wir mit ein paar Sätzen und Dingen beginnen, die man Ihnen vorhält?

Robin Dutt: Nur zu!

An Ihrem ersten Arbeitstag haben Sie davon gesprochen, einen Titel holen zu wollen. Jetzt ist Bayer Sechster. . .

Im Fußball ist es oft so, dass der Erfolg von gestern die Messlatte für heute ist. Ich habe gar nicht erst versucht, die Messlatte tiefer zu legen, weil ich den Anlass dafür nicht sah. Ich habe sie sehr bewusst oben gelassen. Wenn du dann aber nicht gleich auf dieser Höhe agierst, wird es unruhig.

Würden Sie diese Aussage wiederholen?

Das Feedback darauf war damals sehr positiv. Aus meiner Sicht ist es legitim, einen Titel holen zu wollen, wenn man als Trainer einen Top-Klub bekommt. Ich habe allerdings nie gesagt, dass es in dieser Saison sein muss. Im Grundsatz stehe ich nach wie vor dazu.

Ein anderer Satz, den man Ihnen vorhält: Auch für einen Michael Ballack müsse es eine Ehre sein, bei einem Champions-League-Teilnehmer auf der Bank zu sitzen.

Das habe ich nie gesagt.

Wie war es dann?

Es ging in einer Pressekonferenz lange um Michael Ballack. Danach gab es einen Themenwechsel, es wurde über Rotation gesprochen und was es für Spieler heißt, auf der Bank zu sitzen. Daraus ist dieser Satz gemacht worden. Aber ich bin so kritikfähig, dass ich keinem Medienvertreter übel nehme, dass er diese Dinge zusammen gerührt hat. Meine Wortwahl war nicht gut, auch mein Timing nicht. Ich hätte wissen müssen, dass das auf Michael gemünzt werden könnte. Und, um das noch zu sagen: Ich habe zu Michael Ballack ein ganz hervorragendes Verhältnis.

Was man Ihnen auch vorhält: Sie wollten Schnitzel und Nutella vom Speiseplan streichen?

Das ist so ein typisches Boulevard-Thema, und ich muss es dann immer wieder dementieren. Das wird auch den Jungs nicht gerecht. Wir stehen im Achtelfinale der Champions League, sind in der Liga vom Punkteabstand her oben nicht so schlecht dabei. Die Jungs leisten etwas. Es wird ihnen nicht gerecht, sie als Haufen darzustellen, der mit mir über Schnitzel diskutieren muss.

Sie haben sich in Leverkusen trotzdem den Ruf erworben, autoritär zu sein. Sind Sie’s?

Ich weiß nicht, ob ich den Ruf habe. Ich selbst würde sagen, dass wir uns intern sehr viel austauschen. Ich würde mich auch nicht als autoritär bezeichnen. Nein, alles andere als das. Aber du kannst natürlich keinem Menschen seine Wahrnehmung nehmen.

Sie haben einen 19-jährigen Sohn. Was würde der sagen?

Der würde sagen, das kann nicht mein Vater sein. Bei ihm hätte ich vielleicht wirklich ab und zu autoritärer sein sollen. Und was den Sport angeht: Teamwork ist für mich der einzig gangbare Weg. Die Jungs können nur Leistung bringen, wenn sie überzeugt sind von dem, was sie tun.

Fühlen Sie sich ungerecht dargestellt?

Die Frage stellt sich heutzutage nicht mehr. Die Bundesliga ist großes Entertainment geworden, da geht es nicht um gerecht oder ungerecht. Die ganzen Begleiterscheinungen gehören dazu, die kann niemand verhindern. Entscheidend ist etwas anderes: Wie sehen mich meine Spieler, mein Trainerteam und die Leute, die im Verein die Vorgaben machen, also Rudi Völler und Wolfgang Holzhäuser? Auf diesen Ebenen muss es einen Austausch geben, auch kritisch. Das klappt wunderbar.

Ihr ehemaliger Verein, der SC Freiburg, gilt in der Liga als eine Art Idylle. War es einfacher, dort zu arbeiten?

Man sollte nicht vergessen, dass ich 2007 beim Sportclub der Nachfolger von Volker Finke war, der dort über ein Jahrzehnt lang erfolgreich gearbeitet hat. Die Anfänge in Freiburg und Leverkusen zeigen viele Parallelen auf: Intern gibt es in beiden Vereinen sehr angenehme Menschen, mit denen du vertrauensvoll zusammen arbeiten kannst. Extern gab es anfangs hier und dort kritische Betrachtungen. Ich habe in Freiburg schon gesagt, was ich heute wieder sage: Wir arbeiten sehr gut zusammen. Letztlich aber glaubt man dir das immer erst dann, wenn die Ergebnisse stimmen.

Glauben Sie, dass diese Skepsis mit Ihrer fehlenden Vita als Spieler zu tun haben könnte?

Man darf das sicher nicht vergessen. Ich bin ja keiner, den die Leute 15 Jahre lang am Ball verfolgt und von dem sie sich als Mensch ein Bild gemacht haben, wie zum Beispiel von Rudi Völler. So wie er als Spieler aufgetreten ist, trägt ihn das ja sein ganzes Leben lang. Mich kannte man damals gar nicht, jetzt ein bisschen besser. Aber bis das in eine Balance kommt, dauert es.

Man weiß ja auch nicht viel von Ihnen. . .

Privates gebe ich nicht preis. Über Fußball kann man sich stundenlang mit mir unterhalten. Über Privates nicht.

Nicht mal darüber, welche Bücher Sie lesen oder welche Musik Sie hören?

Nein, nicht einmal das. Das Private ist mein Rückzugsgebiet. Da geht nichts.

Wenn wir einen Strich unter Ihr erstes Halbjahr in Leverkusen ziehen: Champions League gut, Bundesliga durchwachsen?

Rein tabellarisch gesagt: Die Champions League ist mehr als in Ordnung. Wir haben das Achtelfinale erreicht, da muss man der Mannschaft ein richtig gutes Zeugnis ausstellen. Was die Liga angeht, würde ich sagen: Wir haben vier Punkte zu wenig geholt.

Die beliebte Frage: Trainer, woran liegt’s?

Ich weiß, woran es liegt, aber die Gefahr besteht, dass meine Antworten nach Ausreden klingen könnten.

Weil Sie lange auf Renato Augusto und Tranquillo Barnetta verzichten mussten? Weil Arturo Vidal nicht mehr da ist?

Das muss eine Mannschaft jedenfalls erst einmal auffangen. Erschwerend kommt hinzu: Wenn es spielerisch nicht so läuft, hast du während der Champions-League-Vorrunde kaum Gelegenheit, das über Training aufzufangen. Du bist im ständigen Rhythmus zwischen Spiel und Regeneration. Deshalb freue ich mich auf die Vorbereitung im Winter, in der wir intensiv arbeiten können.

Und was ist dann noch drin?

Eine gute Saison bedeutet am Ende, dass wir einen Champions-League-Platz geholt haben. Vier gibt es, die Bayern werden einen belegen, das ist sicher. Dortmund muss man das auch zutrauen. Danach streiten sich Gladbach, Bremen, Schalke und wir um zwei Plätze, auch Stuttgart und Hannover muss man im Auge behalten. Ich sehe aber keinen Grund, warum wir uns verstecken sollten.